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LESERFRAGEN Winterdienst: Unsicherheiten unter Experten

Wenn die Räumfahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind, bedeutet dies in erster Linie Stress für die Bauhof-Mitarbeiter. Dabei sorgt jedoch nicht nur der Fachkräftemangel für Schwierigkeiten. Denn es bestehen einige Unklarheiten, wie der Winterdienst rechtssicher aufgezogen werden kann. In den vergangenen Monaten erreichten diverse Leserfragen unsere Redaktion. Fundierte Antworten hat Rechtsanwalt Thomas Mailer parat, der zum Thema der kommunalen Haftpflicht bereits Seminare in ganz Deutschland abgehalten sowie zahlreiche Kommunen des Allgäus rechtlich vertreten hat.

Lesedauer: min | Bildquelle: Pexels/User Tom Fisk; Thomas Mailer; Pixabay/User Reinhard Thrainer
Von: Tim Knott

Ab wann gilt die Räum- und Streupflicht für den Bauhof?

Thomas Mailer: Wer einen Verkehr eröffnet oder zulässt, hat die Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern (BGH NJW 07, 762 und 1684; 13, 48 Tz 6). Diese Rechtspflicht gilt bei Fahrbahnen öffentlicher Straßen zum Zeitpunkt des Einsetzens des üblichen Tagesverkehrs bis zu dessen Ende. In belebten Städten müssen daher die Straßen beispielsweise schon um 6.00 Uhr morgens geräumt und gestreut worden sein, wohingegen in einer kleinen Gemeinde die Frist daher erst um 7.00 Uhr oder später enden kann. Eine genaue Festlegung nach der Uhrzeit gibt es aber nicht. Sollte es zu Schneefall kommen, muss spätestens eine Stunde nach Ende des Niederschlags nachgeräumt oder nachgestreut werden.

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Wozu sind die Bauhöfe bei Schneefall und Glätte verpflichtet?

Mailer: Die Bauhöfe sind lediglich verpflichtet, an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen der Fahrbahn einer öffentlichen Straße zu räumen und zu streuen. Verkehrswichtig sind innerhalb geschlossener Ortslage diejenigen öffentlichen Straßen, auf denen im Verhältnis zu allen anderen öffentlichen Straßen der Gemeinde der meiste Fahrverkehr stattfindet. Gefährlich sind alle Stellen der Fahrbahn einer öffentlichen Straße, die für den sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einstellen kann (BGH VersR 12, 1434). Damit die Räum- und Streupflicht greift, genügt es nicht, wenn die Fahrbahn nur verkehrswichtig ist. Es muss die Gefährlichkeit hinzukommen. Ansonsten würde die Zumutbarkeitsgrenze für die Gemeinden überspannt.

Was muss als erstes geräumt werden?

Mailer: Die Gemeinde ist verpflichtet, einen Räum- und Streuplan aufzustellen, in dem die vorrangig winterdienstlich zu behandelnden Fahrbahnen ausgewiesen sind. Zuerst müssen die verkehrswichtigen und zugleich gefährlichen Stellen der Fahrbahn einer öffentlichen Straße behandelt werden. Generell gilt, dass beim Einsetzen des täglichen Fahrverkehrs (Berufsverkehrs) der Winterdienst erbracht sein muss. Wenn notwendig, ist der Dienst tagsüber zu wiederholen, und zwar bis zum Ende des täglichen Fahrverkehrs.

Sind Radwege mit Straßen gleichgestellt?

Mailer: Für Radwege gilt, dass sie nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu räumen und zu streuen sind. Bei kombinierten Rad- und Fußwegen ist in aller Regel der Anlieger zum Räumen und Streuen für den Fußgängerverkehr verpflichtet. Der Radfahrer profitiert von diesem Dienst, für ihn wurde aber nicht eigens geräumt und gestreut. Innerhalb der geschlossenen Ortslage ist sehr streng zwischen Fahr- und Fußverkehr zu unterscheiden. Während dem Fahrverkehr geringere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, bedarf der Fußverkehr des höchsten Schutzes. Nachdem Radwege dem Fahrverkehr zuzuordnen sind, ist dort die Verkehrssicherungspflicht auf verkehrswichtige und zugleich gefährliche Stellen beschränkt, während innerhalb geschlossener Ortslage jeder Fußgänger in der Lage sein muss, gesichert von A nach B zu gelangen. Deshalb haben die meisten Gemeinden die Räum- und Streupflicht auf Gehwegen den Anliegern übertragen, weil sie andernfalls an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kämen.


Ab wann streut ein Bauhof zu wenig oder zu viel?

Mailer: Das Winterdienstrecht ist durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt, die jeweils ausfüllungsbedürftig sind („Es kommt darauf an...“). Daher gibt es auch keine Metrik, und es muss jeweils für den Einzelfall entschieden werden. Bei der Menge des ausgebrachten Streusalzes handelt es sich eher um eine Frage des Umweltschutzes und der festgelegten Grenzwerte. Im Winterdienst stellt sich die Frage eher danach, ob der Verkehrssicherungspflicht Genüge getan wird oder nicht.

Welche Folgen hat es, wenn die Kommune nicht streut?

Mailer: Eine Kommune ist verpflichtet, den Winterdienst zu erbringen:

a) innerhalb geschlossener Ortslage

b) vor Beginn des Einsetzens des Tagesverkehrs bis zu dessen Ende

c) an verkehrswichtigen und zugleich gefährlichen Stellen der Fahrbahnen der öffentlichen Straßen. Versäumt sie diese Pflicht, wird sie schadensersatzpflichtig gegenüber einem dadurch Geschädigten.

Wie lässt sich Salz einsparen, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen?

Mailer: Es gibt keine gesetzliche Pflicht zur Salzstreuung. Bei Glätte genügt das Streuen mit abstumpfenden Mitteln, sodass die Verkehrsfläche von den Verkehrsteilnehmern bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt gefahrlos benutzt werden kann (vgl. LG Oldenburg VersR OG, 520). Bei besonders lebhaftem Verkehr können unter Umständen auftauende Streumittel geboten sein (OLG Hamm NJWR-R 03, 1103).

 

Sollten Sie weitere Fragen zu Winterdienst oder Kommunalrecht haben, dann schreiben Sie uns an: Redaktion(at)Bauhof-online.de. Wir werden sie in der nächsten Ausgabe unserer Leserfragen beantworten.

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