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Interview mit dem Leiter der Autobahnmeisterei Memmingen

„Ein gewisses Kribbeln bei der Arbeit darf nie fehlen“

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Von: Jessica Gsell

Der Beruf eines Autobahnmeisters ist bei jedem Einsatz gefährlich. Mit was die Männer auf den Straßen so alles rechnen müssen und was ihnen an ihrem Beruf im wahrsten Sinne des Wortes stinkt, das hat uns Stephan Edelmann im Interview erzählt.

Wo sie arbeiten, rauschen mitunter im Sekundentakt LKW und PKW in hoher Geschwindigkeit dicht an ihnen vorbei. Die Männer der Autobahnmeistereien haben wahrlich keinen Job für schwache Nerven. Das weiß auch Stephan Edelmann. Der 54-Jährige leitet seit 2002 die Autobahnmeisterei Memmingen. Wir haben mit ihm über den derzeit stressigen Winterdienst, das Gefahrenpotential am Einsatzort sowie das oftmals kuriose Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer gesprochen.

Herr Edelmann, Sie und Ihre Mitarbeiter üben als Autobahnmeister ja nicht gerade den ungefährlichsten Beruf aus?

Natürlich ist jeder Einsatz bei uns gefährlich. In dem Moment, wo man im fließenden Verkehr arbeitet, gibt es kein ungefährlich mehr. Wenn man auf dem Standstreifen steht und im Rückspiegel sieht, wie ein LKW mit hoher Geschwindigkeit angefahren kommt, dann denkt man sich oft: Hoffentlich sieht der mich! Allerdings gibt es auch in jedem anderen Berufsbild Bereiche, die gefährlich sind. Der Schreiner kann sich ebenfalls bei seiner Tätigkeit verletzen. Was wir zum Beispiel schon lange nicht mehr machen ist, bei der Unfallschadensaufnahme über die Autobahn zu laufen, um dort den Schaden aufzunehmen. Dabei bestand immer die Gefahr, dass der Mitarbeiter stolpert und auf der Fahrbahn liegt. Dafür gibt es eine eigene Sicherung, die das gesamte Autobahnstück abfährt und die Schäden zusammenzählt. Sicherheit geht bei uns vor.

Sicherheit ist ein gutes Stichwort. Welche Grundsatzregeln gibt es bei Ihnen, um das Gefahrenpotential bei den Arbeiten auf der Autobahn zu minimieren?

Unser oberstes Prinzip lautet: Alle sollen abends wieder gesund reinkommen. Doch es gibt nie die 100-prozentige Sicherheit. Deshalb muss man immer auf sich, den Kollegen und die anderen Verkehrsteilnehmer Acht geben. Auf gar keinen Fall darf die Arbeit zur Routine werden. Ein gewisses Kribbeln muss immer noch da sein. Zudem ist jeder Einsatz anders. Das ist nicht wie bei der Mathematik, wo man mit einer bestimmten Formel alles ausrechnen kann. Man muss immer auch mit dem Fehlverhalten anderer rechnen. Es kann immer mal passieren, dass ein Verkehrsteilnehmer beim Fahren beispielsweise einen Schwächeanfall erleidet. Wichtig ist auch, dass die Männer ihre Warnschutzbekleidung tragen und kontrollieren, dass an den Fahrzeugen alle Lichter funktionieren. Im Allgäu ist es in der Nacht auf den Straßen ein bisschen ruhiger. Deshalb sind Arbeiten wie Fahrbahnmarkierung und Schadstellensanierung bei uns reine Nachtarbeiten.

Sind denn bei Ihnen schon einmal Mitarbeiter bei einem Einsatz zu Schaden gekommen?

Klar passiert es auch mal, dass ein LKW einen Fahrzeugspiegel ab- oder hinten auf eine Absperrung auffährt. Ich bin seit 2002 Leiter der Autobahnmeisterei Memmingen. In dieser Zeit gab es zum Glück noch keinen Unfall, bei dem ein Mitarbeiter von einem anderen Verkehrsteilnehmer verletzt wurde. Ich hoffe, dass es bis zu meiner Pension auch so bleibt. Wir werden allerdings auch immer an Unfallstellen gerufen, um der Feuerwehr bei der Absicherung zu helfen und anschließend aufzuräumen. Der bisher schlimmste Unfall war erst am 1. Januar dieses Jahres, bei dem sechs junge Menschen verunglückt sind.

Wenn man das alles hört, stellt sich doch die Frage: Was reizt einen an der Tätigkeit?

Ich kann jetzt nur von mir sprechen. Mir gefällt vor allem, dass ich ziemlich selbständig arbeiten kann. Klar gibt es Vorgaben und auf der Straße muss die Verkehrssicherheit gewährleistet sein. Aber bei der Ausführung habe ich meine Spielräume. Zudem ist der Beruf sehr abwechslungsreich. Neben der Bürotätigkeit bin ich auch immer wieder draußen auf der Straße unterwegs. Die Büroarbeiten nehmen zwar zu, aber es ist schon immer noch ein gutes Verhältnis.

Bei den anderen Verkehrsteilnehmern sind sie nicht besonders beliebt, wenn Sie mit Ihren Einsätzen ihr zügiges Vorankommen auf der Autobahn behindern. Für welches Verhalten haben Sie hier kein Verständnis?

Die einen Autofahrer legen eine gewisse Gelassenheit an den Tag, die anderen haben diese nicht. Vor allem Urlauber ticken bei der Menge an Baustellen auf unseren Autobahnen irgendwann aus. Im Winterdienst setzen wir Pflüge mit einer Räumbreite von 7,20 Metern ein. Mit der Überbreite lassen sich gleichzeitig beide Fahrspuren räumen. Ein Überholen wird da allerdings schwierig und gefährlich. Dennoch gibt es immer wieder Autofahrer, die das versuchen. Es gibt auch welche, die dann über die Rastanlage fahren, um vor unserem Räumfahrzeug wieder einzuscheren und bemerken, dass da ja noch nicht geräumt wurde. Wir bekommen auch immer wieder mal den Stinkefinger gezeigt oder es fallen Schimpfwörter. Irgendwann stumpft man da ab. Wir machen das alles ja nicht aus Jux und Tollerei. Erst vor Kurzem mussten wir die Anschlussstelle Memmingen-Süd wegen eines Unfalls sperren. Da halten dann Autofahrer mitten auf der Autobahn an um zu fragen, wie sie jetzt fahren sollen. Auch das Thema Rettungsgasse bilden ist eine Katastrophe. Wenn die Blaulichtfahrzeuge durchgefahren sind, fahren die Autos schon wieder in die Mitte hinein. Manche steigen dann sogar aus und laufen auf der Autobahn herum. Wir müssen da aber auch noch durch. Da wir kein Martinshorn haben, benutzen wir dann unsere Hupe.

Gibt es Arbeiten, um die sich Ihre Mitarbeiter nicht besonders reißen?

Der Winterdienst ist nicht so beliebt. Denn meist schneit es zu ungünstigen Zeiten. Dann haben die Männer Rufbereitschaft. Auch der Abfall ist bei uns ein sehr großes Thema. Du kannst Donnerstag bis Freitag die Rastplätze saubermachen und am Samstag sieht es da schon wieder aus, als hätte man nichts getan. Das sind dann Arbeiten, bei denen man sagt, die müssten in dem Umfang nicht sein. Wir hätten eigentlich genügend anderes zu tun. Wenn es nicht schneit, zählt auch im Winter das Reinigen zu unserer Aufgabe. Liegt Schnee, dann ist das nur eine trügerische Sauberkeit. Denn wenn er schmilzt, kommt der ganze Dreck wieder zum Vorschein. Auch auf der Autobahn und vor allem an den Anschlussstellen findet sich der Müll. Dort werden die Autofahrer langsamer, machen das Fenster auf und schmeißen die Fastfood-Tüten hinaus. Nicht so angenehm sind auch die Mäharbeiten auf den Parkplätzen. Vor allem dann, wenn es die Leute nicht mehr zur nächsten Rastanlage schaffen und ihr Geschäft dort verrichten. Im Sommer kommt dann auch noch ein unangenehmer Geruch dazu.

Apropos Arbeit im Winter: In diesem Jahr kann das Allgäu nicht über zu wenig Schnee klagen. Was heißt das für Ihre Autobahnmeisterei?

Der Winterdienst ist unser Leitbetrieb. Wir kümmern uns um Schnee, Reif und Eis auf den Straßen. Dafür arbeiten wir in einem 3-Schichten-Betrieb. Zur Verstärkung unserer Mitarbeiter leihen wir uns Arbeiter vom Maschinenring Memmingen aus. Das funktioniert wunderbar. Seit nun mehr 9 Jahren sind es immer dieselben Leute. Die muss man dann auch nicht immer wieder neu einlernen. Es gibt eine kurze Auffrischung und danach läuft es. Mit unseren insgesamt 18 Mitarbeitern, die auf den Straßen unterwegs sind, sind wir von der Anzahl her an der unteren Grenze. Damit den gesamten Winterdienst zu organisieren, wird ziemlich eng. Die Mitarbeiter sind im Winterdienst zu zweit unterwegs. Denn manchmal fahren sie bis zu 10 Stunden am Stück. Da ist es sicherer, wenn sie sich am Steuer abwechseln können. Da wir im Winterdienst einen 24-Stunden-Betrieb haben, sind bei uns keine Späher um 3 Uhr in der Früh unterwegs und kontrollieren die Straßen. Die Schichten fahren die Autobahn ab und streuen bzw. räumen selbst oder geben Bescheid, dass noch mehr Fahrzeuge gebraucht werden. Bei Unwettervorhersagen gehen wir immer vom schlechtesten Wetter aus. Lieber sind wir dann schon vorbereitet, als dass wir viel Zeit verlieren, weil die Fahrzeuge erst noch startklar gemacht werden müssen.

Bei den Mitarbeitern könnten es also ein paar mehr sein. Und wie zufrieden sind Sie mit Ihrer technischen Ausstattung?

Es gibt neue Regelpläne von der Autobahndirektion Südbayern, um die Sicherheit für die Mitarbeiter sowie Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Dafür fehlt uns aber ein weiteres Kleinfahrzeug. Wir werden aber von der Autobahndirektion sehr gut bedient. Man will ja schließlich auch keine Maschinen haben, die man dann nur einmal einsetzt. Wenn wir zusätzlich ein Fahrzeug benötigen, können wir es von einem Händler ausleihen. Vergangenes Jahr haben wir zum Beispiel einen Minibagger gebraucht, weil wir auf der A7 Überholverbotsschilder für LKW setzen mussten. Das haben wir dann mit einem Erdbohrer am Minibagger gemacht. Das ging viel schneller und wir konnten unseren Grundsatz einhalten, dass der Verkehr immer fließen soll.

Fakten zur Autobahnmeisterei Memmingen

Mitarbeiter: 18 (und eine Mitarbeiterin in der Verwaltung)

Aufgaben: Unterhalt und Betrieb der Autobahn; dazu zählen Winterdienst; Grün- und Gehölzpflege im Bereich der Verkehrssicherheit; Reinigung der Fahrbahnen, Anschlussstellen, Rastanlagen und Parkplätze; Unfalldienst (Absicherung und anschließendes Aufräumen); Markierungsarbeiten, Schadstellensanierung; Kanalspülung.

Fuhrpark: 4 LKW (davon ein 4-Achser sowie drei 3-Achser); 1 Mehrzweckgeräteträger Unimog 530; 1 Kanalspülfahrzeug; 7 Kleinfahrzeuge (3 VW-Busse, 1 Mercedes Sprinter, 1 Mercedes Benz Vario, Mercedes Ranger, Renault Kangoo)

Verantwortungsbereich: Er umfasst das rund 60 Kilometer lange Stück der A7 von der Anschlussstelle Altenstadt bis Kempten-Leubas. Dazu zählen insgesamt acht Anschlussstellen, 4 Rastanlagen sowie 9 Parkplätze.

Organisation: Die Autobahnmeisterei Memmingen gehört zum Dienststellenbereich Kempten. Dieser ist wiederum der Autobahndirektion Südbayern, mit Sitz in München, unterstellt. Zudem besteht eine Kooperation mit der Autobahnmeisterei Vöhringen. Jede Autobahnmeisterei hat zwar ihren eigenen Dienstbetrieb. Es gibt allerdings nur noch eine Kostenstelle und die Anzahl der Fahrzeuge wird bei der Bemessung zusammengezählt.   

Interview: Jessica Gsell – Redaktion Bauhof-online.de
Bilder: Autobahnmeisterei Memmingen

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