KÖLN - Die Deutz AG kommt aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Der Kölner Motorenhersteller hat in den vergangenen zwölf Monaten bereits 1000 Stellen abgebaut und will sich von weiteren 800 Mitarbeitern trennen. Seit Dezember gilt Kurzarbeit für die Belegschaft. Der Vorstand wurde von vier auf drei Mitglieder verkleinert und verzichtet auf zehn Prozent seiner Bezüge. Mit einem Sparprogramm werden die Kosten drastisch gesenkt. Eine Erholung ist trotzdem nicht in Sicht.
Der dramatische Einbruch bei dem Kölner Motorenhersteller war nicht abzusehen. Nach einer langen Phase wirtschaftlicher Probleme - die damalige Klöckner-Humboldt-Deutz AG stand zeitweise unmittelbar vor dem Konkurs - hatte sich das Unternehmen auf seine Kernkompetenz als Motorenbauer konzentriert und endlich wieder erholt.
Nach Sanierung auf Überholspur gewesen
Der Amerikaner Gordon Riske, Vorstandschef der Deutz AG, saniert das Unternehmen seit dem Jahr 2000 - und zwar nachhaltig, davon sind Belegschaft und Aktionäre überzeugt. Riske sei „der Baumeister“ für die Rückkehr zu alter Stärke gewesen, sagt 2006 Deutz-Chefaufseher Michael Endres. Der Motorenhersteller stehe wieder so gut da „wie in den vergangenen 100 Jahren nicht“.
Riske senkt die Kosten des Verluste schreibenden Konzerns mit dem Programm „7up“ und steigert die Produktivität. Die problematische Industrieanlagentochter Humboldt Wedag wird verkauft und ein riesiger Schuldenberg fast vollständig abgebaut. Produktionszahlen und Exporte steigen kontinuierlich. Außer Volvo wird mit Same Deutz-Fahr ein weiterer strategischer Partner als Großkunde und Aktionär gewonnen. Neue Stellen werden geschaffen und mit weltweit über 5.000 Mitarbeitern zählt sich die Deutz AG wieder zu den ganz großen und erfolgreichen Industrieunternehmen der Stadt.
2007 wird für Deutz zu einem Jahr mit zweistelligen Steigerungsraten gibt. An jedem Werktag werden fast 1.000 Motoren gebaut. Die Jahresproduktion steigt von 237.000 auf 286.000 Stück. Gearbeitet wird rund um die Uhr - nur eine Stunde am Tag ist für Wartungen vorgesehen. Fertige Motoren werden mit dem Flugzeug statt mit dem Schiff zu den Kunden transportiert, um Lieferfristen einzuhalten. „Wir könnten unsere Motoren mit Senator-Plaketten versehen“, witzelt Riske und spielt damit auf vielfliegende Geschäftsreisende in den teuren Buchungsklassen an. 9-Stunden-Tage, Mehrarbeit und Sonderschichten werden zur Regel.
Der Umsatz der Deutz AG steigt 2007 um 29 Prozent auf 1,52 Milliarden Euro, der operative Gewinn klettert um 43 Prozent auf 95,5 Millionen Euro. Wegen des Verkaufs der Gasmotoren-Sparte springt der Jahresüberschuss unter dem Strich sogar von 61,5 auf 183 Millionen Euro.
Zum ersten Mal nach 20 Jahren kassieren die Deutz-Aktionäre für 2007 eine Dividende, der Aktienkurs vervielfacht sich. Auf seiner letzten Hauptversammlung bescheinigt Riske dem Unternehmen „glänzende Perspektiven“. Aktionäre loben den Chef überschwänglich. Er sei der „Mister Deutz“. „Selbst wenn man wollte, könnte man ihm keine Fehler vorhalten“, sagt eine Aktionärin. Unter Riske steigt der Börsenwert des Motorenbauers von weniger als hundert Millionen auf mehr als eine Milliarde Euro. Dann - im September 2007 - verlässt er das Unternehmen und wechselt zum Gabelstaplerhersteller Kion.
Die Wende kam über Nacht
Sein Nachfolger Helmut Leube kommt am 1. Februar 2008. Die Aussichten sind nach wie vor glänzend: Deutz stellt wegen der unverändert starken Nachfrage für 2008 eine Umsatzsteigerung um 25 bis 30 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro in Aussicht. Der Gewinn soll 90 bis 100 Millionen Euro erreichen, heißt es. Leube hebt kurz nach seinem Einstand die bereits ehrgeizigen Prognosen an. Für 2008 wird erstmals eine Produktion von deutlich mehr als 300.000 Motoren in Aussicht gestellt. Noch Mitte des Jahres zeigt sich der Deutz-Chef optimistisch: Absatz, Umsatz und Ergebnis sollen sich wieder zweistellig verbessern.
Doch dann kommt - sozusagen über Nacht - die Wende. Bestehende Aufträge werden storniert, neue Bestellungen gehen nur noch spärlich ein. Mitte August 2008 nimmt Leube die Prognosen zurück: Absatz und Gewinn erwartet er nur noch auf Vorjahresniveau, beim Umsatz werde es nur noch ein Plus von fünf Prozent geben. Wiederum acht Wochen später - inzwischen hat die Pleite von Lehman Brothers im September 2008 die Finanzkrise ausgelöst - korrigiert sich Leube abermals. Das Geschäft mit den Kompaktmotoren, die vor allem in Arbeitsmaschinen und Kompressoren eingesetzt werden, sei durch eine Eintrübung in der Bauindustrie deutlich schwieriger geworden: „Die Marktschwäche hat sich ausgehend von den USA nun auch in Europa ausgebreitet“, sagt Leube.
Zudem leidet Deutz unter einem sprunghaften Anstieg der Rohmaterialpreise und es zeigen sich erste Anzeichen einer Abkühlung des Wachstums in China. Die Konjunktur trübt sich rapide ein. „Die Finanzkrise ist in der Realwirtschaft angekommen“, so der Deutz-Chef.
Weitere Schwachpunkte kommen hinzu: Für ein nioch kurz vor Riskes Wechsel in China gegründetes Gemeinschaftsunternehmen für den Bau von Motoren nimmt Deutz viel Geld in die Hand - doch die Anlaufverluste halten bis heute an. Achim Henke von der der WestLB sieht zudem auch hausgemachte Gründe für die Krisenanfälligkeit des Motorenherstellers. „Deutz hat sich im Wesentlichen auf das Geschäft mit Kompaktmotoren konzentriert, das etwa 80 Prozent des Umsatzes ausmacht“, sagt er. Die Nachfrage nach Motoren für Baumaschinen oder Kompressoren für die Energiewirtschaft sei aber sehr konjunkturanfällig. Außerdem übten nun Großabnehmer wie Volvo und der italienische Deutz-Großaktionär Same Deutz-Fahr ihre Marktmacht aus: „Dadurch ist der Spielraum für die Preisgestaltung gering. Der Preisdruck wird zunehmen.“ Eine rasche Verbesserung der Lage sei nicht zu erwarten.
Deutz betätigt die Notbremse: In der Belegschaft verlieren zunächst mehrere hundert Leiharbeiter sowie befristet Beschäftigte ihre Stellen. In einzelnen Bereichen wird die Produktion von drei auf zwei Schichten pro Tag zurückgefahren. Der Aktienkurs halbiert sich, was der inzwischen abgelöste Finanzvorstand Helmut Meyer mit „verhalteneren Ausblicken von Instituten und Unternehmen“ erklärt.
Keine Besserung in Sicht
Und die Krise verschärft sich: Seit Dezember 2008 brechen auch die Aufträge für Nutzfahrzeug-Motoren massiv ein. Der Auftragseingang im vierten Quartal 2008 geht um 42 Prozent zurück. Deutz führt kurz vor Weihnachten still und leise Kurzarbeit ein - und weitet diese nach und nach aus. Inzwischen gilt Kurzarbeit für 85 Prozent der 3.500 Deutz-Mitarbeiter in Deutschland. Meistens heißt das Vier-Tage-Woche. Im Extremfall fallen aber bis zu 15 Arbeitstage im Monat aus. Seit August 2008 baut Deutz 1.000 Jobs ab - vor allem von Zeitarbeitern und befristet Beschäftigten. Weitere 800 Stellen sollen noch wegfallen.
Statt eines Gewinns von 90 bis 100 Millionen Euro schreibt die Deutz AG 2008 unter dem Strich einen Verlust von vier Millionen Euro. Die versprochene Dividende fällt aus. Auch 2009 zeigt sich keine Besserung: Im ersten Halbjahr brechen Absatz und Umsatz um rund 50 Prozent ein. „Die Auswirkungen der Krise waren für Deutz so gravierend, wie sie keiner von uns je zuvor in seinem Berufsleben erlebt hat“, sagt Leube. Das Unternehmen macht sich selbst Mut und gibt seinen Halbjahres-Bericht unter dem Titel „Die Chancen der Zukunft nutzen“ heraus. Die Gegenwart sieht jedoch bitter aus: Ein Verlust von 62,4 Millionen Euro ist darin für das erste Halbjahr dokumentiert. Im Vorjahreszeitraum hatte es noch einen Gewinn von 30,3 Millionen gegeben.
Mit einer Prognose für das Gesamtjahr tut sich Leube - wie viele andere Chefs deutscher Großunternehmen - schwer: Abhängig vom weiteren Konjunkturverlauf werde „mit verschiedenen Absatzszenarien gerechnet“. Dabei werde auch mit einem Absatzrückgang bis zu 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr kalkuliert. Dies gelte aber „unter der Annahme, dass im zweiten Halbjahr keine weitere Verschlechterung des Marktumfeldes“ eintritt. Mit anderen Worten: Es kann im Jahresverlauf auch alles noch schlimmer kommen.
Quelle:ksta.de