Trotz scheinbar erfolgreicher Schlichtung kommt es in der Bauindustrie zum Streik. Das gilt als ausgemacht. „Wir wollten diesen Streik nicht“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Klaus Wiesehügel in Frankfurt. Denn die Arbeitgeber des Baugewerbes in Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben gestern gegenüber dem früheren Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement als Schlichter erklärt, sie könnten das Schlichtungsergebnis nicht umsetzen.
Von Juni an sollten die rund 700 000 Beschäftigten der Branche höhere Löhne in drei Stufen bekommen: zunächst 3,1 Prozent, von April 2008 an weitere 1,5 Prozent und von September 2008 an abermals 1,6 Prozent – jeweils zuzüglich eines monatlichen Festbetrags von etwa 0,5 Prozent.
Daraus wird nun nichts. Die Baugewerkschaft hat bereits am Montag begonnen, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine Urabstimmung zu organisieren. Warnstreiks sollten heute früh beginnen. Die Friedenspflicht ist gestern um 16 Uhr ausgelaufen. Das Ergebnis der Urabstimmung wird am 16. Juni um 14 Uhr veröffentlicht, zwei Tage später befindet der Gewerkschaftsvorstand darüber. Doch die Richtung ist klar: Streik.
Wiesehügel ahnt den Hintergrund des Widerstandes aus dem Norden: die Öffnungsklausel. Sie kam nach langen Debatten ins Schlichtungsverfahren hinein und besagt, dass die Löhne um bis zu acht Prozent unter Tariflohn sinken können, wenn es dem Unternehmen schlecht geht. Die Löhne könnten aber nur mit Zustimmung der Gewerkschaft sinken: „Wir brauchen keinen Tarifvertrag, wenn der Unternehmer selber entscheiden kann, wie hoch der Lohn sein soll“, sagte Wiesehügel. Diese Haltung zeigt auch ein gewisses Misstrauen der Gewerkschaft gegenüber einzelnen Betriebsräten. Die knickten leichter ein gegenüber den Wünschen des Arbeitgebers, heißt es bei der IG BAU. Einen quasi tariflosen Zustand wie in Ostdeutschland wolle die IG BAU jedenfalls nicht.
Die IG BAU hat keine Angst vor einem Streik, bezieht Hoffnung auch aus der letzten Tarifauseinandersetzung vor fünf Jahren. Streikleiter Dietmar Schäfers erinnerte sich gestern: „Wir haben ihn bundesweit geführt, wir haben ihn nach zwei Wochen erfolgreich abschließen können.“
Die großen Baugesellschaften, zusammengeschlossen im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, haben gestern erklärt, sie wollten das Schlichtungsergebnis von Juni an anwenden. Der Widerstand kommt aus den kleineren Unternehmen im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Gegen sie sollen sich die Streiks in erster Linie richten. Der kommende Streik lasse sich aber nicht begrenzen, sagte Wiesehügel: Niedersächsische Betriebe, die in Hessen oder Sachsen-Anhalt arbeiteten, würden deshalb nicht verschont. Auch wenn sie als Subunternehmer für Großbetriebe arbeiten sollten, schütze das nicht davor, bestreikt zu werden. „Diese Kollateralschäden wird es geben“, sagte Wiesehügel. Die IG BAU habe alle Daten, die Listen der Betriebe und die Listen der aktuellen Baustellen.
Quelle: IG BAU