Prokurist Hans Maier* (*Name von der Redaktion geändert) sitzt für 14 Monate im Gefängnis. Seine Straftat: Organisationsverschulden.
Ein Amtsgericht verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung.
Es wirft der Unternehmensleitung "erhebliche Verletzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht" vor.
Drei Arbeitnehmer waren beim Abbau einer tonnenschweren Baumaschine ums Leben gekommen.
Wer mit der Übertragung von Unternehmerpflichten auf Mitarbeiter hofft, auch die entsprechende Verantwortung loszuwerden, der irrt:
Der Gesetzgeber verlangt vom Arbeitgeber den Schutz der Arbeitnehmer vor den Gefahren des Arbeitslebens. Verantwortlich - auch im Falle eines Unfalls - ist zunächst der Unternehmer.
Lässt sich die Verantwortung übertragen?
Der Arbeitgeber haftet für Personen- und Sachschäden. Arbeitsschutz liegt demnach in seiner Verantwortung, in der Verantwortung der Firmeninhaber, der vertretungsberechtig-ten Organe, der Gesellschafter sowie der Personen, die mit der Leitung des Unternehmens oder eines Betriebs betraut sind.
Das bedeutet allerdings nicht, dass der Unternehmer alle Aufgaben des Arbeitsschutzes persönlich ausführen muss. Er kann die Ausführungspflichten auf zuverlässige und fachkundige Personen übertragen (§ 13 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz).
Die Delegierten werden also bestimmt. Dazu bedarf es eine - möglichst schriftlichen -Vertrags, der die Pflichtenübertragung regelt. Nach einer solchen Delegation verfügt die Führungskraft über ein Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern. Für die richtige Auswahl bei der Delegierung ist der Arbeitgeber verantwortlich, der auch die Auswahl delegieren kann.
Fazit: Nach der Pflichtenübertragung tritt der Beauftragte an die Stelle des Arbeitgebers. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Auswahl, Überwachung und Kontrolle sowie das Eingreifen in Krisensituationen liegt weiterhin beim Arbeitgeber. Er muss in seinem Bereich umsetzen, was das Arbeitsschutzgesetz vom Arbeitgeber fordert.
Gefährdungsbeurteilung: Wer ist am Zug?
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen zu beurteilen, die Schutzmaßnahmen zu ermitteln und dies zu dokumentieren (§§ 5 und 6 JArbSchG).
Zusätzlich verlangt die Betriebssicherheitsverordnung (§ 3 BetrSichV) eine Gefährdungsbeurteilung für die sichere Bereitstellung und Benutzung der Arbeitsmittel. Überdies sind Befähigte Personen mit der Prüfung oder Erprobung von Arbeitsmitteln zu beauftragen. Für die Beschäftigten sind nur geeignete und sichere Arbeitsmittel bereitzu-stellen; zumindest sind Gefährdungen so gering wie möglich zu halten (§ 4 BetrSichV). Damit obliegt den Führungskräften ein weites Regelungsfeld mit zahlreichen möglichen Fehlerquellen. Die rechtzeitige Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist Sache aller Ebenen.
Die Unterweisung, sie mit Leben zu füllen und so auszugestalten, dass die Beschäftigten die Inhalte auch verstehen, ist in erster Linie Sache des unmittelbaren Vorgesetzten.
Unterweisung: Eine Notwendigkeit?
Nach § 12 Absatz i des Arbeitsschutzgesetzes hat die Unterweisung vor Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung zu erfolgen. Dies gilt selbstverständlich bei der Einstellung, aber auch bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie. Damit verlangt diese Bestimmung von der Arbeitgeberseite mit ihren Führungskräften, die Beurteilung der Arbeitsbedingungen und die daraus abzuleitenden Unterweisungen ständig zu überprüfen und anzupassen. Unabhängig davon sind Unterweisungen regelmäßig zu wiederholen. Die eigenverantwortliche Vorausschau des Arbeitgebers reicht weit.
Dazu zählen auch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, die richtige Einordnung einer Instandsetzungsmaßnahme, das Zusammenarbeiten mit Fremdfirmen, die Einordnung langer Arbeitszeiten, die Gewährleistung notwendiger Glieder in der Rettungskette und nicht zuletzt das Erkennen von Veränderungen bei den Mitarbeitern (Krankheit, Sucht) sowie die Anpassung der Arbeitsbedin-gungen für ältere Beschäftigte.
Wer kann helfen?
Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) regelt die Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit. Diese Experten unterstützen ohne eigenes Weisungsrecht den Arbeitgeber bei Maßnahmen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes, zum Beispiel bei der Gefährdungsbeurteilung und der Unterweisung.
Doch Vorsicht! Auch durch ihre Bestellung verlagert sich die Verantwortung für Arbeitssicherheit nicht. Wird ein Vorschlag eines Betriebsarztes oder einer Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht umgesetzt, können sie eine schriftliche Begründung verlangen (§ 8 Abs. 3 ASiG).
Dadurch entlasten sie sich und können mit der Ablehnung später bei Bedarf belegen, dass der Arbeitgeber trotz Hinweises auf ein Sicherheitsrisiko anders entschieden hatte.
Wer haftet?
Vorwerfbare Fehler führen zu strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Dabei muss Vorsatz vorliegen, der Wissen und Wollen erfordert. Nicht vorsätzlich handelt, wer noch begründet hoffen kann, dass nichts passiert.
Wer allerdings bei Gefahr im Verzug nur auf sein Glück vertraut, der gerät in die Nähe des Vorsatzes. Grob fahrlässig handeln Führungskräfte, die die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße nicht beachten. Mittlere und leichte Fahrlässigkeit kosten meist nur Geld.
Grob fahrlässiges Verhalten kann mit Gefängnisstrafe geahndet werden!
Problematisch wird es etwa, wenn ein Mitarbeiter trotz ausreichender Unterweisung entgegen den Vorgaben zum Beispiel eine Sicherungsvorrichtung an einer Maschine überbrückt oder eine persönliche Schutzausrüstung nicht benutzt und die Führungskraft dies nicht abstellt.
Ereignet sich wegen des unterweisungswidrigen Verhaltens ein Unglück, kann sich die Führungskraft zwar auf eine eigenverantwortli-che Selbstgefährdung des Opfers berufen.
Dieser Verteidigungsansatz bleibt indes erfolglos, wenn die Führungskraft gegenüber dem Mitarbeiter ein überlegenes Wissen hat. In diesen Fällen muss die Führungskraft einschreiten.
Und wenn doch etwas passiert?
Der Geschädigte kann grundsätzlich keinen Schadensersatz von der Führungskraft verlangen, weil die gesetzliche Unfallversicherung dem Verunglückten und seiner Familie hilft.
Der Unfallversicherungsträger kann allerdings den Arbeitgeber oder die Führungskraft in Regress nehmen, wenn sie sich grob fahrlässig verhalten haben.
faktor arbeitsschutz Dr. Klaus Gregor,
Vorsitzender Richter am Landgericht Würzburg
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