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DEUTSCHE BAUMPFLEGETAGE 2022 Stadtgrün zum Sprechen bringen

Chancen und Herausforderungen in Zusammenhang mit städtischem Grün – hierfür sind bei den Deutschen Baumpflegetagen in Augsburg zahlreiche Lösungen vorgestellt worden. Neben Kettensägen und Klettertechnik fallen vor allem Telematik und Scanner für das Baum-Management positiv auf.

Lesedauer: min | Bildquelle: Tim Knott
Von: Tim Knott

Beim Einlass entsteht beinahe der Eindruck, versehentlich in eine Veranstaltung für Bartmoden oder Tätowierungen geraten zu sein. Doch die Kletterer, die an Seilen von der Hallendecke hängen, sowie die Stände für Akku-betriebenes Arbeitsgerät lösen diesen Irrglauben schnell wieder auf – hier geht es um die Baumpflege. Trotzdem sticht das Fachpublikum – wie bei keiner anderen Messe – mit einem eigenen Stil heraus. Denn wo sich bei Kommunalmaschinen-Veranstaltungen vermehrt Herren mittleren Alters in Anzügen tummeln, ist der Besucher-Durchschnitt hier vor allem jünger, bärtiger und tätowierter – also genau wie ein unbeteiligter Beobachter sich jemanden vorstellt, der beruflich auf Bäume klettert, um sie anschließend mit einer Kettensäge zu bearbeiten.

Zahlreiche Baumpfleger sind zur Messe in Augsburg gekommen, um sich über branchenspezifische Neuheiten zu informieren. Und davon gibt es eine ganze Menge: Namhafte Hersteller von Seilkletter-Technik demonstrieren ihre Produkte in luftiger Höhe, Kettensägen-Fabrikanten führen Geräte im Außenbereich live vor, und dann gibt es da noch das Kletterforum. Interessant scheinen die dort präsentierten Fachvorträge durchaus zu sein, immerhin besuchen über die drei Messetage hinweg insgesamt 1.580 Fachleute das Event.

Ein weiteres Fokus-Thema der Messe, das vor allem den kommunalen Bereich umtreibt, ist das urbane Baum-Management. Die Probleme dabei sind altbekannt: Betriebe haben meistens zu wenig Zeit und Ressourcen, um ihren Bestand so zu pflegen wie vorgesehen. Software-Lösungen müssen also her, um die schiere Menge des Stadtgrüns besser zu erfassen. Zwar gibt es bereits etablierte Hersteller am Markt, die Software zur optimierten Verwaltung diverser kommunaler Elemente – auch von Bäumen – bereitstellen. Doch vor dem Management steht erst das Erheben von Daten, und dafür haben einige Firmen besondere Herangehensweisen konzipiert.


Telematik – die interne Lösung

Welcher Baum braucht wie viel Wasser, und welche Umwelt-Einflüsse wirken gerade auf ihn ein? Um solche Fragen zu beantworten, hat das Team des Münchner StartUps Treesense GmbH eine Telematik-Lösung entwickelt, die es ermöglicht, über elektrischen Widerstand den Wassergehalt eines Baumes zu messen. Dies geschieht durch den Sensor Treesense Pulse, der minimal-invasiv an der Rinde des Baumes befestigt ist. Erhobene Wasser-Daten gelangen über ein nahe gelegenes Gateway in die Cloud. Die Übertragung läuft über das Netzprotokoll LoRaWAN (Long Range Wide Area Network), weswegen die Daten weiterer Bäume in der Umgebung erfasst werden können. Aufschluss geben die gesendeten Informationen über den Feuchtigkeitsgehalt des Baumes, woraus sich Trockenstress und Frostschäden erkennen lassen. Zwar sei es derzeit noch nicht möglich, die gesammelten Daten automatisch auszuwerten, das Unternehmen arbeite jedoch an einem entsprechenden Programm, wie Treesense-Co-Gründer Julius Kübler versichert.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die Plantobelly UG. Von der Idee her nah an den Münchnern, ist das Unternehmen dagegen geografisch etwas weiter entfernt. Immerhin hat Geschäftsführer Tankred Bastian Klemke den langen Weg aus dem schleswig-holsteinischen Lübeck auf sich genommen, um auf der Messe seinen Sensor zur Feuchtigkeitsüberwachung zu präsentieren. Auch bei diesem Gerät findet eine Widerstandsmessung statt, bei der Weiterleitung der Daten setzt das Unternehmen ebenfalls auf LoRaWAN. Allerdings wird der Sensor nicht an der Rinde des Baumes angebracht, sondern unter der Erde zwischen dem Wurzelwerk. Laut Klemke dauere die Installation eines Senders nicht länger als zehn Minuten, wohingegen das Gerät bis zu zehn Jahre Daten sende. Diese werden über ein entsprechendes Webservice-Tool des Unternehmens gespeichert und ausgewertet, was die Überwachung des Feuchtigkeitsgehaltes der Bäume und das Erkennen feuchtigkeitsbedingter Krisenzustände über Jahre ermöglicht.

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Scannen – die externe Lösung

Beim Rundgang durch die Messe entsteht beinahe der Eindruck, dass sich auch Google Street View irgendwie Zugang zur Veranstaltung verschafft hat, aber das Auto mit den vielen Kameras auf dem Dach ist nicht etwa zum Scannen von Hauseingängen konzipiert, sondern von Bäumen. Denn anstatt die Gesundheit eines Baumes durch Sensorik zu ermitteln, haben die Gründer der greeHill Deutschland GmbH einen anderen Ansatz gewählt. Unter dem Motto „Digitize your urban forest“ erfolgt ein Scan vom fahrenden Auto aus. Die Ergebnisse werden mit Scans vorheriger Touren verglichen und anhand der Unterschiede auf Schäden sowie Anzeichen von Trockenstress untersucht. Für Grünflächen abseits von Straßen, wie z.B. Golfplätzen, hat das Unternehmen einen geländegängigen E-Scooter mit Kamera-Equipment parat. Entwickelt wurde die entsprechende Technologie übrigens für den Einsatz in Singapur, was nicht verwundert. Immerhin verfolgt die dortige Verwaltung schon seit geraumer Zeit den Plan, die südostasiatische Metropole zur grünsten Stadt der Welt zu machen.

Spannende neue Lösungen also, um die Herausforderungen des urbanen Baum-Management zu bewältigen. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, welche sich in den Kommunen durchsetzen. Das erfahren wir vermutlich bei den nächsten Deutschen Baumpflegetagen. Anberaumter Zeitpunkt ist vom 25. bis 27. April 2023.

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