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FACHAGRARWIRT FÜR BAUMPFLEGE Bessere Zugangs-Chancen für Ungelernte und Benachteiligte

Baumpflege ist ein komplexes Aufgabenfeld zwischen Naturschutz und Arbeitssicherheit. Für Quereinsteiger bietet sich hier der Fortbildungsabschluss „Fachagrarwirt für Baumpflege“ an, der inzwischen auch als „Bachelor Professional Baumpflege“ anerkannt wurde.

Lesedauer: min | Bildquelle: Michael Müller-Inkmann
Von: David Herwede

Mit der Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im August vergangenen Jahres sollte der Zugang zu entsprechenden Weiterbildungen erleichtert werden. Wer über keine klassische Ausbildung verfügt, kann nun durch ein spezielles Validierungsverfahren seine berufliche Handlungsfähigkeit nachweisen. Diese Option richtet sich an Menschen mit langjähriger Berufserfahrung, aber ohne formellen Abschluss.

Neue Wege für Quereinsteiger

Der Fachagrarwirt für Baumpflege ist ein anspruchsvoller Fortbildungsabschluss, denn er setzt fundiertes Fachwissen über Baumarten, Pflege- und Sicherungstechniken sowie rechtliche Rahmenbedingungen voraus. Dennoch können nicht nur Experten aus klassischen Ausbildungsberufen – wie Gärtner oder Forstwirte – mitmachen. Zahlreiche Teilnehmer kommen aus der praktischen Baumpflege, die selbst kein anerkannter Ausbildungsberuf ist. Entsprechend hoch gestaltet sich der Anteil an Quereinsteigern.

Dabei war schon vor Inkrafttreten des neuen Berufsbildungs-Validierungsgesetzes die Zulassung zur Prüfung auch ohne formalen Berufsabschluss möglich, wie Michael Müller-Inkmann von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen betont. Demnach darf laut Verordnung über die Prüfung FAW Baumpflege jeder antreten, der mindestens fünf Jahre einschlägige Vollzeitpraxis vorweisen kann.

„Die genannte Zulassungsoption bezieht sich derzeit ausschließlich auf Bachelor Professional, nicht übergreifend auf unsere Meisterprüfungen. Für Meisterprüfungen der landwirtschaftlichen Berufe (z.B. Gärtner, Forstwirt oder Landwirt) wird es den Bachelor Professional vermutlich erst nach Änderung der Verordnung dieser Fortbildungsprüfung geben. Bis jeweils eine neue Fortbildungsverordnung vorliegt, gilt die alte Verordnung. Darin ist der Fortbildungsabschluss Bachelor Professional nicht vorgesehen“, so Müller-Inkmann.


 

Inhalte und Perspektiven der Fortbildung

Mit Blick auf den Klimawandel ist die professionelle Baumpflege heutzutage wichtiger denn je. Genau hier setzt die Weiterbildung zum Fachagrarwirt an: Sie qualifiziert Facharbeiter, die Bäume nicht nur pflegen, sondern darüber hinaus auch analysieren und sichern. Beispielsweise bietet die staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Heidelberg diesen Lehrgang einmal jährlich mit rund 20 Teilnehmern an. Neben dem fachlichen Schwerpunkt vermittelt der Kurs auch Kompetenzen in Unternehmensführung, Personalmanagement und Mitarbeiterleitung – Schlüsselqualifikationen für künftige Führungskräfte.

Petra Werner, Sachgebietsleiterin in Heidelberg, sieht in der Fortbildung eine zentrale Möglichkeit, erfahrene Praktiker aus der Baumpflege gezielt weiterzubilden – unabhängig von deren Ausbildungsweg. Etwa 25 Prozent der Teilnehmer stammten aus fachfremden Berufen wie der Tischlerei, Zahntechnik oder Mediengestaltung, sofern sie mindestens drei Jahre Berufserfahrung mitbringen. Weitere 15 Prozent hätten keinen Berufsabschluss, könnten aber auf fünf oder mehr Jahre einschlägige Praxis verweisen – darunter auch Studienabbrecher oder Selbstständige mit eigenem Baumpflegebetrieb.

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Inklusion von Menschen mit körperlicher Einschränkung

Werner betont zudem die wichtige soziale Dimension der neuen Prüfungsverordnung: „Daher, dass keine praktische Tätigkeit wie das Arbeiten im Baum mehr Prüfungsinhalt ist, können auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Behinderungen den Abschluss Bachelor Professional erreichen. Motorsägen-Unfälle, Bandscheibenvorfälle, Stürze vom Baum oder sonstige gesundheitliche und körperliche Einschränkungen sind heute kein Hindernis mehr für diesen Abschluss. Ein ehemaliger Schüler hatte einen schweren Arbeitsunfall und konnte nicht mehr im Baum arbeiten. Nach der alten Prüfungsverordnung FAW Baumpflege und Baumsanierung hätte er eine praktische Prüfung ablegen müssen. Nach einer neueren Verordnung konnte der junge Mann damals ausschließlich den Lehrgang besuchen, allerdings ohne Abschluss. Heute könnte auf diese Weise auch ein Abschluss erlangt werden.“

Das neue Gesetz zur Validierung und Digitalisierung (BVaDiG) von 2024 stärkt diese Entwicklung zusätzlich, indem es berufliche Erfahrung auch ohne Abschluss formal anerkennt. Werner sieht darin einen längst überfälligen Schritt zur Öffnung des Bildungssystems – und eine große Chance, dringend benötigtes Fachpersonal für kommunale, gewerbliche und naturschutzbezogene Aufgaben zu gewinnen. Besonders für Menschen mit Brüchen in der Erwerbsbiografie, gesundheitlichen Einschränkungen oder aus anderen Berufsrichtungen sei dies ein sinnvoller Weg, um sich für Leitungsfunktionen zu qualifizieren – in einem Berufsfeld, das zunehmend an Bedeutung gewinnt.

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