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Kommunal & Orange: Welche Geschichte steckt hinter der Farbwahl?

Sie steht für Kommunal wie keine andere Farbe: Orange. Doch wie kam es zu dieser Verbindung? Wir nehmen Sie mit auf unsere Spurensuche – und liefern die Antwort.

Lesedauer: min
Von: Jessica Gsell

Mal ehrlich: Woran denken Sie bei der Farbe Orange? An die Südfrucht? An die ungeliebten Niederländer bei der nächsten Fußball-EM? Oder sind Sie da wie wir: Sobald irgendwo eine orange Maschine auftaucht, ist Ihr Interesse geweckt? „Berufskrankheit“ nennen wir das gerne. Aber sie fallen auch auf, die Fahrzeuge der Bauhöfe und Straßenmeistereien. Unter den normierten RAL-Farben, nach denen zahlreiche Hersteller kommunaler Technik ihre Maschinen lackieren, gibt es die Farbe Tieforange mit der Nummer RAL 2011 – in Fachkreisen wird hier nur vom „Kommunalorange“ gesprochen. Haben Sie sich dabei jemals die Frage gestellt, warum gerade das Orange so unwiderruflich mit dem Kommunalen verbunden ist? Wir haben uns für Sie auf Spurensuche begeben – mit überaus interessanten Ergebnissen.   

1. Stationen: RAL-Institut, Deutscher Städtetag, VKU und BAuA

Der erste Weg unserer Recherche führt zunächst einmal zur RAL gGmbH, einer Tochter des RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung. Schließlich wird hier, wie oben bereits erwähnt, ein Farbton geführt, den man im alltäglichen Sprachgebrauch oftmals nur unter dem Namen „Kommunalorange“ kennt. Eine Mitarbeiterin aus dem Farbmesslabor erklärt uns allerdings, dass es sich bei der Farbe Tieforange mit der Nummer RAL 2011 um eine allgemein verwendbare RAL Farbe handelt, deren Verwendungszweck nicht von RAL selbst festgelegt wird. Dies wiederum bedeutet, dass die Farbe in vielen Bereichen eingesetzt werden kann. Auch der Deutsche Städtetag und der VKU können nicht weiterhelfen. Bei Letzterem weiß Horst Hanke, Vorsitzender des VKU-Fachausschusses Winterdienst, nur zu berichten, dass die Farbe Orange in DIN-Normen und dem Merkblatt für Winterdienstfahrzeuge festgelegt ist – Grund und Ursprung kennt aber auch er nicht. Wir fragen bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) nach. Jörg Feldmann von der Pressestelle ist ebenfalls ratlos, verweist jedoch auf eine Dissertation aus dem Jahr 2015, die sich inhaltlich mit dem Thema „Farben im Kontext zu Gefahr und Sicherheit“ beschäftigt. Hierbei ganz interessant: In der Warnungsforschung steht die Farbe Orange für eine mittlere Gefahrenstufen zwischen Gelb und Rot – eine konkrete Antwort auf unsere Frage erhalten wir hier aber auch nicht.

2. Station: Max Holder

Deshalb versuchen wir es als nächstes bei den Herstellern von Kommunaltechnik – und beginnen bei Holder. Wann und wieso die Wahl auf Orange als Kommunalfarbe fiel, können Franziska Reiche (Marketing) und Stefan Heinzelmann (Verkauf) zwar nicht beantworten – dafür versuchen sie es zeitlich etwas einzugrenzen. „Die Farbe muss mindestens bis in die Anfänge der 80er Jahre zurückgehen. Denn hier stieg Holder ins Kommunalgeschäft ein und ging von den bislang in typisch grün gehaltenen Fahrzeugen über zu orange“, weiß Franziska Reiche. Das habe bei den Wein- und Obstbauern – den damaligen Haupteinsatzbereichen der Holder-Maschinen – zu einem großen Aufschrei geführt, erinnert sich ihr Kollege Stefan Heinzelmann und berichtet: „Holder hat ihnen dann erklärt, dass die Farbe Orange doch viel mehr auffällt als Grün.“ Auf diesem Sicherheitsaspekt baut der Leiter der Verkaufsförderung auch seine Theorie zur Entstehungsgeschichte auf: „Orange ist vor allem eine Signalfarbe und dazu noch eine, die im Gegensatz zu z.B. Rot bei der Feuerwehr oder Gelb bei der Post nicht belegt war.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern verwendet Holder bei seinen Maschinen allerdings nicht die RAL 2011, sondern das Reinorange mit der Nummer RAL 2004. Am Ende bekommen wir von Holder noch den Rat, es doch einmal bei Daimler zu versuchen, schließlich sei der Unimog bereits viel früher von Grün auf Orange gewechselt.

3. Station: Daimler

Gesagt, getan: Wir nehmen Kontakt mit Daimler auf. Hier erfahren wir, dass es Kommunalfahrzeuge schon so lange wie Straßen gibt – sei es für den Winterdienst oder auch die Reinigung. Nach dem Krieg war der Unimog schnell das prägende Fahrzeug für die Straßenbetriebsdienste und Kommunen – damals wie heute schon in den verschiedensten Farben. An dieser Stelle können die Fachleute von Daimler dann aber auch nur noch spekulieren: Sie gehen davon aus, dass wohl irgendwann ein Kunde eines Kommunalbetriebs, Bauhofs oder Landesbetriebs festgestellt hat, dass viele Unfälle passieren, weil die Fahrzeuge nicht auffällig genug sind. Daraufhin wünschte er sich wahrscheinlich für den Unimog eine auffälligere Farbe. Dass die Wahl gerade auf Orange fiel, ließe sich durch die prägnante Erscheinung erklären. Den orangen Unimog haben dann womöglich Kollegen gesehen und es ihm gleichgemacht. Ob es wirklich so abgelaufen ist, kann niemand mit Gewissheit sagen. Dennoch ist man bei Daimler fest der Überzeugung: „Wir haben sicher einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Farbe Orange mit Kommunal in Verbindung gebracht wurde.“ Martin Flammer, der mehr als 32 Jahre bei Unimog tätig war, glaubt sich daran zu erinnern, dass seit den frühen 50er Jahren die Farbe Orange im Kommunalen eingesetzt wird. Statt der heute als „Kommunalorange“ bekannten Warnfarbe RAL 2011, wurde anfänglich aber die RAL 2000 verwendet. „Der Wechsel kam meines Wissens mit dem Einsatz nichtverbleiter Farbe in den 80er Jahren“, sagt Flammer und rät uns, mit der Firma Schmidt zu sprechen, da sie den orangen Farbton von Anfang an bei ihren Anbaugeräten wie Schneepflügen verwendet hat.  

4. Station: Unimog-Museum

Davor starten wir aber erst noch einen Versuch bei den Menschen, für die der Unimog seit jeher eine Faszination ausstrahlt: Wir fragen im Unimog-Museum nach. Karl-Josef Leib, seines Zeichens Technischer Leiter, kontaktiert daraufhin seinen Freund und Kollegen Carl-Heinz Vogler. Denn der hat von 1975 bis 1976 in Dortmund das Zusatzstudium „Sicherheitstechnik“ absolviert. In diesem Rahmen besuchte er auch das Lehrfach „Farbenpsychologie“. „Damals lernten wir, dass die Farben Orange und Gelb eine ganz besondere Eigenschaft haben. Das menschliche Auge erfasst Farben, die extrem seitlich liegen, nur bis zu einem bestimmten Punkt. Danach verläuft alles in Grau oder undefinierbare Farben über“, berichtet Vogler und fügt hinzu: „Nur die Farben Orange und Gelb lassen sich im extremen seitlichen Bereich erfassen.“ Aus diesem Grund wurden Orange und Gelb zu Sicherheitsfarben gewählt, da man auf Gegenstände in dieser Erscheinung – bei Orange noch mehr als bei Gelb – besser mit Vorsicht reagiert. Noch optimalere Effekte erzielt man, erinnert sich Vogler weiter, wenn die beiden Farben mit schwarzen Streifen abgesetzt werden. Deshalb wird diese Kombination gerne von der Industrie und den Kommunen als Sicherheitsfarben genutzt – wenn hier Maschinen von der Seite kommen werden sie schneller vom menschlichen Auge erfasst. „Die Farbe Gelb wäre zwar auch geeignet gewesen, aber dies untersagte die Post mit ihrem Postgelb“, berichtet Vogler. Das Fazit: Die Verwendung von Orange hat mit dem menschlichen Auge und der menschlichen Reaktion zu tun. Ein erster schlüssiger Ansatz. Wir forschen weiter.


5. Station: Aebi Schmidt

Und wenden uns, wie empfohlen, an Aebi Schmidt. Sigurd Kohls, jetzt in Rente, aber bis 2019 Teamleiter Vertriebsinnendienst für die Bereiche Kehrmaschinen & Fahrzeugausstattungen, weiß nur, dass Orange bzw. RAL 2011 als Signalfarbe anerkannt ist und als solche für Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr übernommen wurde. „Denn Orange hat eine warnende und auch Hinweisfunktion“, erklärt Kohls, den wir auf einem Seminar der Akademie Dr. Obladen kennenlernen. Und genau hier erhalten wir von Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Obladen den letzten und ausschlaggebenden Tipp: die Sammlung aus Städtereinigung und Entsorgung (SASE) Iserlohn, eine gemeinnützige Einrichtung, die sich mit der Geschichte des Mülls und seiner Entsorgung beschäftigt. 

6. Station: SASE Iserlohn

Denn wie es der Zufall will, ist die Frage nach der Verbindung von Kommunal und der Farbe Orange unter anderem Thema in der Dissertation „Innovation durch Normung“ von Dr. Dirk Wiegand, Geschäftsführer der SASE gGmbH, die diesen Sommer noch auf dem Buchmarkt erscheinen wird. „Nach meinem Kenntnisstand gestaltet sich die Geschichte mit der orangefarbenen Fahrzeuglackierung so: Mitte der 60er Jahre stieg mit der Zahl der Automobile auf bundesdeutschen Straßen auch die der Unfälle, insbesondere der tödlichen, die 1972 ihren Höchststand erreichte“, berichtet Wiegand. Zwar gab es bereits erste retroreflektierende Farben auf dem Markt, allerdings fanden die kaum Verwendung. So waren die kommunalen Fahrzeuge zu dieser Zeit in der Regel in einem Grau/Grün lackiert. „Zum einen war dieser Lack wenig empfindlich gegen Schmutz, zum anderen blieb er lange farbstabil“, erklärt Wiegand. Doch die Verwendung der eher unscheinbaren Farben führte zu einem großen Problem: Nicht selten kam es, insbesondere bei der Abfallsammlung, zu Unfällen – wenn der nachfolgende Verkehr auf den Müllwagen auffuhr, waren oftmals abgequetschte Gliedmaßen bei den Arbeitern die Folge. „Vor allem in den Morgenstunden waren die Sichtverhältnisse schlecht, ebenso wie die Scheinwerfer der damaligen Pkw und Lkw“, sagt Wiegand. Deshalb suchten sowohl die Hersteller als auch die entsprechenden Fachausschüsse beim DNA (dem Vorgänger des heutigen DIN) nach einer Farbe, die die Fahrzeuge besser im Straßenverkehr hervorhebt. „Dabei ging man sehr wissenschaftlich vor, unternahm empirische Untersuchungen und erhob auch Daten über die geografischen Hintergründe“, berichtet der Experte. Schließlich wurden Weiß, Rot und Orange als die drei Farben ermittelt, die am meistens auffallen. Rot war aber schon an die Feuerwehr, die Farbe Weiß zum Teil an die Polizei und das Rote Kreuz vergeben – letztere erwies sich zudem im Süden bei Schneefall als Nachteil. So blieb nur noch die Farbe Orange übrig, die zu diesem Zeitpunkt allerdings immer noch nicht farbstabil produziert werden konnte – bis zum Jahr 1970. Die erste Norm des DIN-Fachausschusses Kommunale Technik zur Arbeitssicherheit sah jedoch nur die Anbringung diverser reflektierender Streifen auf den Fahrzeugen der Straßenreinigung vor – eine auffällige Farbe für die Wagenlackierung wurde nur empfohlen. Im Gegensatz zu den Privatbetrieben waren es schließlich die kommunalen, die zu dieser Zeit vermehrt auf die Farbe Orange setzten. Damals wie heute gibt es aber ebenfalls kommunale Fahrzeuge und Maschinen in anderen Farbtönen. Auch dafür hat Wiegand eine Antwort parat: „Da eine DIN-Norm selten einen rechtlich bindenden Charakter hat, sondern den Stand der Technik beschreibt und eine Anwendung empfiehlt, kam es nicht zu einer allgemeinen Durchsetzung für Orange als Farbe der Städtereinigung und schon gar nicht zu einem Gesetz in der STVZO oder STVO.“

Doch auch trotz fehlender gesetzlicher Bestimmung ist und bleibt Orange für die meisten von uns die Kommunalfarbe schlechthin.

Bilder: Aebi Schmidt (3), Daimler AG (3), Max Holder (3), Carl-Heinz Vogler (1), Screenshot Wikipedia

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