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MÜNCHNER BAUREFERAT Alles bereit für Eis und Schnee

In einer Großstadt wie München kommt es in der kalten Jahreszeit auf einen guten Winterdienst an. Bereits seit dem Sommer befinden sich die Experten von der Straßenunterhaltung schon in den Vorbereitungen. Um einen Einblick in die Details und Herausforderungen der Planung zu erhalten, hat die Bauhof-online-Redaktion sich mit Angela Neubauer-Sturm, Leitung der Abteilung Straßenunterhalt und -betrieb im Münchner Baureferat, unterhalten.

Lesedauer: min | Bildquelle: Christoph Mittermüller
Von: Tim Knott

Frau Neubauer-Sturm, wie weit sind Sie aktuell mit den Winterdienst-Vorbereitungen – herrscht bei Ihnen schon Hochbetrieb oder bleibt noch etwas Luft im Arbeitsalltag?

Angela Neubauer-Sturm: Grundsätzlich ist fast direkt „nach dem Winterdienst“ auch schon wieder „vor dem Winterdienst“. Bereits in den Sommermonaten gilt es, gewonnene Erkenntnisse aus der letzten Saison zur Optimierung in die Betriebspläne und -organisation einzuarbeiten, z.B. die Routen anzupassen oder vorhandene Technik nachzurüsten. Auch die Personal- und Schichtpläne müssen frühzeitig geplant und aufgestellt werden. Derzeit werden z.B. erforderliche Streumittellager – falls erforderlich – bereits aufgefüllt sowie die Fahrzeuge und Winterdiensttechnik vorbereitet, wie z.B. Soleerzeuger und Streutechnik. Alle Fahrzeuge und Geräte müssen gewartet werden, damit sie im Einsatzfall voll funktionstüchtig sind.

Wie ist der Winterdienst organisiert – erledigen Sie alles selbst oder arbeiten Sie mit externen Partnern zusammen?

Neubauer-Sturm: Das Baureferat und die von ihm beauftragten Vertragsfirmen räumen Fahrbahnen, Plätze, Fußgängerzonen, Geh- und Radwege und sichern diese mit geeigneten Streumitteln gegen Glätte (Salz/Sole bzw. Splitt); Ausnahme sind die Gehwege außerhalb des Vollanschlussgebietes. Das Vollanschlussgebiet entspricht in etwa dem Gebiet innerhalb und einschließlich des Mittleren Ringes sowie dem Kernbereich von München-Pasing.

Oberste Priorität haben etwa 10.000 Fußgängerüberwege, 2.300 Haltestellen und 290 Gefahrenstellen (zum Beispiel starke Gefälle- und Steigungsstrecken sowie Bahnübergänge). Vorrangig wird das Hauptstraßennetz geräumt und gegebenenfalls gestreut sowie Straßen, auf denen Busse und Trams unterwegs sind. Salz wird im Sinne des Umweltschutzes unmittelbar nach dem Räumen und nur im Hauptstraßennetz, auf Straßen mit Buslinienverkehr und an Gefahrenstellen eingesetzt. Im Nebenstraßennetz wird nur in Sonderfällen bei Glätte Splitt gestreut.


 

Wie sieht es mit dem Radverkehr aus?

Neubauer-Sturm: Da der Radverkehr auch im Winter immer mehr zunimmt, geht der Standard für den Winterdienst auf Radwegen weit über die rechtlichen Anforderungen hinaus. Auf allen Radverkehrsanlagen wird innerhalb von maximal drei Stunden nach Beginn des Schneefalls, ab einer Schneehöhe von drei cm, geräumt und gestreut. Aufgrund der hohen Bedeutung des Radverkehrs in München hat der Stadtrat weitere Maßnahmen zur Optimierung des Winterdiensts auf Radverkehrsanlagen beschlossen. So wurde ein Winterroutennetz mit verkürzten Umlaufzeiten von zwei Stunden eingeführt. Das Baureferat startete in der Wintersaison 2024/25 einen weiteren Pilotversuch für einen optimierten Winterdienst auf Radwegen. Ziel ist es, den Winterdienst weiter an die veränderten Mobilitätsgewohnheiten der Münchner anzupassen.

Über wie viele Mitarbeiter verfügen Sie im Winterdienst?

Neubauer-Sturm: Über 1.000 Einsatzkräfte sowie mehr als 600 Fahrzeuge stehen bereit.

Können Sie uns einen Einblick in die Regelung der Arbeitsschichten geben?

Neubauer-Sturm: In der Regel beginnen die Räum- und Streuarbeiten bei Schneefall von mindestens drei cm oder bei Gefahr von Straßenglätte um 2 Uhr morgens, bei Bedarf auch früher, damit gegen 7 Uhr verkehrssichere Straßen und Wege gewährleistet sind. Das Baureferat sorgt bis 22 Uhr für den Winterdienst und damit zwei Stunden länger, als der Gesetzgeber es vorschreibt. Damit die geltenden Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingehalten werden können, ist dies nur im Schichtbetrieb mit zwei Teams umsetzbar.

Nach welchen Kriterien wird entschieden, wann geräumt oder gestreut wird – und welchen Stellenwert haben Wetterberichte und Warnsysteme dabei?

Neubauer-Sturm: Die Stadt München lässt sich in den Wintermonaten von einem Anbieter beraten, der speziell auf Wettervorhersagen für Straßenbetriebsdienste im Winter spezialisiert ist. Hier werden Vorhersagen bereitgestellt, die speziell für das Stadtgebiet erstellt werden. Zudem werden Warnungen vor besonderen Wetterlagen übermittelt und können bei Bedarf mit einem Meteorologen direkt telefonisch abgestimmt werden. Dies ist insbesondere bei schwierigen Wetterlagen sehr hilfreich, um Eintrittswahrscheinlichkeiten besser abschätzen zu können.

Welche Fahrzeuge und Streutechniken stehen Ihnen aktuell zur Verfügung?

Neubauer-Sturm: Da das Baureferat den Winterdienst auf den unterschiedlichsten Verkehrsflächen sicherstellen muss, reichen unsere Fahrzeuge von Drei-Achs-Lkw über geländegängige Fahrzeuge für Steigungsstrecken bis hin zu kleinen wendigen Fahrzeugen und Kleintraktoren für Radwege und Gehwege. Für das Hauptstraßennetz sind unterschiedliche Streutechniken im Einsatz. Es werden hier neben Feuchtsalzstreuern (FS 30) auch sogenannte Kombistreuer verwendet, die im Einsatzfall zwischen reiner Solestreuung und Feuchtsalzstreuung (FS 30) wechseln können. Reiner Soleeinsatz ist ideal bei Wetterlagen mit Reifglätte einsetzbar, aber z.B. bei Schneefall aufgrund der Verdünnung des Salzes nicht wirkungsvoll. Hier können diese Fahrzeuge ohne weiteren Umbau auch als Feuchtsalzstreuer genutzt werden. Zudem läuft seit letztem Winter der bereits genannte Pilotversuch auf Radwegen mit einer Räumung durch eine sogenannte Räum-Kehr-Einheit und Solestreuung. Hier sind die Erfahrungen aus dem vergangenen Winter sehr vielversprechend. Alle übrigen Flächen werden bei Glätte mit Splitt gestreut.

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Welchen Stellenwert hat der differenzierte Winterdienst im Münchner Stadtgebiet?

Neubauer-Sturm: Das Baureferat ist im ständigen Kontakt mit Fachgremien und Herstellern, um bei Neubeschaffungen Geräte beschaffen zu können, die zielgerichtet auf den jeweiligen Einsatzfall abgestimmt sind und dem neuesten Entwicklungsstand entsprechen. Insbesondere die Streutechnik hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und bietet mit der Solestreuung gute Möglichkeiten, das Ausbringen von auftauenden Streustoffen auf den jeweiligen Einsatzfall genau abzustimmen und die Mengen einsatzgerecht zu dosieren.

Wie stark schwanken die Gesamtkosten zwischen „milden“ und „strengen“ Wintern?

Neubauer-Sturm: Die Kosten für den Winterdienst hängen stark von den jeweiligen Witterungsbedingungen ab und können daher in den einzelnen Winterperioden sehr unterschiedlich sein. In München kann ein „strenger“ Winter bis zum Vierfachen von einem „milden“ Winter ausmachen.

Vor welchen besonderen Schwierigkeiten steht der Winterdienst in Ihrem Stadtgebiet?

Neubauer-Sturm: München ist aufgrund seiner Lage im Voralpenraum immer wieder von starken Schneefällen betroffen. Der Winterdienst muss daher neben reinen Sicherungseinsätzen auch für starke Schneefälle vorbereitet sein. Dies ist zum einen in der Fahrzeugtechnik, aber auch beim dafür notwendigen Personaleinsatz zu berücksichtigen.

Wie reagieren Sie auf zunehmend unvorhersehbare Wetterlagen?

Neubauer-Sturm: Bei extremen Winterwetterverhältnissen hat das Baureferat nötigenfalls Sonder- und Notdienste rund um die Uhr eingerichtet. Auf prognostizierte kritische Wettersituationen stellt sich der städtische Winterdienst bestmöglich und vorausschauend ein. Dafür ist das Baureferat digital an einen speziellen Straßenwetterdienst angeschlossen.

Bei Winterdiensteinsätzen wird je nach Wetterlage geprüft, welches Streumittel in welcher Dosierung für das jeweils vorherrschende Wetterereignis zielführend ist. Die dabei verwendeten Streumittel sowie die ausgebrachte Menge richten sich nach den einschlägigen aktuellen Merkblättern sowie den praktischen Empfehlungen für ein effektives Räumen und Streuen im Straßenwinterdienst der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) – Arbeitsausschuss Winterdienst. Im Nebenstraßennetz wird nur in Sonderfällen bei Glätte Splitt gestreut.

Welche Themen werden aus Ihrer Sicht in Zukunft für den kommunalen Winterdienst am wichtigsten sein?

Neubauer-Sturm: Aus Sicht des Baureferates stehen hier zwei Themen im Vordergrund. Als Erstes verändert sich das Mobilitätsverhalten der Menschen. Mikromobilität, wie z.B. Fahrräder oder Lastenräder werden zunehmend auch im Winter genutzt, und darauf muss man zielgerichtet reagieren. Zum anderen wird sich die Fahrzeugtechnik weiterentwickeln. Derzeit ist es noch nicht möglich, Fahrzeuge uneingeschränkt mit Elektroantrieb im Winterdienst einzusetzen. Hier wird in den nächsten Jahren sicher viel Entwicklungsarbeit notwendig sein, um die Fahrzeuge im Winterdienst mit umweltfreundlichen Antrieben betreiben zu können. Zusätzlich ist, wie sicher in vielen anderen Kommunen auch, die angespannte Haushaltslage sowie die Personalsituation bzw. Möglichkeiten zur Personalgewinnung am Arbeitsmarkt eine Herausforderung, unter der der Winterdienstbetrieb gesichert werden muss.

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