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15.000 Tonnen Sondermüll geistern möglicherweise durch die Bundesrepublik

Genehmigt war der Import von 15.000 Tonnen Salzschlacke durch die Landesdirektion Dresden (Sachsen) zur Verbringung auf die Deponie Cröbern nahe der Messestadt Leipzig, eine der wenigen Deponien der Klasse 3 für Sondermüll in Deutschland. Bislang ist ein Zug mit 25 Containern die insgesamt 612 Tonnen Salzschlacke enthielten, auf der Containerstation in Obernessa (Sachsen-Anhalt) Ende Dezember 2008 angekommen. Besorgte Anwohner hatten „Alarm geschlagen“ und vermutet, hierbei handle es sich um illegalen Müll, der auf Waggons italienischer Herkunft in einer „Nacht- und Nebelaktion“ untergebracht werden sollten.

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Der Betreiber der Containeranlage im Burgenlandkreis, Andreas Böhme, war bereits im Zusammenhang mit dem illegalen Verschieben von Italienischem Müll von Sachsen nach Sachen-Anhalt ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten und musste jüngst vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Sachsen-Anhalt Rede und Antwort stehen. Die „Nacht und Nebelaktion“ entpuppte sich zwar als eine Verspätung des Zugverbundes wegen eines unerwarteten Aufenthaltes am Brennerübergang, wie der ehemalige Oberbürgermeister von Weißenfels, Manfred Rauner, der jetzt die Containeranlage des Müllmanagers Böhme leitet, erklärt. Aber dennoch wirft der Import der Schlacke Fragen auf.

Die Westsächsische Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) besitzt das Recht Salzschlacke nach der Deponieklasse 3 einzulagern. Aluminium-Salzschlacken entstehen als Reststoff beim Einschmelzen von Aluminium-Schrotten und -krätzen, welches überwiegend in Drehtrommelöfen stattfindet. Bei diesem Vorgang wird Schmelzsalz, eine Mischung aus z. B. 70 % Natriumchlorid (Kochsalz), 28 % Kaliumchlorid (Sylvin), das Kaliumsalz der Salzsäure und 2 % Calciumfluorid zugegeben. Dieses Salz schwimmt auf der Metallschmelze, verhindert die Oxidation und nimmt zusätzlich die Verunreinigungen der Schrotte auf. Aluminiummetall und Salzdecke werden dann nacheinander aus dem Drehtrommelofen abgelassen. Das zuletzt „abgestochene“ Salzgemisch enthält Reste von Aluminium-Metall und verschiedenste Metalloxide, in erster Linie Aluminiumoxid. Dieses Gemisch erstarrt in Kübeln und bildet dabei die so genannte Aluminium-Salzschlacke.

Die früher praktizierte Verklappung von Aluminium-Salzschlacken ist seit 1970 nicht mehr möglich. Problematisch sind diese Salzschlacken nicht nur wegen ihres hohen Chloridgehalts, sondern auch wegen der Entstehung von teils geruchsbelästigenden. teils giftigen und gegebenenfalls explosiven Gasen wie Wasserstoff. Methan, Ammoniak, Schwefelwasserstoff und Phosphorwasserstoff bei Kontakt mit Wasser oder Feuchtigkeit.

Nach Aussagen des Containerterminalbetreibers Böhme, sollten noch 24 Züge mit jeweils 25 Containern eintreffen und dann von Obernessa in die rund 46 Kilometer entfernten Deponie Cröbern gebracht werden. Das Geschäft musste spätestens am 9. April abgeschlossen sein, weil die Notifizierung (Genehmigung im Abfallrecht) an diesem Tag ausläuft. In Obernessa stehen unterdessen nach wie vor die inzwischen geleerten 25 Container auf den Fahrgestellen der italienischen Eisenbahn. Böhme selber will inzwischen in Erfahrung gebracht haben, dass auf seinem Containerumschlagplatz keine Züge mit Salzschlacke mehr ankommen würden.

Die Landesdirektion in Dresden, zuständig für Genehmigungen in dem Freistaat Sachsen, hat Kenntnis erhalten, dass eben diese 25 Container auf dem Zugverbund in Obernessa (Sachsen-Anhalt) angekommen sind und dann mit LKWs nach Cröbern in Sachsen weiter transportiert wurden. Von weiteren Lieferungen wüsste man in Dresden nichts, sagt der Pressesprecher und Beauftragte für Bürgeranliegen, Dr. Holm Felber, auf Anfrage. Der Import der Salzschlacke sei am 15. Juli 2008 genehmigt worden, ergänzt der Pressemann der staatlichen Behörde.

Das Umweltministerium in Magdeburg sieht derzeit keinen Handlungsbedarf, soweit die Container mit der Salzschlacke in Obernessa lediglich auf LKWs umgeladen würden, um die Transportbehälter dann nach Sachsen, wo sie notifiziert worden waren, zu transportieren. Doch das wird offenbar von Landkreis zu Landkreis anders gesehen. Im Saalekreis verhängte die Aufsichtsbehörde ein Bußgeld, obwohl dort lediglich ein Anschlussgleis genutzt wurde, um Container mit nicht gefährlichen Abfällen in ein Nachbarunternehmen, der Mitteldeutsche Umwelt- und Entsorgung GmbH (MUEG) zu transportieren. Im Burgenlandkreis werden indes andere Prioritäten gesetzt, obwohl der Kreis derzeit mit seiner Deponie Freyburg/Zeuchfeld im Mittelpunkt eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses steht.

Gundram Mock, Dezernent beim Burgenlandkreis und zuständig für Abfall, hätte sich gewünscht, sagte er im Dezember, vorher informiert gewesen zu sein und meint: „Er sei erst nach einem Bericht im europaticker auf die Containerlieferung aufmerksam geworden und habe sich dann sofort informiert“. Man habe ihn unterrichtet, dass die Schlacke für die Deponie Cröbern von der Westsächsische Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft mbH (WEV) notifiziert worden sei und in Obernessa die Container nur umgesetzt würden.

Die Westsächsische Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) beklagt unterdessen, dass der italienische Exporteuer den Auftrag zurückgezogen habe, nachdem Medien die Einlagerung der Salzschlacke bekannt gemacht hatten und auf mögliche Gefahren des Abfallgutes hingewiesen hatten. Gefahren, die von der Salzschlacke ausgingen, wollte unterdessen WEV-Verkaufsleiter Konrad Doruch im Gespräch mit europaticker auf keinen Fall gelten lassen. Die Salzschlacke hätte über fünfzehn Jahre in Italien obererdig gelagert, sagt er und da wären kein Aluminium-Metall oder Metalloxide mehr drin.

Wohin die Abfälle jetzt gebracht würden, kann auch WEV-Geschäftsführer Dipl.-Ing. Bernd Beyer nicht sagen. Er weiß nur, so sagt er, dass sich die italienischen Geschäftspartner auf Grund der öffentlichen Diskussion einen anderen Abnehmer gesucht hätten und der habe die Entsorgung sogar noch billiger angeboten. Salzschlacken dürfen nur in Deponien der Klasse 3 eingelagert werden. Deponien der Klasse 3 werden auch als Sondermülldeponien bezeichnet. Bei den deutschen Genehmigungsbehörden, die die Genehmigungen für die Einlagerung von Salzschlacken, die nicht aus Deutschland stammen, erteilen dürfen, ist derzeit kein italienischer Notifizierungsantrag bekannt und der in Dresden wurde auch nicht zurückgezogen.

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