„Moin. Ich habe zwei Ausbildungsplätze zu vergeben. Mich interessiert nicht, wo du herkommst, oder welche Schulbildung du hast. Ich bin immer für dich da“, so Glasermeister Sven Sterz in einem Recruiting-Video, das heute Kultstatus erreicht hat. Nachdem der Norddeutsche im YouTube-Clip spektakulär eine Glastür zertrümmerte und attraktive Ausbildungsanreize präsentierte, wurde das Video zum viralen Hit – mit der Folge, dass er von Bewerbungen geradezu überflutet wurde. Nach langer Suche gelang es Sterz, geeignete Azubis zu finden. Obwohl besagte Anekdote zum Erscheinen dieses Textes mehr als sieben Jahre alt ist, passt sie dennoch gut in die aktuelle Lage.
Denn der Azubi-Mangel hat sich nur noch verschärft. Jedes Jahr überschlagen sich Fachzeitungen, Verbände und Handwerkskammern geradezu mit Zahlen, wie viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben werden. Die Gründe sind schnell erklärt: Zum einen gibt es aufgrund des demografischen Wandels immer weniger Bewerber auf dem Markt, zum anderen entscheiden sich immer weniger Schulabgänger für eine handwerkliche Ausbildung. Ein Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) spricht von einer „angespannten bis kritischen Lage“ in der Auszubildendengewinnung. Und die Auswirkungen seien schon heute in Projektverzögerungen, eingeschränkten Öffnungszeiten oder verzögerten Leistungen spürbar.
Azubis finden: konkrete Handlungsschritte
Was können Betriebe also tun, um mehr Bewerber zu erhalten und die neuen Herausforderungen zu meistern? Ganz klar ist eins: So einfach wie früher wird es nicht mehr werden: „Damals waren es vor allem Kinder oder Verwandte unserer Angestellten, die bei uns eine Lehre angefangen haben, aber das ist heute schon lange nicht mehr so“, erinnert sich Norbert Ruml, Betriebsleiter des Bauhofs Ettlingen. Heute müssen Verantwortliche wesentlich proaktiver an die Azubi-Gewinnung herangehen. Dazu gibt es viele unterschiedliche Ansätze, doch Experten aus Verbänden, Handwerkskammern und Fachmagazinen scheinen sich zumindest in einem Punkt einig zu sein: Es gibt nicht „die eine Strategie“, um Azubis zu finden. Stattdessen kommt es auf eine individuelle Herangehensweise an, die aufgebaut werden muss. Unter Umständen müssen Betriebsleiter hierbei einen langen Atem beweisen, viel ausprobieren und sich nicht nur auf eine Maßnahme zur Azubi-Gewinnung verlassen. Stattdessen empfiehlt z.B. der VKU „eine frühzeitige, aktive Rekrutierung über einen breiten Kanalmix“. Potenzielle Azubis müssen über mehrere Wege angesprochen werden:
- Schulkooperationen haben dabei einen besonders wirksamen Effekt, um das eigene Unternehmen präsent zu machen und gleichzeitig Schülerpraktikanten zu gewinnen. Der VKU empfiehlt hier „eine Art ‚Shortlist‘ mit besonders geeigneten Schülerpraktikanten“, die durch die Schule ermittelt werden. Diese könnten anschließend einen vereinfachten Bewerbungsprozess durchlaufen.
- Auf Vereinfachungen in der Bewerbung kommt es auch an anderer Stelle an. Schritt-für-Schritt-Anleitungen oder das Verzichten auf ein Anschreiben können auch hilfreich dabei sein, Azubis zu finden.
- Ebenfalls bietet ein niedrigschwelliger Erstkontakt Vorteile: Wenn Interessierte vor einer Bewerbung über das Telefon oder Social Media in einem lockeren Erstgespräch Kontakt aufnehmen können, kann man ihnen viele Ängste nehmen.
- Überraschend: Stellenausschreibungen in der Zeitung sind immer noch sinnvoll. Damit lässt sich zwar nicht die junge Generation erreichen, aber dafür ihre Eltern. So gaben in einer aktuellen Studie 46 Prozent der befragten Azubis an, von der Familie oder Freunden von ihrem Lehrberuf erfahren zu haben.
- Hier spielt der nächste Punkt eine wichtige Rolle: die Mund-zu-Mund-Propaganda. Ein wichtiger Multiplikator, um Azubis zu finden, bleiben die eigenen Mitarbeiter. Um diesen auszubauen, könnten Betriebe Belohnungssysteme einführen, sodass Mitarbeiter von jedem vermittelten Azubi profitieren.