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WINTERDIENST-VERANSTALTUNG Weitnauer machen „Halbwahrheiten“ den Garaus – Rechtsanwalt Mailer klärt auf

Winterdienst ist nicht nur harte Arbeit, sondern nach wie vor mit einem gerüttelt Maß an Unsicherheiten verbunden. Insbesondere wenn es um Haftungsfragen geht, fühlen sich selbst gestandene Schneepflugfahrer aufs Glatteis geführt.

Lesedauer: min | Bildquelle: Michael Loskarn
Von: Michael Loskarn

Um die kursierenden „Halbwahrheiten“ in Sachen Schneeräumung einzudämmen, holte Benedikt Müller, Bauhof-Chef der Marktgemeinde Weitnau, Mitte Oktober sein Team samt Subunternehmer zu einem Vortrag von Rechtsanwalt Thomas Mailer im dortigen Adler zusammen. Rund zwanzig Männer, respektive eine Dame der Verwaltung, lauschten den Ausführungen des erfahrenen Kemptener Juristen – darunter auch Erster Bürgermeister Florian Schmid. Für den Kommunal-Chef lohnte sich die Veranstaltung allemal, denn während Mailers Vortrag wurde deutlich, dass Gemeinden gut daran tun, eine entsprechende Gehwegsatzung zu verankern.

Unsicherheiten unter Bauhof-Personal und Subunternehmer

Doch eins nach dem anderen: „Aus der Praxis heraus“ war Bauhof-Leiter Müllers Intention entstanden, diesen Halbwahrheiten bzgl. etwaiger Haftungsansprüche den Garaus zu machen. Schließlich forderten Bürger oftmals enorm viel, was bei Dienstleistern und Bauhof-Personal zu Unsicherheiten geführt habe. „Wo geht Haftung los, wo hört sie auf – das hat Rechtsanwalt Mailer klar auf den Punkt gebracht“, resümierte der Mittdreißiger.

Mit seiner Aussage „wir machen das heute ohne Paragrafen“ holte derweil der ehemalige Vertrauensanwalt der Versicherungskammer Bayern die Fachleute bereits zu Beginn auf die ihm eigene charmant-verschmitzte Art ab. Außerdem veranschaulichte der Pensionär im „Unruhestand“ anhand eines Fallbeispiels die herrschende Meinung der Rechtsprechung im Sinne des Winterdienstrechtes. Dieses sei durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt, die jeweils ausfüllungsbedürftig sind – „es kommt darauf an...“. Letztlich entschieden Richter für den Einzelfall.

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Keine Gehwegsatzung: Gemeinde ist zur Sicherung verpflichtet

Wie dies in der Juristerei vonstattengeht, veranschaulichte Mailer exemplarisch anhand eines Schemas: Bei Haftungsfragen aufgrund einer verletzten Verkehrssicherungspflicht im Winter prüfe das Gericht zuerst, ob sich der Fall innerhalb geschlossener Ortslage (zusammenhängende geschlossene oder offene Bauweise) zugetragen und ob es sich um Fahrzeug- oder Personenverkehr gehandelt hat. Bei Fahrzeugverkehr müssen die Straße verkehrswichtig sowie die Verhältnisse dort gefährlich gewesen sein, ansonsten wird die Klage abgeschmettert. Komplett anders verhält sich die Sache bei Personenverkehr: Dort ist grundsätzlich die Gemeinde zur Sicherung der Gehwege verpflichtet, soweit die Verkehrssicherungspflicht nicht auf die Anlieger übertragen wurde. Über sogenannte Gehwegsatzungen tritt die Mehrzahl der Gemeinden diese deshalb an die Bürger ab.

Übrigens, verkehrswichtig im juristischen Sinn ist eine Straße nur dann, wenn dort der meiste Verkehr rollt, und zwar ständig. Außerdem wird eine Situation auf einer verkehrswichtigen Straße von Juristen nur dann als gefährlich eingestuft, wenn ein sorgfältiger Kraftfahrer diese nicht hätte erkennen und auch nicht entsprechend vorbeugend handeln können. Juristisches Schmankerl: „In Weitnau gibt’s gar keine verkehrswichtige und gefährliche Straße“, klärte Mailer auf und sorgte für ungläubige Lacher. Vielmehr sei der in der Marktgemeinde erbrachte Winterdienst als „überobligatorisch“ einzuschätzen. Will heißen: Bauhof-Chef Müller samt Team sowie alle Subunternehmen machen im Sinne des Bürgers einen verdammt guten Job. Wobei es in den seltensten Fällen überhaupt zu haftungsrechtlichen Ansprüchen kommen dürfte. Müller abschließend: „Wir machen mehr als wir müssten – im Sinne einer politisch bestimmten Service-Leistung für den Bürger. Aus der Haftung sind wir bei entsprechender Sorgfalt eher draußen. Klar, bei Gehwegen sieht es etwas anders aus, da ist man schneller in der Verantwortung.“

Liebe Leserin, lieber Leser, sollten ihnen weitere Fragen auf den Nägeln brennen, wie beispielsweise ab wann die Räum- und Streupflicht gilt, wozu Bauhöfe überhaupt bei Eis und Glätte verpflichtet sind, welche Straßen oder Wege zuerst geräumt werden sollten oder welche Folgen es hat, wenn eine Kommune nicht streut – dann werfen Sie doch einen Blick auf unser Interview mit Experte Thomas Mailer.


 

Fakten zur Verwaltungsgemeinschaft Weitnau/Missen-Wilhams:

Landkreis: Oberallgäu

Weitnau: 5.400 Einwohner

Teilorte: Weitnau, Wengen, Kleinweiler-Hofen, Sibratshofen, Seltmans, Rechtis, Hellengerst, Ettensberg und Waltrams

Missen-Wilhams: 1.516 Einwohner

Teilorte: Missen, Wilhams, Aigis, Geratsried, Börlas und Berg

Orts- und Gemeindeverbindungsstraßen Weitnau: 68 km werden geräumt und gestreut

Ortskerne: werden geräumt und gestreut

Radwege Weitnau sowie des Freistaates: circa 35 km werden geräumt und gestreut

Fahrzeuge in Weitnau im Einsatz:  fünf eigene Fahrzeuge (vier Großfahrzeuge ab 150 PS, ein Schmalspurfahrzeug für Geh- und Radwege); vier Subunternehmer, drei mit Großfahrzeugen, einer mit Schmalspur; fünf „Selbstständige“, die von Hand räumen

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