Wenn zeitgleich ein Unimog U 323 im Offroad-Gelände sein ganzes Können zeigt, ein hochgeländegängiger U 5023 problemlos eine Holzrampe mit 45° Neigung überquert und ein eVito seinen Antrieb auf einer mit Wasser simulierten glatten Fahrbahn unter Beweis stellt, dann kann es dafür nur einen Ort geben: die Kommunal Live 2019 im ADAC-Fahrsicherheitszentrum in Laatzen bei Hannover. Auf einer Fläche von 72.000 Quadratmetern präsentiert die Daimler AG zum 20. Eventgeburtstag beinahe ihre gesamte Produktpalette für den kommunalen Einsatz. An acht Fahrstationen können die Besucher aktiv unter anderen den neuen Actros, aber auch Modelle mit verschiedensten Antriebsarten – von Elektro bis hin Wasserstoff – testen.
Ob Bundeswehr oder Technisches Hilfswerk (THW) – dass die hochgeländegängigen Unimog auch für Offroad-Einsätze bestens ausgerüstet sind, daran zweifelt wohl kaum jemand. Aber wie fühlt es sich eigentlich an, einen Koloss wie den U 2733 oder U 1833 durch unwegsames Gelände zu navigieren? Das wollen an diesem Tag Fachbesucher, Mitarbeiter der An- und Aufbaugerätehersteller sowie das Daimler-Personal selbst herausfinden und geben sich im Minutentakt die Türgriffe in die Hand. Das anschließende Fazit fällt beinahe einstimmig aus: „Super Fahrgefühl, klasse Fahrzeug!“ Doch mitten unter den wuchtigen silbernen Unimog befindet sich auf dem Offroadgelände auch ein orangefarbener U 323, ausgestattet mit einem Absetzkipper von Jotha Fahrzeugbau. Auf den ersten Blick traut man es der kleinen Kommunalmaschine, die doch eher für Einsätze auf Straßen wie beim Winterdienst oder Mäharbeiten bekannt ist, nicht so ganz zu, dass sie auch abseits der befestigten Fahrbahnen überzeugt. Doch das tut sie. Ohne große Anstrengungen passiert der Unimog die vom Regen der vergangenen Tage noch feuchten Wege. Und auch Steigungen sowie Gefälle von 30° können dem U 323 nichts anhaben. Gleich daneben an einer Holzrampe wird es noch ein Stückchen waghalsiger: Hier demonstriert ein U 5023 mit Pritsche und Plangestell, wie die 100-prozentige Steigfähigkeit des Unimog aussieht. Während die Insassen beim Aufwärtsfahren mitunter nur noch den Himmel sehen, ist der Sicherheitsgurt bei der Abfahrt mehr als nützlich, um bei der 45°-Stellung des Fahrzeugs nicht mit dem Kopf voraus in die Windschutzscheibe zu knallen.
Antrieb mit Brennstoffzellen- und Batterietechnik
Etwas „bodenständiger“ geht es da an der nächsten Station zu, an der die Fachbesucher – die, wie Kersten Trieb, Leiter für den Verkauf von Sonderfahrzeugen bei Daimler, berichtet, „in der Regel aus Entscheidern bestehen“ – Fahrzeuge mit den verschiedensten Antriebsarten austesten können. Zur Auswahl stehen neben eVitos mit Elektro-Antrieb auch eine Handvoll Pkw. Besondere Aufmerksamkeit erhält hierbei der Mercedes-Benz GLC F-CELL mit einer Leistung von 147 kW (200 PS). Das Besondere an dem Fahrzeug: Bei ihm hat Daimler die Brennstoffzellen- und Batterietechnik zu einem Plug-in-Hybrid kombiniert, d.h. erstmals kommt in einem Elektromobil mit Brennstoffzelle (Tankvolumen: 4,4 kg Wasserstoff) als zusätzliche Energiequelle eine Lithium-Ionen-Batterie (13,8 kWh) zum Einsatz. Neben einer kleinen Spritztour über das Gelände, haben die Besucher zudem die Möglichkeit, die verschiedenen Antriebsarten hinsichtlich ihres Fahrverhaltens auf glatter Fahrbahn zu erleben. Auch hier zeigt sich wieder, dass die emissionsfreien Modelle den kraftstoffbetriebenen in nichts nachstehen – oftmals reagiert der eVito sogar besser.
Das Thema Sicherheit zieht sich auf der diesjährigen Kommunal Live wie ein roter Faden durch die verschiedenen Fahrstationen. Ein Paradebeispiel dafür ist der Econic als Sammelfahrzeug, ausgestattet mit einem Variopress-Aufbau von Faun oder auch einem MEDIUM X4 von Zoeller. Beide Ausführungen punkten durch das tief positionierte „DirectVision“-Fahrerhaus, bei dem sich der Fahrer auf gleicher Höhe mit den Fußgängern und Radfahrern befindet und das großzügig verglast ist. Optional lässt sich der Econic zusätzlich mit einem Totwinkel-Kamerasystem (TKS) ausstatten, welches aus vier Kameras besteht – an jeder Seite eine. Die Kameras reagieren dabei sowohl auf den Lenkwinkelsensor als auch auf den Blinker und zeigen dem Fahrer somit immer den Ausschnitt an, auch bei Rückwärtsfahrten, den er gerade ansteuert. Wer noch eine Schippe an Sicherheit, vor allem bei Abbiegevorgängen, drauflegen will, der greift zudem auf den Abbiege-Assistenten zurück. Passiert ein Fußgänger oder Fahrradfahrer den rechten seitlichen Überwachungsbereich, dann wird der Fahrer darüber optisch informiert, indem in der rechten A-Säule ein gelbes Dreieck aufleuchtet. Besteht Kollisionsgefahr, wechselt die Lampe erst auf Rot, geht dann in Dauerrot über und ein akustisches Signal kommt noch hinzu.
Der neue Actros setzt auf MirrorCam statt Außenspiegel
Matthias Klar und Philipp Scheurer, beide angestellt bei Remondis in Lünen, einem der weltweit größten Dienstleister für Recycling, Service und Wasser, fasziniert besonders der neue Actros mit seinen Highlights wie beispielsweise das teilautomatisierte Fahren mithilfe des neuen Active Drive Assistent oder auch die neueste Generation des Notbremsassistenten. Was beim neuen Actros sofort auffällt: Ihm fehlen die Außenspiegel. Bei Daimler ist er nämlich der erste Serien-Lkw, der stattdessen mit MirrorCam ausgestattet ist. Und genau dieses System testen die jungen Männer gleich einmal aus. Durch die beiden nach hinten gerichteten Kameras werden dem Fahrer auf zwei Displays, die an den A-Säulen im Fahrerhaus befestigt sind, die Bilder angezeigt. Durch spezielle Distanzlinien kann der rückwärtige Verkehr besser eingeschätzt werden. Das wiederum erleichtert das Rangieren, Abbiegen aber auch den Spurwechsel des 530 PS starken Lkw. Gleichzeitig nutzt beim neuen Actros der optimierte Abbiegeassistent das Display der MirrorCam. Das Fazit der beiden: „Es ist wirklich beeindruckend, dass das Sichtfeld beim 90°-Abbiegen komplett mitschwenkt und man so sogar das Ende der Auflage sieht.“
Hingucker: Unimog aus dem Jahr 1983 als Kanalreiniger
Doch nicht nur Unimog und Co. stehen an diesen beiden Eventtagen im Mittelpunkt, sondern auch die An- und Aufbauhersteller, mit denen Daimler eng kooperiert. 36 an der Zahl zeigen wieder einmal, dass ein Geräteträger immer nur so gut ist, wie seine An- und Aufbauten. Für alle Arbeiten über das Jahr hinweg lassen sich die Fahrzeuge von Daimler ausrüsten: Sei es mit einer Mähkombination von Dücker, einer Aufbaukehrmaschine von Bucher, einer Arbeitsbühne von Ruthmann oder auch dem Schnellwechselsystem „Fast Changer“ von Dautel, in Zusammenarbeit mit Aebi Schmidt. Mit diesem System ist es beispielsweise möglich, Streufahrzeuge für den Winterdienst innerhalb weniger Minuten in einen Kipper oder ein anderes Einsatzfahrzeug umzurüsten – für diese Arbeit wird lediglich ein Mann benötigt. Ein absoluter Hingucker bei dieser Maschinenpräsentation ist aber der älteste Unimog in der Runde: ein Kanalreinigungsfahrzeug Jahrgang 1983 von Kanalreiniger.eu, das sich erst seit Kurzem im Ruhestand befindet. Gleich daneben hat auch der Fuso Canter von Daimler Platz für eine eigene Ausstellung erhalten. Denn auch dieses Multitalent lässt sich mit den unterschiedlichsten An- und Aufbaugeräten zum Sammel-, Winterdienst- oder aber Transportfahrzeug für Einsätze rund ums Jahr ausrüsten.
„Wir haben hier heute alles ausgestellt, was das kommunale Herz begehrt“, berichtet Julian Wiedmann, Produktmanagement Mercedes Benz Special Trucks, stolz. Über 100 Fahrzeuge verteilen sich auf dem ADAC-Gelände. Und wer bei so viel Action dann doch einmal eine Verschnaufpause braucht, der kann sich in den 15 Fachseminaren Informationen zu den Themen Fahrsicherheit, Lkw-Assistenzsysteme oder auch Alternative Antriebsarten holen – bevor es wieder raus auf Testgelände geht.
Bilder: Bauhof-online.de