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Empfehlungen für kommunale Einkäufer von Feuerwehrfahrzeugen zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Bietern

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Empfehlungen für kommunale Einkäufer von Feuerwehrfahrzeugen zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Bietern

Mit Beschluss vom 28.01.2011 hat das Bundeskartellamt gegen drei führende Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen wegen wettbewerbswidriger Absprachen Bußgelder in Höhe von insgesamt 20,5 Mio € verhängt. Bei den drei Unternehmen handelt es sich um die

- Albert Ziegler GmbH & Co. KG, Giengen a.d. Brenz (Baden-Württemberg), die
- Schlingmann GmbH & Co. KG, Dissen (Niedersachsen), sowie die
- Rosenbauergruppe mit Standorten in Luckenwalde (Brandenburg) und Leonding/Österreich.

Die Bußgeldbescheide gegen diese Unternehmen sind rechtskräftig. Ein gegen das Unternehmen IVECO-Magirus mit Sitz in Ulm (Baden-Württemberg) eingeleitetes Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Zusammen verfügen diese vier Unternehmen über einen Marktanteil in Deutschland von mehr als 90 %.
Betroffen sind die Fahrzeuggruppen Löschgruppenfahrzeuge, Tanklöschfahrzeuge und Rüstwagen.

Die Absprachen erstreckten sich mindestens über den Zeitraum Oktober 1998 bis Mai 2009 in der Bundesrepublik Deutschland.

Soweit sich diese Unternehmen/Tochterfirmen derzeit an Ausschreibungen von Feuerwehrfahrzeugen in Niedersachsen beteiligen, stellt sich für Vergabestellen die Frage eines möglichen Ausschlusses der Unternehmen wegen Unzuverlässigkeit.

Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bieter?
> Vergaberechtliche Sachlage

Bei der Prüfung, ob ein Bieter im Rahmen einer Ausschreibung wegen Unzuverlässigkeit aufgrund einer kartellrechtlichen Absprache auszuschließen ist, sind vorliegend die Regelungen des § 6 Abs. 5 lit. c VOL/A (nationale Ausschreibung) und § 6 Abs. 6 VOL/A EG (europaweite Ausschreibung) von Belang. Bei den unter § 6 Abs. 4 lit. a - g VOL/A EG aufgeführten Verstößen handelt es sich um einen abschließenden Katalog. Voraussetzung für einen
Ausschluss ist bei allen aufgeführten Tatbeständen, dass eine Person, deren Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist, aufgrund des Verstoßes rechtskräftig verurteilt worden ist.

Vorliegend kommt somit ein Ausschluss aufgrund des § 6 Abs. 6 lit. c VOL/A EG bzw. § 6 Abs. 5 lit. c VOL/A in Betracht. Danach kann ein Bewerber von der Teilnahme vom Wettbewerb ausgeschlossen werden, wenn er nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellt. Vom Grundsatz her ist bei den hier relevanten unzulässigen Preisabsprachen nach einhelliger Kommentierung von einer „schweren Verfehlung“ auszugehen (vgl. Kulartz, Marx, Portz, Prieß, Kommentar zur VOL/A, 2. Auflage, § 6 EG
Rdnr. 106). Es handelt sich jedoch immer um eine Einzelfallbetrachtung, bei der der Vergabestelle ein Ermessensspielraum zukommt. Bereits ergriffene Maßnahmen personeller oder organisatorischer Art zur „Selbstreinigung“ in den Unternehmen sind dabei zu berücksichtigen.

Auf Grund der vorgenannten Rechtslage hat die Vergabekammer Niedersachsen mit rechtskräftigem Beschluss vom 24.03.2011 (Az.: VgK -04/2011) in einem Nachprüfungsverfahren unter Beteiligung eines Tochterunternehmens eines der o. g. Kartellanten entschieden, dass die Auftraggeberin aufgrund einer fehlerhaften Ermessenserwägung erneut in die Angebotswertung
einzutreten hat. Soweit sich die Auftraggeberin auf die Bedürfnisse der von ihr vertretenen Samtgemeinde an die zu beschaffenden Fahrzeuge berufen habe, habe es sich um eine im Abwägungsprozess über schwere Verfehlungen sowie die zukünftige Zuverlässigkeit des Unternehmens eindeutig sachfremde Erwägung gehandelt. Im Weiteren habe sich die Auftraggeberin in Bezug auf ergriffene Maßnahmen zur Selbstreinigung des Unternehmens nicht mit dem knappen Satz in der Eigenerklärung des Unternehmens

„Darüber hinaus haben wir in unserem Unternehmen Maßnahmen getroffen, um
auch in Zukunft wettbewerbskonformes Verhalten sicherzustellen“ zufrieden geben dürfen. Die Auftraggeberin hätte konkrete Informationen über getroffene Maßnahmen zur sog. „Selbstreinigung“ in dem Unternehmen bzw. in ihrem Mutterunternehmen einholen müssen, sowie Erkundigungen anzustellen gehabt, ob es Pläne für eine Schadenswiedergutmachung
- ggf. auch im Mutterunternehmen
– gibt bzw. eingeleitet worden sind.

Zudem hätte sie vor einer Entscheidung Einsicht in die Urkalkulation des Angebots der Beigeladenen nehmen und die der Ermessensausübung zugrunde liegenden Prüfungen und Entscheidungen im Rahmen der Prüfung des Ausschlusses sorgfältig in der Vergabeakte dokumentieren müssen.

Der Beschluss der Vergabekammer ist in anonymisierter Form kostenlos per E-Mail bei der Geschäftsstelle der Vergabekammer  (Vergabekammer@mw.niedersachsen.de - Tel.: 04131/15-1334) abrufbar.

> Empfehlung
Bei den hier relevanten wettbewerbswidrigen Absprachen handelt es sich um „schwere Verfehlungen“ die gem. § 6 Abs. 6 lit. c VOL/A EG (europaweite Ausschreibungen) bzw. § 6 Abs. 5 lit. c VOL/A (nationale Ausschreibungen) einen Ausschluss von Bewerbern von der Teilnahme am Wettbewerb begründen können. Schwere Verfehlungen im vorgenannten Sinne können auch Auswirkungen auf die Zuverlässigkeitsbeurteilung von Tochter-, Schwester-
oder Muttergesellschaften entfalten, wenn sie personell - insbesondere über identische Geschäftsführer und / oder Prokuristen - miteinander verbunden sind.

Die Vergabestellen entscheiden in eigener Zuständigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen und nach den Umständen des Einzelfalls, ob ein Bieter als unzuverlässig von der Vergabe auszuschließen ist. Sie dürfen sich bei dieser Beurteilung nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen und haben dabei auch zu berücksichtigen, welche Maßnahmen zur Selbstreinigung
das Unternehmen seit Bekanntwerden der kartellrechtlichen Verstöße  unternommen hat. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung kann/sollte die Vergabestelle, die Bieter auffordern, insbesondere zwischenzeitlich von den betroffenen Unternehmen ergriffene Maßnahmen zur „Selbstreinigung“, d. h. zur Wiederherstellung eines (zukünftigen) rechtskonformen Verhaltens (Compliance) vorzulegen.

Die Vergabestellen sollten die anbietenden Unternehmen insbesondere zur Darlegung der organisatorischen Konsequenzen der kartellamtlichen Bußgeldverfahren auffordern, die das Unternehmen gezogen hat, um künftig wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern.

• Das wäre z. B. eine Aufforderung um Auskunft des Bieters zu den früher handelnden Geschäftsführern/ Bereichsleitern und weiteren Mitarbeitern, die die wettbewerbswidrigen Abreden getroffenen haben und nach deren aktueller Funktion im Unternehmen. Die Vergabestellen können sich hierzu entweder vom Bieter

- eine allgemeine Stellungnahme vorlegen lassen oder
- konkrete Maßnahmen formulieren und deren Umsetzung abfragen
(sind z. B. die in das Kartellamtsverfahren involvierten Mitarbeiter überhaupt noch im Unternehmen tätig; sind die Verantwortlichen aus dem hier interessierenden Geschäftsbereich herausgenommen worden; wurden Mitarbeiter entsprechend geschult, um künftig wettbewerbswidrige Absprachen zu verhindern).

• Kurzübersicht zur Prüfung der „Selbstreinigung“:

- Austausch von verantwortlichem Personal,
- Organisatorische Schutzmaßnahmen, z. B. die Einrichtung von unternehmensinternen Kontrollmechanismen,
- Schulungen von verantwortlichem Personal,
- Pläne zur Schadenswiedergutmachung im Unternehmen,
- Umfassende aktive Mitarbeit bei der Aufklärung der festgestellten  Kartellverstöße.

Den Vergabestellen wird empfohlen, sich die ergriffenen Maßnahmen von den Unternehmen ausführlich erläutern und schriftlich darlegen zu lassen.

Ein betroffenes Unternehmen hat bereits erklärt, es sei ein Compliance-Beauftragter bestellt worden, der direkt dem Vorstand unterstellt und dessen Aufgabe es sei, für strikte Einhaltung insbesondere auch der kartell- und vergaberechtlichen Bestimmungen zu sorgen.

Bei entsprechenden Nachfragen müssen die Bieter mit den Vergabestellen (Gemeinden) kooperieren. Mangelnde Zusammenarbeit kann dazu führen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss wegen Unzuverlässigkeit vorliegen.

• Den Vergabestellen wird zudem empfohlen, sich von den betroffenen Bietern die Urkalkulation des Angebotes vorlegen zu lassen.
• Liegen Gründe vor, die einen Ausschluss ermöglichen, hat die Vergabestelle im Rahmen ihres Ermessens einen Beurteilungsspielraum. Sie hat sich von den Bietern Unterlagen vorlegen zu lassen, die eine (positive) Zukunftsprognose des Verhaltens von Bietern im aktuell anstehenden Beschaffungsverfahren geben.

Bei der aus den gewonnenen Informationen resultierenden Entscheidung über die Zuverlässigkeit eines Bieters handelt sich um eine Einzelfallentscheidung (vgl. Müller-Wrede Kommentar zur VOL/A, 3. Auflage, § 6 EG Rdnr. 61 – 63). Die Ermessensausübung und die ihr zugrunde liegenden Prüfungen und Entscheidungen im Rahmen der Prüfung des fakultativen Ausschlusses nach § 6 Abs. 6 lit. c VOL/A EG bzw. § 6 Abs. 5 lit. c VOL/A sind unter Beachtung
des § 24 VOL/A EG sorgfältig in der Vergabeakte zu dokumentieren.

Ihre Ansprechpartner vor Ort für vergaberechtliche Fragen:

Dienstort, Ansprechpartner Tel.

Braunschweig Frau Heike Schönberg 0531/ 484-1088
Hannover Herr Wilfried Busse 0511/ 120-5474
Lüneburg Frau Heike Jakobi Herr Thomas Kann 04131/ 15-1338; 04131/ 15-1386
Oldenburg Herr Arnold Bruns 0441/ 799-2182

> Preisprüfung


Aufgrund der Bußgeldverfahren könnten im Rahmen der Beschaffung von Feuerwehrlöschfahrzeugen und deren Aufbauten von den Auftraggebern überhöhte Preise gezahlt worden sein. Das Verhalten der Kartellanten widerspricht der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, die einen Ausgleich für fehlenden Wettbewerb schaffen
soll. Zielvorgabe der VO PR Nr. 30/53 ist, den Preisstand zu wahren.
Zusammen mit den Leitsätzen für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) soll die Preisverordnung sicherstellen, dass die öffentlichen Auftraggeber vor überhöhten Preisforderungen geschützt werden.

Hiernach unterliegen alle Aufträge des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts dem hoheitlichen deutschen Preisrecht. Ausgenommen sind lediglich Bauleistungen. Gem. § 9 der VO PR 30/53 hat der Auftragnehmer den für die Preisbildung und Preisüberwachung zuständigen Behörden das Zustandekommen des Preises auf Verlangen nachzuweisen. Dazu muss er
alle für die Bildung des Preises erforderlichen Unterlagen vorlegen und die notwendigen Auskünfte erteilen, die zum Nachweis des Preises erforderlich sind und anhand derer belegt werden kann, dass die Bestimmungen des öffentlichen Preisrechts beachtet worden sind.

Diese Unterlagen müssen vom Auftragnehmer mindestens 5 Jahre aufbewahrt werden, soweit nicht andere Vorschriften (Handelsrecht, Steuerrecht) eine längere Frist vorsehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 VO PR Nr. 30/53).

Das bedeutet, dass alle Beschaffungen innerhalb der letzten 5 Jahre überprüft werden können, wobei Preisprüfungen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht automatisch undurchführbar oder unzulässig sind.

Die Preisprüfung erfolgt als sogenannte Initiativprüfung hoheitlich nach pflichtgemäßem Ermessen der Preisüberwachungsstelle (Opportunitätsprinzip). Zuständig sind die Preisbildungs-/Preisüberwachungsstellen, in deren Bundesland bzw. Regierungspräsidium sich das Rechnungswesen des Auftragnehmers befindet. In der Praxis erfolgen Preisprüfungen jedoch
regelmäßig aufgrund von Prüfungsersuchen der öffentlichen Auftraggeber.

Gegenstand der Preisprüfung ist die gutachterliche Ermittlung des zulässigen Höchstpreises. Überschreitet der vereinbarte Preis den im Prüfungsbericht angezeigten oder gerichtlich festgesetzten Höchstpreis, so führt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Überschreitung des Höchstpreises nicht i. S. d. § 134 BGB zu einer Nichtigkeit des Vertrages, sondern der
preisrechtlich höchstzulässige Preis tritt anstelle des vereinbarten Preises.

Die Preisprüfung kann sowohl Angebote als auch Aufträge einbeziehen. Sie ist nicht nur nachträglich, also nach der Vergabe des Auftrages und dem Abschluss der Beschaffung oder der Beendigung der Dienstleistung möglich. Vielmehr kann sie schon zu einem früheren Zeitpunkt vor der Auftragsvergabe durchgeführt werden, z.B. nach Vorlage des Angebotes. Letzteres ist insbesondere dann geboten, wenn der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist, weil die Anzahl der Anbieter nur gering ist.

Die Preisüberwachungsstellen wirken als neutrale Gutachter zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Auftragnehmer und tragen dazu bei, dass öffentliche Gelder sparsam und wirtschaftlich verwendet werden.

Wenn Sie Zweifel an der Preisgestaltung haben, wenden Sie sich gern an folgende Ansprechpartner im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr:

Ansprechpartner

Tel.
Herr Wolfgang Attrot 0531/ 484-1086
Herr Werner Rybicki 0531/ 484-1087
Herr Axel Schlimme 0511/ 120-5510
Herr Wylke Schwarz 04131/ 15-1337

Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

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