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Warum Städte wachsen oder schrumpfen

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Baulandreserven, Verkehrsanbindung, Schulen, Kindergärten, Einzelhandel, Arbeitsplätze in der Nähe: Das sind die wichtigsten Faktoren, die das Wachstum von Städten und Gemeinden fördern. Umgekehrt kann das Fehlen dieser Erfolgsvariablen dazu führen, dass Städte Einwohner verlieren, manchmal sogar drastisch.

 

Eine der höchsten Zuwachsraten in Hessen verzeichnet Bad Vilbel. Seit Mitte der neunziger Jahre ist die Einwohnerzahl in der Quellenstadt um fast 17 Prozent gewachsen. Für Ende 2006 weist die Statistik 31.117 Einwohner aus. Damit ist Bad Vilbel innerhalb weniger Jahre zur größten Kommune des Wetteraukreises aufgestiegen. Zurückzuführen ist das nicht in erster Linie auf die Nähe zu Frankfurt, vielmehr hat die Stadt selbst aktive Siedlungspolitik in großem Stil betrieben.

 

Mehrere tausend Arbeitsplätze sind enstanden

 

Schon vor Jahren erwarb die Kommune im Ortsteil Dortelweil großflächig ehemalige Ackerbauflächen, um diese später in Bauland zu verwandeln. Innerhalb kurzer Zeit ist daraus eine der größten Neubausiedlungen im Rhein-Main-Gebiet entstanden – für rund 5000 Menschen. Im rund 60 Hektar umfassenden Dortelweil-West haben sich zudem bedeutende Betriebe angesiedelt wie die Dresdner Bauspar AG, die Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS) oder Lahmeyer International. Neben niedrigen Gewerbesteuersätzen waren moderate Baulandpreise ausschlaggebend für die Firmenansiedlungen. Mehrere tausend Arbeitsplätze sind in Bad Vilbel in den zurückliegenden Jahren entstanden.

 

Für die Stadt als Wohnort und Unternehmenssitz spricht auch die Infrastruktur, für deren Ausbau viel getan worden ist. So schuf die Stadt zusätzliche Kindergartenplätze, errichtete ein neues Kultur-und Sportzentrum. Hinzugekommen sind neue Schulbauten. Auch das Verkehrsnetz könnte kaum dichter sein: Drei S-Bahnhaltepunkte gibt es in der Großgemeinde, die Kommune betreibt einen eigenen Busservice. Die neue Bundesstraße 3 und die Nordumgehung, die im kommenden Jahr fertig gestellt wird, bieten Pendlern und Firmen quasi vor der Haustür Anschluss an die Hauptstraßenverbindungen im Rhein-Main-Gebiet.

 

Damit Bad Vilbel auch für die kommenden Jahre weit oben auf der Liste der Kommunen mit Bevölkerungswachstum steht, dafür hat die Stadt gesorgt und noch ein weiteres Gewerbe- und Wohngebiet von fast 80 Hektar ausgewiesen: Im Neubaugebiet Quellenpark sollen etwa 8000 Arbeitsplätze entstehen und Wohnhäuser, in denen noch einmal etwa 3000 Menschen ein neues Zuhause bekommen. Mit dem für die nächsten Jahre erwarteten Anstieg der Einwohnerzahl auf voraussichtlich knapp 35.000 soll es dann aber genug sein, wie der parteilose Stadtbaurat Dieter Peters sagt.

 

Gemeinde Jossgrund verliert Einwohner

 

Dass Raunheim die Einwohnerzahl in einem Jahrzehnt um fast 20 Prozent auf 14.215 heraufzuschrauben vermochte, ist ebenfalls vor allem der Erschließung eines großen Wohngebiets zuzuschreiben. Am Stadtrand ist auf etwa 30 Hektar eine Siedlung gewachsen, in der rund 2000 Menschen ein neues Domizil bezogen haben. Die Voraussetzungen für die Realisierung dieses Projekt hat die Stadt selbst geschaffen, indem sie das Gelände zu günstigen Konditionen erwarb, um es nach der Entwicklung zu Bauland an junge Familien zu Vorzugspreisen wieder zu veräußern.

 

Dass diese Siedlung rasch wuchs, ist auch auf die günstige Lage nicht weit von der S-Bahnstation und nahe einer Autobahnanschlussstelle zurückzuführen. Es sind vor allem Berufspendler, die wegen dieses Standortsvorteils nach Raunheim zogen. Begehrt waren die Bauplätze aber auch wegen der guten Infrastruktur – Schulen befinden sich in der Nachbarschaft, ein Kindergarten ist eigens für die Jungen und Mädchen aus Für die kommenden Jahre setzt Raunheim auf Expansion vor allem in Sachen Betriebsansiedlung. Es geht vor allem um das Gewerbegebiet Mönchhof, einem mehr als 100 Hektar umfassenden Terrain, wo mehr als 1000 Arbeitsplätze entstehen könnten.

 

Zu den Kommunen, die im zurückliegenden Jahrzehnt deutlich an Einwohnern verloren haben, zählt die Gemeinde Jossgrund. Einen Rückgang von 15 Prozent zwischen 1996 und 2006 weist die Übersicht des Statistischen Landesamts aus. 3662 Einwohner waren zum Ende vergangenen Jahres in der aus vier Ortsteilen bestehenden Gemeinde im hessischen Teil des Spessarts gemeldet. Obwohl Bürgermeister Rainer Schreiber (parteilos) darauf hinweist, dass die Zahlen mit Vorbehalt zu betrachten seien, weil Jossgrund als Sitz eines Asylbewerberheims in den neunziger Jahren von großen Fluktuationen bei den An- und Abmeldungen betroffen war, will auch er den „merklichen“ Bevölkerungsrückgang in seiner Kommune nicht verhehlen.

 

Suche nach neuen Stellen

 

Profitiert Jossgrund von der idyllischen Lage, die Ausflügler lockt, so ist dies für die Entwicklung der Gemeinde kein Segen. Am Rand des Main-Kinzig-Kreises gibt es wenige Arbeitsplätze. Handwerk, Land- und Forstwirtschaft prägen die Ökonomie. Díes hat dazu geführt, dass in den zurückliegenden Jahren vor allem Jüngere die Gemeinde verlassen haben, um näher an ihre Arbeitsplätze heranzurücken. Mehr als 15 Kilometer sind es von Jossgrund zur Autobahn oder zum nächsten Bahnhof. Neubürger, die diesen Nachteil für einen Wohnsitz in intakter Landschaft in Kauf nehmen, finden sich kaum – obwohl Jossgrund mit günstigen Grundstückspreisen zu locken versucht. Die Lage und das Fehlen von größeren zusammenhängenden Flächen machen es dem Gemeindevorstand auch schwer, neue Betriebe anzusiedeln.

 

Dass die Gemeinde Aarbergen am Rande des Rheingau-Taunus-Kreises zu den Kommunen mit dem größten Bevölkerungsrückgang zählt, resultiert in erster Linie aus der Umstrukturierung des größten Industriebetriebs, sagt Bürgermeister Udo Scheliga (CDU). So habe sich die Zahl der Beschäftigten beim Gusseisenhersteller Passavant in Aarbergen seit Mitte der neunziger Jahre von einst mehr als 2500 auf nur noch knapp 1000 reduziert. Auf der Suche nach neuen Stellen kehrten viele Menschen Aarbergen den Rücken.

 

Um mehr als 800 auf zuletzt 6266 Einwohner sank die Einwohnerzahl, was einem Verlust von 12 Prozent entspricht. Dies zu kompensieren, also andere größere Firmen an sich zu binden, dazu fehle es an den Voraussetzungen: Abseits der Fernverkehrswege sei die Gemeinde anderen gegenüber im Nachteil. Auf einem Teil des ehemals von Passavant genutzten Terrains hat die Gemeinde zwar wieder Gewerbe ansiedeln können, dabei handelt es sich aber um Einkaufsmärkte oder Handwerksbetriebe, die nur wenige neue Arbeitsplätze brachten.

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