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INSEKTENSCHONENDES MÄHEN Der bestmögliche Kompromiss

Mähen schadet Insekten. Das ist schon lange klar. Um eine ordentliche Flächenpflege sicherzustellen und Kleinlebewesen dennoch zu schonen, arbeiten zahlreiche Hersteller nun schon seit mehreren Jahren an insektenschonenden Mähsystemen. Doch welche Maschinenlösungen sind effektiv? Um das herauszufinden, lassen immer mehr Unternehmen ihre Produkte von Hochschulen testen. Jedoch bringt dies neue Herausforderungen mit sich – und genau hier muss die Forschung ansetzen.

Lesedauer: min | Bildquelle: Tim Knott (Bauhof-online)
Von: Tim Knott

Manche globalen Veränderungen lassen sich im persönlichen Umfeld beobachten. Zum Beispiel an der Windschutzscheibe des eigenen Pkws. War diese bei Autobahnfahrten in den 90er-Jahren noch mit zerschmetterten Insekten zugekleistert, ist das Phänomen mittlerweile zurückgegangen. Ein Warnsignal, denn seit Jahrzehnten beobachten Forscher einen Rückgang der weltweiten Insektenpopulationen. Die industrialisierte Landwirtschaft, eine intensivere Land- und Flächennutzung sowie der Klimawandel sorgen dafür, dass Insekten immer weniger Rückzugsräume haben. Ein weiterer Faktor ist das Mulchen und Mähen von z.B. straßenbegleitenden Grünstreifen. Hierbei werden regelmäßig viele Insekten von den Maschinen eingesaugt und getötet.

Eine große Anzahl an Kommunen hat sich deswegen dem insektenschonenden Mähen verschrieben. Die richtige Ausrüstung spielt dabei jedoch eine große Rolle, wie mittlerweile durch zahlreiche Studien bekannt ist. So kommen beim Mähen mit handgeführten Balkenmähern am wenigsten Insekten ums Leben, danach folgen maschinenbetriebene Balken- und Kreiselmähwerke sowie Saugmäher, während Schlegelmäher aufgrund des entstehenden Sogs die meisten getöteten Insekten verzeichnen.

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Dies stellt Kommunen vor ein Problem. Zwar könnten zukünftig alle Flächen mit Balkenmähern gemäht werden, doch die entstehenden Mehrkosten würde wahrscheinlich kein Bürgermeister abnicken. Immerhin muss das gemähte Gras schließlich noch aufgesammelt und entsorgt werden. Mehr noch: Aufgrund der Position an der Straße oder in der Gemeinde handelt es sich bei dem Gemähten um Sondermüll, der entsprechend entsorgt werden muss. Deswegen ist der Mäher fast schon unersetzbar, weil Anwender nur einen Arbeitsschritt ausführen müssen und der Mulch als Nährstoff auf der Wiese verbleibt. Dazu kommt eine größere Einsetzbarkeit der Maschine. Damit lässt sich z.B. sehr hoch gewachsenes Gras einfacher mähen als mit einem Sichelmäher. Deswegen ist der Schlegelmäher die Basis für zahlreiche insektenschonende Mähkonzepte, die sich zurzeit auf dem Markt befinden.

Umbauten: verringerter Sog und größere Schnitthöhe

Ein Beispiel dafür findet sich bei Müthing. Mit dem MU-Ökotop hat der Hersteller einen Schlegelmäher insektenschonend umgebaut. Ein vor der Maschine installierter Rechen soll flugfähige Insekten verscheuchen, während Kleinlebewesen am Boden durch einen verringerten Sog geschont werden. Dieser wird durch spezielle Y-Messer und eine höhere Schnittposition der Maschine erreicht. Ebenfalls sorgen Stützräder anstelle einer Stützwalze für eine verringerte Auflagefläche, sodass weniger Kleinlebewesen überrollt werden. Interessantes Konzept, doch funktioniert es so gut wie ein herkömmlicher Schlegelmäher? „Es ist immer ein Kompromiss“, berichtet Produktmanager Niels Püttschneider. „Der Zerkleinerungseffekt von Y-Messern ist weniger stark ausgeprägt als bei den sonst verwendeten Schäkelmessern. Dafür fällt jedoch auch die Sogwirkung geringer aus.“ Zusätzliches Resultat ist ein unsaubereres Schnittbild als mit herkömmlichen Messern.

Zurzeit befindet sich das Gerät in Tests, um die genaue Effektivität zu ermitteln. Diese Überprüfung hat die Fischer Maschinenbau GmbH für die Insektenscheuche EcoCut schon hinter sich. Die Idee hinter der Scheuchvorrichtung ist es, Insekten mit einem Gebläse aus dem Gefahrenbereich zu entfernen. Der eingesetzte Schlegelmäher, auf den die Scheuche gebaut wird, hat dagegen keinerlei Umbauten. Kann das funktionieren? Um das herauszufinden hat der Hersteller die Universität Tübingen mit einer genaueren Untersuchung beauftragt.

Bei solchen Untersuchungen ist ein guter Versuchsaufbau vonnöten, denn die verschiedenen Insektenspezies, die eine Wiese bevölkern, haben unterschiedliche Fluchtverhalten. Während z.B. Heuschrecken einfach aus dem Risikobereich springen können, bleibt anderen Insekten nur das Fallenlassen, Weglaufen oder Totstellen übrig. Eine Insektenscheuche sollte möglichst gegen alle Spezies gleich effektiv sein. Dazu wurden Tests auf zwei Vergleichsflächen gefahren – einmal mit eingeschalteter und einmal mit ausgeschalteter Insektenscheuche. Nach den Tests haben die Wissenschaftler alle vorhandenen Insekten aufgenommen und fein säuberlich ausgezählt. Im Vergleich der beiden Flächen konnte eine Wirksamkeit der Scheuche ermittelt werden. Doch ist eine einzelne Studie schon genug, um so einen Beweis zu erbringen? „Es handelt sich dabei um eine sogenannte Proof-of-Concept-Studie, um zu beweisen, dass das Konzept funktioniert“, berichtet die Doktorandin Lea von Berg, die für den Versuch verantwortlich war. Eine umfassendere Datenlage wäre wünschenswert, immerhin werden vergleichbare Studien im wissenschaftlichen Kontext oft wiederholt und analysiert. Zur Wirksamkeit insektenschonender Mähverfahren liegen bislang allerdings nur wenige belastbare Daten vor. Und auch wenn eine einzelne Studie noch keinen endgültigen Beweis liefert, lässt sich die Pionierrolle von Herstellern und Forschungseinrichtungen in diesem Bereich nicht leugnen.


Raum für Verbesserungen gibt es immer

Eine weitere der wenigen wissenschaftlichen Arbeiten stammt von den Hochschulen Hohenheim und Tübingen, die die Wirksamkeit des Mähkopf ECO 1200 plus von Mulag getestet haben. Auch hier sorgen spezielle Messer und eine hohe Schnitthöhe für weniger Sog. Die Hersteller setzen jedoch außerdem auf die Scheibenmäh-Technik sowie eine veränderte Luftführung, die verhindert, dass Insekten in die Maschine gesaugt werden. Eine Plane verscheucht Insekten vor dem eigentlichen Schnitt, während Insekten durch einen weitgehend geschlossenen Boden zusätzlich geschützt werden. Ebenfalls wird das Gras in der Plus-Variante abgesaugt, womit sich Flächen ausmagern und damit insektenfreundlicher machen lassen.

Raum für Verbesserungen sei jedoch immer, wie Frank Spinner von Mulag ausführt: „Das Produkt ist noch nicht zu Ende entwickelt, aber wir sind auf einem guten Stand.“ Die Schwierigkeit sei es vor allem, die verschiedenen insektenschonenden Aspekte des Mähers aufeinander abzustimmen. Am Ende bleibt insektenschonendes Mähen ein Kompromiss. „Aber der bestmögliche Kompromiss, den wir erreichen konnten“, betont Spinner.

All das überzeugt bei der Untersuchung der Universitäten, doch wie bei Fischer wären weitere Studien nötig, um die Befunde zusätzlich zu bekräftigen. Erfreulicherweise streben zurzeit einige Hersteller wissenschaftliche Auswertungen ihrer insektenschonenden Technik an. Gut so, denn das gewonnene Wissen kann einiges verändern. So deuten z.B. die Ergebnisse der Fischer-Studie darauf hin, dass mechanische Insektenscheuchen nur für bestimmte Insektenspezies wirksam sind. Wer weiß, welche Erkenntnisse durch weitere Forschung gewonnen werden können? Auf jeden Fall ist es unschwer vorstellbar, dass manche angeblich insektenfreundlichen Features in den nächsten Jahren verschwinden werden.

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