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FLUSSMEISTERSTELLE FÜSSEN „Solange es die Natur gibt, sind wir nie fertig“

Die Mitarbeiter der Flussmeisterstelle Füssen kontrollieren die Gewässer des Ostallgäus und bauen diese gegebenenfalls auch aus. Baustellen bestehen dabei in Berg und Tal. Um einen Einblick in die Arbeit zu bekommen, haben wir Flussmeister Gerhard Mayer einen Tag begleitet und ihm bei den Arbeitseinsätzen über die Schulter geschaut.

Lesedauer: min | Bildquelle: Tim Knott
Von: Tim Knott

Der Hündeleskopf im Allgäu. Wo gerade noch die Sommersonne am Berg schien, ziehen über der Straße zum Gipfel dunkle Wolken auf. Schnell verstärkt sich der beginnende Regen, bis Hagelkörner auf das Dach des Geländewagens prasseln, der vor einer Kurve Halt macht. Gerhard Mayer, Leiter der Flussmeisterei Füssen, steigt aus und schreitet in einer grün-blauen Regenjacke zu der Baustelle, die seine Leute bearbeiten. Der Grund für den Einsatz, für den die Mitarbeiter einen Schreitbagger hier herauftransportiert haben, wird schnell klar, als ein Strom Regenwasser den Berg herunter und auf die Kurve zuschießt. „Wenn das so weitergeht, spült uns das die Straßenränder herunter, deswegen verstärken wir hier“, erklärt er und verweist auf die Konstruktion aus Holzbalken, die an der Bergflanke angebracht ist. Schnell begibt er sich zu seinen Kollegen, die in einem nahen Transporter Zuflucht vor den Elementen gesucht haben. Ein paar Arbeitsanweisungen werden ausgetauscht, dann kehrt er zurück, und die Reise geht weiter zur nächsten Baustelle.

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Denn die Experten der Flussmeisterei sind nicht nur an Bergen im Einsatz, sondern – wie der Name vermuten lässt – auch an Gewässern. Zahlreiche Flusskilometer, Seen und Wildbäche müssen Mayer und seine Mitarbeiter im Jahr kontrollieren. Der Arbeitsbereich erstreckt sich dabei auf das gesamte Ostallgäu. Neben einer regelmäßigen Kontrolle und dem Naturschutz liegt auch die Überflutungs-Grundsicherung im Aufgabengebiet. „Für das, was kommt, müssen wir gerüstet sein“, fasst Mayer kompakt zusammen, während er seinen Wagen den Berg herunter manövriert. Ein Beruf, der umfassend ist, denn „solange es die Natur gibt, sind wir nie fertig“.

Von Fällen und Dämmen: das Problem mit dem Biber

Neben Flussmeister und Bauschreiberin sind in der Flussmeisterei Füssen noch zwölf Mitarbeiter im Einsatz. Die Aufgaben sind vielfältig und irgendetwas ist immer zu tun: Neben Mäh- und Baumarbeiten sowie der Verstärkung von Gewässern mit Gabionen, Erdwällen und Ähnlichem ist es auch die Tierwelt, die die Fluss-Spezialisten auf Trab hält – der Biber, um genau zu sein. Dieser sorgt immer wieder für Nageschäden an Bäumen, denn „es gibt zu viele der Tiere für den vorhandenen Naturraum“, erklärt Mayer. Deswegen müssen die Bäume im Einzugsgebiet entsprechend geschützt werden. Dafür setzen die Füssener auf Drahtgeflecht und Kunststoffprofile, die sie an den Bäumen anbringen. Mechanische Langzeit-Schutzanstriche wurden ebenfalls schon eingesetzt, jedoch seien diese nicht so effektiv, da sie nach fünf Jahren wieder erneuert werden müssten.

Allerdings sind auch nicht wenige der Probleme, die auf Mayers Schreibtisch landen, menschengemacht. „In Bezug auf Gewässer herrscht bei Vielen eine gewisse ‚aus den Augen, aus dem Sinn‘-Mentalität vor“, berichtet er. Neben groben Verunreinigungen wie Öl und Malerfarbe, die durch Unachtsamkeit oder Fehler in Seen landen, seien es auch immer wieder kleinere Vorfälle, wie im Wasser entsorgte Grünabfälle, um die sich der Flussmeister kümmern muss. „Den Menschen scheint nicht bewusst zu sein, dass das untersagt ist.“ Deswegen versucht er in solchen Fällen ein Bewusstsein zu schaffen und Aufklärung zu betreiben.

Geltnach: die Revitalisierung eines Flusses

Ebenfalls im Verantwortungsbereich der Experten liegen einige Abschnitte der Geltnach, die die nächsten Haltestellen auf der Baustellen-Besichtigung des Flussmeisters sind. Der Fluss, den er hier präsentiert, könnte auch als Kulisse für einen Naturschutzbund-Werbespot herhalten. Malerisch schlängelt er sich zwischen grünen Feldern hindurch, während zahlreiche Fische zwischen den Inseln des Stroms hin- und herschwimmen und Libellen über die Wasseroberfläche surren. Die Form des Gewässers ist allerdings kein Werk der Natur, sondern das Resultat einer aufwendigen Renaturierung. Denn es ist ein großes Anliegen, die Entwicklungen der Vergangenheit rückgängig zu machen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden zahlreiche Flüsse begradigt oder „gezähmt“, wie Mayer es ausdrückt. So konnten die Bauern mehr Ackerland schaffen oder Grundstücksgrenzen festlegen. Was für Menschen eine bessere Nutzbarkeit des Landes ermöglichte, ist für Tiere allerdings kein optimaler Lebensraum. So bestehen in einem begradigten Fluss beispielsweise weniger Möglichkeiten des Unterschlupfes.

Hier kommen die Experten der Flussmeisterstelle zum Einsatz. So haben die Mitarbeiter den Verlauf des Flusses in einigen Teilen verändert, um ihn mehr in seinen Urzustand zu versetzen. Im Gegensatz zu einem geraden Verlauf wurde das Wasser in Mäander umgeleitet und Inseln sowie Baumstämme hinzugefügt, die eine bessere Strömung ermöglichen und gleichzeitig den Tieren des Flusses Rückzugsmöglichkeiten bieten. „Eine First-Class-Wohngegend für Fische“, freut sich der Flussmeister. Flachwasserzonen, die bei Hochwasser überflutet werden, bieten anderen Geschöpfen Lebensraum. Außerdem wurden Bäume gepflanzt, um für Schatten zu sorgen.


Baggereinsatz: neuen Flussverlauf schaffen

Wie eine solche Baustelle in Aktion aussieht, lässt sich ein bisschen weiter flussabwärts beobachten. Schon auf dem Weg kommt Mayers Geländewagen der betriebseigene MAN T65 Kipper mit Palfinger Epsilon Kran voller Aushub entgegen. Auch hier wurde der gerade Verlauf des Flusses verändert und das Gewässer in ausgebaggerte Mäander umgeleitet. Hinter dem Gewässer sind die ursprünglichen Altarme noch zu erkennen. Diese wurden mit Erdwällen und großen Steinen – einer sogenannten Berollung – abgeriegelt, um den Fluss in der angedachten Bahn zu halten.

Während das Gewässer in seinen neuen Bahnen plätschert, schüttet der Bagger am Rand des Kanals kleine Ebenen auf, die später als Niedrigwasserzonen fungieren und Platz für Pflanzen bieten. Bei den benötigten Gerätschaften bleiben die Füssener effizient. „Große Bagger mieten wir nur an“, berichtet der Flussmeister. Baustellen wie bei der Geltnach bleiben trotz ihrer Relevanz eher Ausnahme als Regel. Im normalen Betrieb ergänzen ein Carraro-Traktor, ein Reform-Transporter und der altbekannte Unimog den Maschinenpark. Nicht zu vergessen: Mayers Geländewagen, in den er nach getaner Inspektion wieder einsteigt. Denn es gibt es in der Flussmeisterstelle noch organisatorische Arbeiten, die erledigt werden müssen. Irgendetwas ist schließlich immer zu tun.

Fakten zur Flussmeisterdienststelle Füssen:

Leitung: Gerhard Mayer

Mitarbeiter: Zwölf

Maschinen: Carraro TR 7600 Infinity, Reform Muli T10X mit Holz- und Ladewagenaufbau, Unimog U400, MAN T65 Kipper mit Palfinger Epsilon Kran, div. Pkw, div. Anbaugeräte

Verantwortungsbereich:

Gewässer I Ordnung:

63 Flusskilometer (Fl.km) an der Wertach mit Bachtelsee und Bärensee

Lech ab Österreich mit Forggensee, Teile des Premer Stausees und ein Teilabschnitt in Lechbruck

Weißensee, Hopfensee, Bannwaldsee

Gewässer II Ordnung:

16,12 Fl.km an der Geltnach

11,27 Fl.km an der Lobach

7,25 Fl.km an der Kirnach

Ausgebaute Wildbäche in den Gemeinden Markt Nesselwang, Pfronten, Füssen, Schwangau und Halblech

Zuständig ist die Flussmeisterdienststelle für insgesamt 6.122 Wildbachbauwerke

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