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Lübecker Stadtreinigung hat noch für zwei Monate Liquidität

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Die Lübecker Bürgerschaft hat am Montagabend in einer Sondersitzung mit großer Mehrheit einen Notkredit in Millionenhöhe verabschiedet, um die drohende Insolvenz der Stadtreinigung abzuwenden. Mit insgesamt 3,6 Millionen Euro an Kassenkrediten greift die Hansestadt der Stadtreinigung Lübeck (SRL) unter die Arme. Die Bürgerschaft segnete die Eilentscheidung des Bürgermeisters von Ende März ab, eine Million Euro für die Zahlung der Löhne bereitzustellen. Außerdem stellt die Stadt zwei Millionen Euro zur Verfügung, damit die SRL bis Ende Juni ihren Betrieb aufrechterhalten kann. Der Mitgesellschafter Nehlsen soll aus der Gesellschaft gedrängt werden und nach SPD-Willen den Kaufpreis nicht erstattet bekommen.

„Zur Fortführung des operativen Geschäfts bis zum 30. Juni reicht das Geld in jedem Fall“, sagt Geschäftsführer Volker Ernst. Darüber hinaus wird es schwierig, das Unternehmen weiterzuentwickeln. Zukunftsgerichtete Investitionen können wir damit nicht bezahlen. Die Stadt hat weitere 600.000 Euro freigegeben, um die Mechanisch-Biologische Abfallanlage (MBA) nachzurüsten. Die erst im August gegründete Stadtreinigung Lübeck – ein Gemeinschaftsunternehmen der Entsorgungsbetriebe und des privaten Entsorgers Nehlsen aus Bremen – braucht in diesem Jahr bis zu elf Millionen Euro, um nicht pleite zu gehen.

Ursprünglich wollten vor genau einem Jahr die Bremer Nehlsen GmbH & Co KG und die Hamburger Otto Dörner GmbH eine Public-Private-Partnership mit der Lübecker Stadtreinigung schließen. Die Teilprivatisierung von Müllabfuhr, Stadtreinigung und Deponiebetrieb in Lübeck wurde mit den Stimmen der CDU vom Stadtparlament gebilligt, SPD und Grüne hatten die Sitzung der Bürgerschaft vor der Abstimmung verlassen. Nehlsen und Dörner, die 30 Millionen Euro Schulden des städtischen Abfallunternehmens übernehmen sollten, konnten sich im Bieterverfahren gegen die Großentsorger Remondis (Lünen) und Alba (Berlin) durchsetzen. Die Hamburger Otto Dörner GmbH kam mit ihrem Antrag nicht an den Schranken des Bundeskartellamtes vorbei und musste aussteigen.

Schmerzhafte, aber notwendige Entscheidungen

Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) bat die Politiker in der Sitzung, "schmerzhafte, aber notwendige Entscheidungen zu treffen“. Damit würde Schaden vom Unternehmen abgewendet, 282 Arbeitsplätze gesichert und die Abfallentsorgung gewährleistet. Das für Straßenreinigung, Müllabfuhr und Winterdienst zuständige Unternehmen wurde im vergangenen Jahr teilprivatisiert und ist nun eine gemeinsame Tochter der Stadt und des Bremer Entsorgers Nehlsen. Sowohl der Verlust von 3,8 Millionen Euro in diesem Jahr als auch der Liquiditätsbedarf von elf Millionen Euro waren schon bei der Privatisierung bekannt. Ursprünglich war aber geplant, die nötigen Kredite auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen. Das ist wegen der Finanzkrise und der wirtschaftlichen Lage der Stadtreinigung aktuell nicht möglich.

Der Hauptausschuss der Bürgerschaft hat am Freitag beschlossen, die Stadtreinigung zu einer Anstalt öffentlichen Rechts umzuwandeln. Nach Meinung von SPD-Fraktionschef Peter Reinhardt soll dem privaten Investor der Kaufpreis nicht erstattet werden. Er sei einen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Reinhardt und der Kreisvorsitzende der Lübecker SPD Peter Thieß erklären gemeinsam: "Die von der Lübecker CDU kurz vor Toresschluss in einer Nacht- und Nebelaktion hinter verschlossenen Türen durchgedrückte (Teil-) Privatisierung von Abfallbeseitigung und Straßenreinigung ist gescheitert."

Die finanziellen Folgen der gescheiterten Politik der CDU müssten die Bürger und die Beschäftigten ausbaden. Eine der von der SPD schon damals prognostizierten Ursachen für die wirtschaftlichen Probleme sei die mit der Privatisierung eingetretene Belastung in Höhe der Mehrwertsteuer von 19 Prozent.

SPD: Nehlsen ist seinen vertraglichen Verpflichtungen bisher nicht nachgekommen

"Geradezu peinlich sei die absurde Haltung der hierfür verantwortlichen CDU-Politiker, die wie der CDU-Fraktionsvize Klaus Petersen mit dem Eingeständnis des Scheiterns gleichzeitig ihrer fünfjährigen Durchpeitschpolitik zum Schaden der Stadt eine nachträgliche Ohrfeige verpasst, während der regelmäßig erfolglose Vorsitzende Andreas Zander die Schuld auf Unbeteiligte abzuladen sucht", so die Sozialdemokraten.

"Der bisherige Minderheitsgesellschafter, die Firma Nehlsen aus Bremen, ist seinen vertraglichen Verpflichtungen bisher nicht nachgekommen. Die versprochene zusätzliche Auslastung der Anlagen ist offensichtlich ebenso vertragswidrig ausgeblieben wie die vertraglich zugesagte Verlagerung der Wartung der Fahrzeuge der Firma Nehlsen. Wir wollen die Straßenreinigung GmbH in eine Anstalt des öffentlichen Rechtes überführen. Gleichzeitig wollen wir unvoreingenommen prüfen lassen, ob es Sinn macht, den Eigenbetrieb Entsorgungsbetriebe mit einzubeziehen. Für die Forderung der Fa. Nehlsen, als Voraussetzung für einen Rückzug aus Lübeck, ihr den Kaufpreis zu erstatten, sehe ich keinen Raum. Es widerstrebt mir, jemanden, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und sich weigert, einen Beitrag zum wirtschaftlichen Überleben zu leisten, auch noch ganz oder teilweise finanziell zu entschädigen und so aus dem unternehmerischen Risiko zu entlassen," so Reinhardt abschließend.

CDU warnt vor Eskalation im Streit um Stadtreinigung

Mit großer Verwunderung hat die CDU Fraktion zur Kenntnis genommen, dass die SPD per Zeitung mitteilt, dass sie im Mai im Zusammenhang mit der Stadtreinigung Lübeck einen Abwahlantrag gegen den Umweltsenator Thorsten Geißler in seiner Funktion als zweiten stellvertretenden Bürgermeister einbringen will. „Bisher war die Auseinandersetzung um die Stadtreinigung durch eine große Sachlichkeit geprägt. Dieser Weg würde mit so einem Antrag verlassen werden“, so Andreas Zander, CDU Fraktionsvorsitzender.

Die Probleme bei der Lübecker Stadtreinigung sind seit Jahren bekannt und haben ihre Ursache in der MBA. „Wenn ausgerechnet die, die diese MBA, die uns jährlich Millionen Euro Steuer- und Gebührengelder kostet, mit so einem Antrag vom eigenen Fehlverhalten ablenken wollen, ist das nur unredlich“, so Zander weiter. Im Übrigen würde so ein Antrag nur zeigen, dass die Genossen bis heute nicht begriffen haben, wie die Rollenverteilung innerhalb der Verwaltung ist. „Senator Thorsten Geißler ist gebunden an die Weisung des SPD Bürgermeisters, der auch hätte tätig werden müssen, wenn wirklich ein Fehlverhalten des Senators vorgelegen hätte. Es ist bestürzend, dass bei der SPD Fraktion offenbar nicht einmal die elementaren Grundkenntnisse der Kommunalverfassung vorhanden sind“, so Andreas Zander abschließend.

Quelle: europaticker

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