Es ist eine traurige Entwicklung: Weltweit nimmt die Vielfalt der Insekten ab. Und auch hierzulande haben es Bienen, Schmetterlinge, Käfer und Co. nicht leicht. Immer öfter fehlt es an passendem Lebensraum. Dabei bieten besonders die Grünflächen und Böschungen entlang der Straßen einen immensen Artenreichtum an Pflanzen. Im Sinne der Verkehrssicherheit müssen diese Bereiche jedoch mehrmals im Jahr gemäht werden. Und genau hier entscheidet die richtige Wahl der Mähtechnik – neben dem passenden Zeitpunkt, orientiert am Aussamen der Pflanzen – darüber, ob die Grünflächenpflege positive oder negative Folgen für die Tier- sowie Pflanzenwelt hat.
Fakt ist: Ein Mähen der Grünflächen ist nicht nur wegen der Verkehrssicherheit wichtig, sondern hindert dominante Pflanzengattungen auch daran, andere Arten zu verdrängen. Ob nun Mähen oder Mulchen die richtige Methode ist, kommt in erster Linie darauf an, welche Pflanzen auf der Fläche gewünscht sind. Denn beim Einsatz von Mulchgeräten bleibt das Schnittgut auf dem bearbeiteten Areal liegen. Hier verrottet es oder wird mithilfe von Bodenorganismen zersetzt. Dadurch erhält die Fläche jede Menge Nährstoffe – der perfekte Standort also für Pflanzen, die solche Plätze bevorzugen. Anders sieht es dagegen mit den Pflanzen aus, die ein nährstoffarmes Umfeld brauchen. Sie werden verdrängt und mit ihnen unter Umständen auch ein wichtiger Lebensraum für bestimmte Insekten. Das Mulchen hat aber noch in einer anderen Weise Einfluss auf die Fauna. Sowohl bei dieser Technik, als auch beim Einsatz von Rotationsmähwerken wie Scheiben- oder Tellermähern, werden zahlreiche Kleinstlebewesen durch die Sogwirkung, die aufgrund der hohen Rotationsgeschwindigkeit entsteht, in das Mähwerk eingesaugt und getötet. Dasselbe gilt auch für Saugmäher: Zwar überleben viele Tiere das Mähen selber noch, werden anschließend aber zusammen mit dem Schnittgut aufgesaugt und entsorgt.
Beim Thema Abtransport des Mähgutes scheiden sich die Geister
Tierfreundlicher wird es dagegen, laut Empfehlung des Baden-Württembergischen Verkehrsministerium, wenn schneidende Geräte in Form von Sensen oder Balkenmäher zum Einsatz kommen. Auch beim Thema Schnittgut-Abtransport scheiden sich die Geister. Oftmals raten Ökologen dazu, das Schnittgut für einen Tag liegen zu lassen, damit die Tiere, die sich darin zurückgezogen haben, in einen neuen Lebensraum umsiedeln können. Darüber hinaus gilt beim ökologischen Mähen die Devise: „Je höher, desto besser“. Aus naturschutzfachlicher Sicht sind hier als Minimum acht Zentimeter Schnitthöhe vorgesehen. Dem ökologischen Gedanken steht im Arbeitsalltag von Bauhöfen und Straßenmeistereien aber immer auch der wirtschaftliche gegenüber: Oft fehlt es an Personal und Zeit, so dass beispielsweise ein doppeltes Abfahren der zu mähenden Fläche nicht unbedingt im Sinne der kommunalen Dienstleister ist. Da aber, spätestens seit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“, immer mehr Kommunen Wert auf eine ökologische Grünflächenpflege legen und auch vonseiten der Politik hier wohl zukünftig noch einiges zu erwarten ist, haben sich bereits jetzt eine Handvoll Hersteller ihre Gedanken gemacht und ihr Produktportfolio mit sogenannten Öko-Mähern bzw. -Mulchern erweitert.
„Da Mulchen hier für uns nicht in Frage kam, brauchten wir ein Schneidsystem, das vom Konzept her ganz anders aufgebaut ist. Eher in Richtung Schneidbalken, aber wirtschaftlicher.“ (Frank Spinner, Leiter für den Bereich Produktmanagement Straßenunterhaltungsgeräte bei MULAG)
Erst vor Kurzem gab das Bayerische Verkehrsministerium bekannt, dass es drei solcher Öko-Mähgeräte für seine Straßenmeistereien anschaffen und testen will. Es handelt sich dabei um den neuen Grünpflegekopf ECO 1200 plus der Firma MULAG, der ab September verfügbar sein wird. An der Vorderseite des Gerätes ist eine verstellbare Aufscheuchvorrichtung montiert, die dafür sorgt, dass die im Gras sitzenden Lebewesen sich weit genug vor dem Messerkopf entfernen. Gleichzeitig schüttelt die Vorrichtung die Samen von den blühenden Pflanzen ab. Eine Veränderung gibt es hier auch hinsichtlich der Schnitthöhe, die beim neuen Grünpflegekopf sogar zwischen 10 und 15 cm liegt. Das sei nicht nur ökologisch verträglicher, sondern schütze vor allem auch die am Boden befindlichen Lebewesen vor dem Messerkopf. Darüber hinaus arbeitet der neue Grünpflegekopf mit einem weiterentwickelten Scheibenmähprinzip, welches eine geringere Angriffsfläche der Scheidwerkzeuge haben soll – laut Herstellerangabe sei diese rund 50 Prozent kleiner als beim herkömmlichen Mulchprinzip. Da der Mähkopf an der Unterseite größtenteils geschlossen ist, entstünde auch keine Sogwirkung auf den Boden: Somit werden weder Kleinstlebewesen noch dort liegende Samen eingesaugt. Um die überrollte Bodenfläche zu minimieren und Lebewesen zu schonen, kommen statt der bisher verwendeten durchgängigen Abrollwalzen nun zwei schmale Tastrollen zum Einsatz die lediglich links und rechts am Boden aufliegen und miteinander über eine schmale Welle verbunden sind.
Der ECO 1200 plus von MULAG vereint Naturschutz & Wirtschaftlichkeit
Bis Mitte vergangenen Jahres stand das Unternehmen MULAG der Realisierbarkeit von echtem tier- und pflanzenfreundlichem Mähen noch skeptisch gegenüber, berichtet Frank Spinner, Leiter für den Bereich Produktmanagement Straßenunterhaltungsgeräte. „Doch dann bekamen wir einige Anfragen, die uns zur Entwicklung eines neuen Mähkopfes veranlassten“, erinnert er sich. Bislang sind es vor allem Balkenmäher, die auf insektenschonenden Flächen zum Einsatz kommen. „Für Arbeiten an der Straße sind die aber relativ ungeeignet und wirtschaftlich sehr ungünstig“, weiß Spinner. Denn selten handelt es sich bei Banketten um ausschließlich ebene Flächen. Das Gegenteil ist oftmals der Fall: die Bereiche sind geprägt von Mulden und Anhöhen – eine Arbeitsfläche, die Balkenmäher in kürzester Zeit unbrauchbar macht, weil die Messer ständig erneuert werden müssen. „Da Mulchen hier für uns nicht in Frage kam, brauchten wir ein Schneidsystem, das vom Konzept her ganz anders aufgebaut ist. Eher in Richtung Schneidbalken, aber wirtschaftlicher“, erklärt der Experte. Als Geräteneuheit herausgekommen ist schließlich der ECO 1200 plus. Dieser lässt sich an die weitverbreiteten aufnehmenden Auslegergeräte SB 500 und SB 600 anbauen. Über ein Radialgebläse wird das Mähgut sogleich in den Anhänger verfrachtet. „Auf diese Weise ist ein wirtschaftliches und zügiges Arbeiten möglich, denn es wird alles in einer Fahrt erledigt“, sagt Spinner. Einziger Knackpunkt am neuen Grünpflegekopf: Durch die vorangebaute Aufscheuchvorrichtung kann mit dem Mähkopf nicht ganz bis an Hindernisse gemäht werden. „Die Vorrichtung lässt sich zwar verstellen, aber das funktioniert derzeit nur händisch“, berichtet Spinner. Ein Zustand, der sich im Zuge der Weiterentwicklung aber noch ändern wird.
„Mit diesem zusätzlichen Anbaugerät, kombiniert mit einem Mäher, bei dem eine vernünftige Schnitthöhe eingestellt ist, hat man die Chance, einen Großteil der Insekten zu retten – und das bei einem wirtschaftlich vernünftigen Einsatz der Technik.“ (Hans Wolfgang Kurzenknabe über dem Einsatz des „BEEHAPPY“ von Müthing)
Der Hersteller Müthing beschäftigt sich ebenfalls seit geraumer Zeit mit der Thematik und stellte im vergangenen Jahr sein erstes ökologisches Landschaftspflegegerät als Prototyp vor: den MU-ÖKOTOP. Auch hier spielte bei der Entwicklung des Mulchgerätes besonders die Schonung der Lebewesen und Pflanzen eine entscheidende Rolle. So entstünde bei der Arbeit mit dem MU-ÖKOTOP nur eine geringe Sogwirkung, da das Gerät mit speziellen Y-Messern ausgestattet ist, die am Rotor befestigt sind. Durch eine Arbeitshöhe von bis zu elf Zentimetern kommen die am Boden lebenden Tiere nicht in Kontakt mit den Messern. Für eine weitere Schonung der Lebewesen am Boden wird beim MU-ÖKOTOP statt einer Stützwalze auf Front- und Heckstützräder gesetzt, die keinen breitflächigen Bodendruck erzeugen. Auch hier wird ein vorgebauter Insektenretter (derzeit noch nicht klappbar) in Form eines Bügels mit integrierten abgewinkelten Zinken eingesetzt, der die Bienen, Insekten und Kleinstlebewesen vorneweg aufscheuchen soll. Für den ersten Ökomäher, der bereits bestellbar ist, hat Müthing ein Mulchgerät ausgewählt. Eine weiter Entwicklung in Richtung Mulchen und Aufsammeln – in Kombination mit dem MU-COLLECT – sei aber zukünftig ebenfalls denkbar.
Mit einem einfachen Nachrüstsatz Insekten retten: der „BEEHAPPY“ von Müthing
Neben dem kompletten Landschaftspflegegerät MU-ÖKOTOP gibt es den Insektenretter „BEEHAPPY“ auch als eigenständigen Nachrüstsatz mit Arbeitsbreiten zwischen zwei und 2,80 Meter. Die Kurzenknabe GmbH im nordhessischen Espenau hat erst kürzlich praktische Erfahrung mit dem „BEEHAPPY“, vorne angebaut am Müthing MU-L 250, gesammelt. Geschäftsführer Hans Wolfgang Kurzenknabe kennt nur zu gut die Problematik bei den Bauhöfen und Straßenmeistereien in Städten und Gemeinden. „Dort muss mit wenig Manpower viel erledigt und gleichzeitig auch noch etwas für den Artenschutz getan werden“, erklärt er. Eine „Gradwanderung“, die mit dem nachrüstbaren Insektenretter BEEHAPPY aber gut zu bewerkstelligen sei. „Damit bekommt man einen nicht unerheblichen Anteil an Kleintieren aufgescheucht“, sagt Kurzenknabe und fügt hinzu: „Mit diesem zusätzlichen Anbaugerät, kombiniert mit einem Mäher, bei dem eine vernünftige Schnitthöhe eingestellt ist, hat man die Chance, einen Großteil der Insekten zu retten – und das bei einem wirtschaftlich vernünftigen Einsatz der Technik.“ Da der BEEHAPPY hydraulisch hochklappbar ist, stelle auch ein Mähen bis hin zum Hindernis kein Problem dar.
„Äußerlich scheint das INSECT-PROTECT-System von VOGT recht simpel aufgebaut zu sein, doch erst durch einen genau bemessenen Abstand zum Mähwerk bzw. Schlegelrotor und optimal abgestimmten Arbeitswinkel der Zinken entfaltet der Insektenretter seine volle Wirkung.“ (VOGT-Marketingleiter Oliver Jungermann)
Bereits auf dem Markt ist auch das INSECT-PROTECT-System des Landschaftspflege-Spezialisten VOGT. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine verstellbare Aufscheuchvorrichtung, die vor dem eigentlichen Arbeitswerkzeug angebaut wird. Das INSECT-PROTECT-System lässt sich dabei ausschließlich an die von VOGT vertriebenen DRAGONE-Schlegelmulcher sowie MDB-Mähraupen anbauen. Auf diese Weise können aber auch bereits vorhandene Maschinen schnell und wirtschaftlich umgerüstet werden. „Äußerlich scheint das INSECT-PROTECT-System von VOGT recht simpel aufgebaut zu sein, doch erst durch einen genau bemessenen Abstand zum Mähwerk bzw. Schlegelrotor und optimal abgestimmten Arbeitswinkeln der Zinken entfaltet der Insektenretter seine volle Wirkung“, erklärt Marketingleiter Oliver Jungermann. Mit den ergonomisch geformten Zinken, die aus einer weichen, aber widerstandsfähigen Kunststoffmischung bestehen und vor allem wegen ihres geringen Verschleißes sowie der langen Lebensdauer eingesetzt werden, sollen auch hier die Insekten aufgescheucht und so vor dem Tod geschützt werden. „Zur Überwindung von Hindernissen wird der Schutzbügel problemlos hochgeklappt“, berichtet Jungermann weiter. Darüber hinaus bietet VOGT in seinem Produktportfolio eine Vielzahl an Arbeitswerkzeugen mit geringer Sogwirkung, wie Doppelmesser und Y-Schlegel, an, bei denen zudem auch die Arbeitshöhe insektenschonend eingestellt werden kann. Zusammen mit dem INSECT-PROTECT-System sei das die perfekte Kombination für eine ökologische Grünflächenpflege.
Beim EcoCut von Fischer werden die Kleintiere sanft weggeblasen
Ebenfalls bereits die Marktreife erreicht hat der EcoCut von Fischer Maschinenbau. Hier wird nach einem völlig anderen Prinzip gearbeitet. Der EcoCut kombiniert einen Schlegelmulcher mit einem Laubbläser am Heck. Der Luftaustritt erfolgt über Düsen, die vorne auf dem Mulchgerät montiert sind. Durch den horizontal erzeugten Luftstrom werden Insekten und Kleinstlebewesen ganz sanft von den Pflanzen abgeblasen. „Die Technik stammt aus der Imkerei, wo Bienen von den Honigwaben schonend abgeblasen werden“, erklärt Alexander Dreher, zuständig für den Vertrieb. Die Technik wurde bereits zum Patent angemeldet. Der Luftstrom von 80 bis 200 cbm/Minute wird dabei von einem 100 mm flexiblen Schlauch hinter dem Mäharm zum Mähkopf geführt. Auf diesem befindet sich wiederum ein Luftkanal, der für jeden Mähkopf individuell angepasst wird. Das Gebläse ist dabei keine Neuentwicklung, sondern Bestandteil bereits bestehender Produkte von Fischer Maschinenbau. Ein Pluspunkt für alle Anwender: Der EcoCut funktioniert nicht nur zusammen mit Mähgeräten von Fischer. Als Nachrüstsatz lässt sich das Produkt auch an anderen Mulchern bzw. Auslegermähern einsetzen.
Eine der ersten Gemeinden in Baden-Württemberg, die den EcoCut ausprobiert hat, ist Mundelsheim am Neckar. Zwar ist die ökologische Grünland- und Straßenrandpflege hier noch kein „Muss“. Dennoch ist man beim Bauhof neugierig auf die neue Technik. „Meine bisherigen Erfahrungen mit Fischer EcoCut sind sehr hoffnungsvoll, denn es ist eine deutliche Bewegung des Grüngutes vor dem Mulcher zu sehen. Und damit erfolgt ja das Wegblasen der Bienen und Insekten“, berichtet Bauhofleiter Tobias Brezler. Besonders angenehm findet er auch das leise Arbeiten trotz des Einsatzes eines Laubbläsers. „In vielen Situationen kann nur ein Mulcher wie der EcoCut eingesetzt werden, z.B. bei Grabenarbeiten. Doppelmähbalken oder Sichelmäher sind hier nicht zu verwenden, da deren Verschleiß viel zu hoch ist“, berichtet Brezler aus Erfahrung. Als besonders positiv sieht er es auch an, dass der EcoCut keine Veränderungen beim Mulchen bringt, da der Nachrüstsatz einfach nur am Mähkopf integriert wird. „Ganz wichtig ist auch, dass keinerlei Sicht- oder Handlingseinschränkungen die Arbeit behindern“, zieht der Bauhofleiter sein Fazit.
Momentan befindet sich die Entwicklung solcher Öko-Mäher und -Mulcher noch im Anfangsstadium. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei, entlang von Straßen, vor allem auf der Pflege der extensiven Flächen, die nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden und somit den perfekten Lebensraum für Insekten aber auch Kleinsäuger darstellen. Es bleibt spannend, wohin die Entwicklung in den kommenden Jahren gehen und welche Vorgaben es seitens der Politik noch geben wird. Dann erst wird sich zeigen, ob sich solche Arbeitsgeräte im Alltag der Bauhöfe und Straßenmeistereien durchsetzen können.
Bilder: Fischer Maschinenbau (4)/Müthing (2)/Kurzenknabe (2)/Mulag (4)/Vogt GmbH (2)