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Leipzig – die CO2-Story: Leipzigs CO2-Wert und die ungeliebten Hausaufgaben

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6,15 – so stand es 2007 im Bericht des Umweltamtes "Indikatoren für eine nachhaltige Umweltentwicklung in Leipzig" – 6,15 Tonnen CO2 habe jeder Leipziger im Jahr 2005 verursacht. Das Ziel der Halbierung der CO2-Immissionen bis 2010 sei fast erreicht. Am 14. November debattierte der Stadtrat um die Einsparung des lächerlichen Rests von 88,6 Kilotonnen CO2 im Rahmen der Stadtverwaltung.

Das entspräche einer Reduzierung von 0,17 t CO2 pro Einwohner und Jahr, hieß es in der Vorlage der Stadtverwaltung. Das hätte dann 5,98 t CO2/Einwohner im Jahr zur Folge. Wenigstens also die Unterschreitung von 6 Tonnen. Auch wenn das Ziel – 5,66 Tonnen – verfehlt würde. Berechnet auf das Jahr 1990, als der Leipziger Wert bei 11,32 Tonnen lag.

Die LIZ hat ein wenig herumtelefoniert, denn so richtig koscher klangen die 6,15 Tonnen nicht. Immerhin sind seit 1998 sämtliche Verbrauchswerte in Leipzig gestiegen. Beim Strom genauso wie bei Fernwärme und Erdgas. Nicht nur der gestiegenen Einwohnerzahl wegen. Den größten Sprung gab es im Jahr 2000. Da sprang der Energieverbrauch in Leipzig von knapp 6.000 Gigigawattstunden auf über 7.000. Und da ist er bis heute.

Der Grund dafür ist augenfällig: Mit den Eingemeindungen 1999/2000 holte Leipzig auch einen guten Teil der Gewerbeparks ins Stadtgebiet, die das Rückgrat der produzierenden Leipziger Wirtschaft beherbergen. Und den Löwenanteil an Energie verbraucht natürlich das Gewerbe. Mit den Werten von 1998 gerechnet, hätte Leipzig im Jahr 2005 einen Co2-Ausstoß von 3,94 Millionen Tonnen haben müssen. Gegenüber 3,2 Millionen im Jahr 1998. Im Endeffekt also 7,84 Tonnen pro Nase. Das hätte auch erklärt werden können. Und es hätte Grundlage für ein echtes Nachdenken für Energieeinsparung in Leipzig sein können.

Doch der Clou steckt im Detail: In die Rechnung geht nicht die sächsische Energieerzeugung ein. Sondern der deutsche Energiemix. Das sei zumindest eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage, erklärt das BET Büro, das die Rechenformel für Leipzig erstellt hat. Denn den größten Teil des in Leipzig eingespeisten Stroms produzieren die Leipziger Stadtwerke nicht selbst, sondern kaufen ihn ein. Was durch die Leitungen fließt, ist weder grün noch blau noch gelb. Sondern Strom, wie er auch in Buxtehude, Kassel und Chemnitz aus der Steckdose kommt. Erzeugt in einem Mix unterschiedlicher Energiegewinnung.

Auch bei den Stadtwerken Leipzig ändern sich praktisch Jahr für Jahr die Bezugsquellen. Mal ist der Lieferant ein Wasserkraftwerk in Österreich, mal ein Atomkraftwerk in Hessen.
Ein Blick auf die Homepage der Stadtwerke zeigt dann auch: Der Leipziger Strommix unterscheidet sich nicht gravierend vom deutschen Strommix. Nur durch gezielte Einkäufe schaffen es die SWL, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde unter den deutschen Durchschnitt zu drücken.

Auch durch erneuerbare Energien. Der Anteil erneuerbarer Energien am Leipziger Strommix ist mit 17 Prozent ein wenig höher als der bundesdeutsche mit 12 Prozent. Der Hauptanteil des Leipziger Stroms stammt nach wie vor aus "fossilen und sonstigen Energieträgern" – heißt in diesem Fall vor allem: aus heimischer Braunkohle und Erdgas. Und ein Posten trägt dann ebenfalls dazu bei, dass der CO2-Wert für Leipzig eigentlich noch geringer ist – 26 Prozent des Leipziger Stroms stammt aus Kernkraftwerken. Das drückt natürlich den rechnerischen CO2-Wert, denn bei der Erzeugung von Kernkraft fällt zwar bei der Gewinnung des Kernbrennstoffes eine Menge CO2 an, bei der eigentlichen Energiegewinnung geht man dann aber von einer Null-Emmission aus.

Was dann nach Auskunft des Unternehmens den Wert von 0,412 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde Leipziger Strom bedeutet. Zumindest für das konkrete Jahr und den angegebenen Mix.

Was dann rein rechnerisch bei steigendem Stromverbrauch sinkende CO2-Werte macht.
Statt 2 Millionen Tonnen CO2 stehen damit nur noch 0,9 Millionen Tonnen in der Bilanz. Was im Klartext bedeutet: Nur die Einkaufspolitik der Stadtwerke hat die ganze Leipziger CO2-Rechnerei gerettet. Und hätte das Umweltamt gar die von den SWL selbst angegebenen 0,412 Kilogramm als Wert eingegeben, Leipzig hätte das Ziel Halbierung tatsächlich fast geschafft. Dann hätte der Umweltbürgermeister am 14. November 2007 vor den versammelten Stadträten nämlich eine 5,69 verkünden können. 5,69 Tonnen CO2 pro Einwohner: Das klingt nur noch nach einem ganz kleinen Ruck, dann hätte man feiern dürfen.

Doch wie wackelig dieser Wert ist, weiß man auch im Rathaus. Die Stadtwerke brauchen nur gezwungen zu sein, ihren Kaufmix aus Kostengründen zu verändern, schon wäre die schöne Zahl Makulatur.

Auch so ist sie – wie das BET Büro bestätigt – nur ein Indikator. Und man habe sich 1998 ganz bewusst entschlossen, den bundesdeutschen Durchschnittswert einzusetzen, um dem Auf und Ab der Börse nicht zu viel Spielraum zu geben.

Aber auch mit diesem Wert geht es um Beträge, die durchaus ins Gewicht fallen. Nach Berechnungen des Umweltamtes kommen 2005 die Leipziger Privathaushalte auf 1,833 Tonnen CO2 pro Kopf, nach LIZ-Berechnungen sind es 1,73.

Dafür kommt das Umweltamt für die Nicht-Haushalte auf 2,52, die LIZ kommt auf 2,74 Tonnen CO2 auf jeden Einwohner.

Was eigentlich auch heißt: Die Haushalte waren noch wesentlich energiebewusster, als es die amtliche Statistik ausweist. Und in Produktion, Gewerbe und Verwaltung wurde noch deutlich mehr Strom verbraucht.

Übrigens wäre der Gesamtwert für 2005 nach dieser Rechnung bei 6,26 Tonnen CO2 pro Leipziger, der Weg zur Halbierung doch noch etwas weiter.

Und was auch noch deutlich wird: Im Grunde müsste die Stadtverwaltung jedes Jahr zeitnah diese Umweltindikatoren vorlegen. Denn eine kleine Bewegung auf dem Strommarkt bringt alle diese Zahlen in Bewegung. Einzig die Einkaufsabteilung der Stadtwerke Leipzig entscheidet bislang, ob Leipzig seine CO2-Ziele erreicht. Das kaschiert nur die schlichte Tatsache, dass wirkliche Initiativen der Stadt, Energie einzusparen und erneuerbare Energien langfristig zum Grundpfeiler der Energieversorgung zu machen, fehlen. Völlig fehlen bis auf die kleine Alibiübung mit den 88.600 Tonnen, die man irgendwie zusammenkratzen will.

Und der Druck fehlt natürlich, wenn Umweltberichte erst mit zweijähriger Verzögerung erscheinen.

Der für 2006 ist jetzt ebenfalls mehr als ein Jahr überfällig. Der für 2007 wäre längst an der Reihe.

Quelle: lizzy-onlined.de

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