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Mehrzahl der Bauhöfe hat keinen Kosten-Plan

Rechnungshof hat kommunale Bautruppen mit ziemlich düsteren Ergebnissen durchleuchtet, setzt aber lieber auf positive Beispiele

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„Unser Bauhof? Das soll wohl ein Witz sein!“ Bürgermeisterin Monika Kempf-Wohlfahrt klingt irritiert ob der Frage. Genau 43 Einwohner zählt Kleinbockedra bei Kahla, Thüringens kleinste Gemeinde. Die Bürgermeisterin klärt auf: Hinter der Schuppentür am Dorfplatz, auf die ein Scherzbold mal „Bauhof“ gepinselt hatte, steht die gemeindeeigene Schubkarre: „Das ist alles.“

Im benachbarten Renthendorf aber hält man sich einen Bauhof, ebenso wie in Sachsenbrunn, Geraberg oder Behringen. In Gemeinden über 2000 Einwohner, scheint die kommunale Bauabteilung so selbstverständlich wie Wappen und Kirchturm, wie eine Untersuchung des Landesrechnungshofs zeigt: Von 213 befragten Gemeinden ab 2000 Seelen hatten nur 14 keinen Bauhof – dafür aber sechs gleich zwei davon und ein Ort sogar drei.

Ein Endlager für Personal

Straßenreinigung, Winterdienst, Außenanlagen-Pflege oder Reparaturen – das sind die klassischen Felder der Bauhöfe. Doch wo immer man auch etwas tiefer hineinhört in die Amtsstuben und Gemeinderäte, fällt irgendwann das Stichwort vom „Spielzeug des Bürgermeisters“. Denn zum einen wird die kommunale Bau- und Putztruppe gern mal zu Wohltaten entsandt, sei es das Renovieren im Sportlerheim oder für einen gemütlichen Grillplatz am Feuerwehrhaus. Zum anderen fungiert der Bauhof nicht selten als Endlager für Personal, das im modernen Verwaltungshandeln nicht mehr benötigt wird, aber aus vielerlei Gründen – es lebe der öffentliche Dienst – weder entlassen werden kann noch soll. „Gerade in kleineren Kommunen“, so schätzt es Rechnungshof-Direktor Klaus Behrens ein, unter dessen Regie die „Querschnittsprüfung Kommunale Bauhöfe“ betrieben wurde, „tun sich Bürgermeister und Räte schwer, harte Schnitte vorzunehmen.“

Was auch deshalb leicht fällt, weil die gnädige Kameralistik des Haushaltsrechts hilft, unter die fast alle Bauhöfe fallen. Ob Herr Z. für die Gemeinde Akten stempelt oder Parkbänke repariert, spielt für die Gesamt-Personalkosten keine Rolle. Was sich als „Ist“ im Haushalt einigermaßen mit dem über Jahre eingeübten „Soll“ deckt, wird höchst selten noch einmal hinterfragt. Dies gilt vor allem für Gemeinden, die ihre Bauhöfe als „Regiebetrieb“ und damit quasi als Unterabteilung des Bauamts führen – fast alle Kommunen unter 5000 Einwohner verfahren so. Regiebetriebe sind wirtschaftlich nicht selbständig, unterstehen unmittelbar der Verwaltung und unterliegen keinen zwingenden Vorgaben, Kosten zu erfassen und Kalkulationen zu erstellen. Weshalb, so der Prüfbericht, die Gefahr bestehe, „dass Leistungen unwirtschaftlich und auf Zuruf erbracht werden“ sowie „mit den am Gemeinwohl orientierten Zielen einer Kommune nicht übereinstimmen“. Die Folgen sind entsprechend: Über die Hälfte der befragten Kommunen gab an, überhaupt keine Kalkulation vorzunehmen, bei weiteren neun Prozent war sie höchst zweifelhaft. Bei den Gemeinden zwischen 2000 und 3000 Einwohnern zeigte sich sogar bei vier Fünfteln völlige Kalkulationsfreiheit. Wo das Berechnen der Bauhof-Leistungen doch versucht wurde, zeigten sich oftmals erstaunliche kaufmännische Schwächen: Mal wurden Abschreibungen für Gebäude und Technik vergessen, mal Stundensätze bloß auf Basis von Bruttolöhnen errechnet oder für Fahrzeug-Pauschalen nur Sprit- und Versicherungskosten herangezogen. Die Wirkung: So mancher Bauhof arbeitet auf dem Papier kostengünstiger als die Konkurrenz auf dem freien Markt – und sorgt so dafür, dass Ausschreibungen gar nicht erst in Betracht gezogen werden. In einigen Fällen lag die kommunale Kalkulation bis zu 30 Prozent unter Marktpreisen; was gut möglich ist, wenn nicht nur Abschreibungen „vergessen“ werden, sondern über Jahre zudem das Ansteigen von Energiekosten und Tarifen.

So segensreich in vielerlei Hinsicht die eigene Bautruppe auch sein mag: Sie kostet. Rund ein Fünftel der Personalkosten in den untersuchten Kommunen fließen in den Bauhof, dazu kommen durchschnittlich 230 000 Euro Anlagevermögen plus die oftmals unbekannten Immobilienwerte. Genug finanzieller Druck eigentlich, um nach Reserven zu forschen.

Kalkulation bis auf den letzten Cent

Die Stadt Lauscha hat damit begonnen, wenn auch, wie Hauptamtsleiter Jens Krauße einräumt, erst die 2006 eingegangene Rechnungshof-Anfrage den letzten Anstoß dazu gab. „Wir haben sämtliche Leistungen des Bauhofs bis in einzelne Arbeitsgänge zerlegt und buchhalterisch neu bewertet, mit aktuellen Tarifen, Energie- und Materialkosten, Abschreibungen und Gemeinkosten der Verwaltung“, erläutert Krauße, „ein Haufen Arbeit“. Der sich indes gelohnt hat. Denn heute lässt sich jeder Auftrag, der inzwischen schriftlich und nur mit Unterschrift des Bürgermeisters rausgeht, bis auf den Cent genau kalkulieren und wird auch so abgerechnet. „Langsam beginnt sich ein Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis zu etablieren“, meint Krauße. Und das nicht nur in der Verwaltung. „Früher hat man halt mal fünf Leute mit Kipper und Bagger geschickt, wenn ein Verein um Hilfe gebeten hat. Jetzt können wir sagen: Machen wir, aber das kostet eigentlich 1080 Euro, denkt dran bei der nächsten Zuschuss-Runde im Gemeinderat.“ Krauße lächelt: „Da zuckt mancher zusammen.“ Und noch ein Ergebnis der Binnen-Durchleuchtung vom letzten Bauhof-Jahr liegt inzwischen vor: Von den jährlich rund 1400 Arbeitsstunden pro Mitarbeiter war nur rund die Hälfte durch bestätigte Aufträge abgedeckt. Was, in aller Konsequenz betrachtet, heißen würde: Die Hälfte der acht Beschäftigten ist überflüssig. „Mmh“, brummt Krauße und schaut ein wenig leidend, „aber das geht ja nicht“. Schließlich könnten auch „neue Aufgaben“ erschlossen werden. Doch dafür brauche man eben „auch die richtigen Leute“, seufzt Krauße. Vorerst ist Lauschas Bauhof zwar wunderbar kostentransparent, wird aber trotzdem teurer: Zwei ehemalige Wasserwerker müssen integriert werden. Wenigstens den Opel Frontera hat Krauße dem Bauhof-Leiter gestrichen und verkauft. „Der muss ja nicht 'rumfahren wie ein Bauleiter von 'nem Großkonzern.“

So etwas freut den Rechnungshof. „Wir wollten mit der Prüfung vor allem Anstöße geben, wie Bauhöfe den Wandel in den Kommunen am besten unterstützen“, erklärt Behrens. Schließlich komme den „weichen Faktoren“ vor dem Hintergrund rückläufiger Bevölkerung immer größere Bedeutung zu. „Eine intakte Infrastruktur, gepflegte Anlagen und saubere Straßen, kommunale Einrichtungen gut in Schuss, so etwas – unter anderem – hält Menschen im Ort und kann andere anlocken“, findet der gelernte Architekt. Auch wenn Lauscha hinsichtlich seiner Bauhof-Überkapazitäten nur ein Beispiel von vielen in Thüringen ist, mag Behrens nicht über die theoretischen Spar-Potenziale reden: „Mir ist es lieber, wenn die Kommunen ihre Reserven erschließen, indem sie ihren Bauhöfen mehr abfordern, um attraktiver zu werden.“

Quelle: freies-wort.de

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