Düsseldorf - Aktionäre des Essener Energiekonzerns RWE bereiten sich auf den Wegfall der Sperrminorität vor. Nach Informationen der WELT wollen mehrere nordrheinwestfälische Kommunen und Landkreise einer Beteiligungsgesellschaft beitreten, um künftig ihre Stimmrechte zu bündeln und ihren Einfluss zu wahren.
Die Kommunen reagieren damit auf den Verkauf größerer Pakete von RWE-Aktien durch andere Städte und Gemeinden im größten Bundesland. Nach Angaben des RWE aus dem Oktober lag der kommunale Anteil noch bei 26 Prozent am Grundkapital. Dabei berief sich das Unternehmen allerdings auf Daten aus dem Juli. Seitdem wurden laut WELT-Recherchen noch einmal über 5,95 Mio. Aktien aus kommunaler Hand verkauft. Dies entspricht einem Anteil am RWE-Grundkapital von 1,09 Prozent. Darüber hinaus haben sechs Kommunen angekündigt, mehr als 10,15 Millionen RWE-Aktien auf den Markt zu werfen. Dies entspricht noch einmal 1,64 Prozent des RWE-Stammkapitals. Damit könnte RWE schon im kommenden Jahr ohne Sperrminorität der öffentlichen Hand dastehen und Ziel einer feindlichen Übernahme werden. Ein RWE-Sprecher lehnte einen Kommentar dazu ab.
Vor allem wegen der verschärften Haushaltssituation verkaufen Kommunen schon seit längerem ihr Tafelsilber. Die RWE-Aktie gehört bei vielen zu den wertvollsten Beteiligungen. So verkaufte etwa die Stadt Düsseldorf Mitte September ein Paket von 5,67 Aktien Prozent für 363 Mio. Euro, um den Haushalt zu sanieren. Nach Recherchen der WELT haben seit August zumindest der Rhein-Erft-Kreis, der Landschaftsverband Rheinland sowie die Gemeinde Saerbeck Aktienpakete verkauft und damit Stimmrechte abgegeben. Als sicher gilt der Verkauf von 1,2 Mio. Aktien der Städte Bottrop und Unna im kommenden Frühjahr. Zusammen mit den bereits angekündigten Verkäufen von 8,5 Mio. Aktien durch weitere Kommunen, sinkt das kommunale Aktienpaket auf höchstens 23,4 Prozent und fiele unter die Sperrminorität. Dann könnte der Konzern bei der Abwehr einer feindlichen Übernahme nicht mehr auf die Hilfe der Kommunen zählen.
Versuche der Landesregierung für diesen Fall vorzusorgen, indem die staatliche NRW-Bank einen Fonds auflegte, scheiterten im Sommer am politischen Widerstand. Nun wollen die Kommunen selbst eine Abwehrstellung aufbauen. Nach Informationen der Welt übertragen immer mehr Kommunen ihre RWE-Aktien auf eine gemeinsame Beteiligungsgesellschaft. Bislang liegt der Anteil der sogenannten RW Energiebeteiligungsgesellschaft (RWEB) am RWE-Kapital bei zehn Prozent.
Dieser Anteil soll nun drastisch erhöht werden. Nach eigenen Angaben haben bereits die Städte Herne, Essen, Bochum und Mülheim eine Übertragung von über 30 Mio. Aktien (5,3 Prozent am RWE-Kapital) auf die RWEB beschlossen. Weitere Kreise und Gemeinden wollen noch im Dezember folgen.
Gesteuert wird die RWEB vor allem von der WestLB und der Stadt Dortmund. Die Gesellschaft wäre mit Abstand der größte Einzelaktionär des Energiekonzerns, und könnte mit ihrer Stimme auf einer Hauptversammlung eine Mehrheit organisieren.
Die Bündelung der Aktien hat aber auch noch einen steuerlichen Vorteil für die Gemeinden. Sollte der Anteil der RWEB am RWE über 15 Prozent steigen, könnten damit ein Steuerprivileg gerettet werden. Nach dem sogenannten Schachtelprinzip müssten dann die beteiligten Kommunen kaum noch Gewerbesteuern auf ihre RWE-Dividenden zahlen.
Quelle: WELT ONLINE