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Für NKF jedes Schlagloch katalogisiert

"Wir haben uns zunächst mit allen Kommunen zusammengesetzt"

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284 000 Euro wird die Gemeinde Erndtebrück ihr Hallenbad im Jahr 2007 kosten. Die Dreifachturnhalle schlägt sich mit 136 000 Euro im Haushalt nieder. Solche genauen Zahlen, in denen alle Positionen inklusive der Personalkosten enthalten sind, gibt es in der kleinen Kommune erst seit das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) eingeführt ist und der Haushalt sich wie die Bilanz eines Wirtschaftsunternehmens liest. Erndtebrück ist die erste Kommune in Wittgenstein und die zweite kreisweit, die die Umstellung auf sich genommen hat.

Zwei Jahre hat die Verwaltung Schwerstarbeit geleistet. "Die Einführung des NKF musste schließlich neben der normalen Verwaltungsarbeit vorbereitet werden", lobt Bürgermeister Karl-Ludwig Völkel die Verwaltungsmannschaft - allen voran Petra Göbel vom Fachbereich 2, die neben Kämmerer Thomas Müsse maßgeblich an der Umsetzung beteiligt war.

Petra Göbel erinnert sich noch gut an die Anfänge. "Wir haben uns zunächst mit allen Kommunen zusammengesetzt, um die Problematik zu erörterrn, dann mit einem kleineren Kreis. Aber es hat sich schnell gezeigt, dass zu diesem Zeitpunkt unterschiedliche Zielsetzungen vorhanden waren. Manche Kommunen wollten das NKF erst später umsetzen. Aber wir wollten bei den ersten sein".

Keine Erfahrungswerte Auf Erfahrungswerte konnte die Erndtebrücker Verwaltung deshalb nicht bauen. Und schnell zeigte sich, dass die Gesetzesvorgaben nicht in allen Punkten ausreichend waren. "Es gab viel zu viel Freiräume", sagt Petra Göbel. "Wir mussten vieles selbst entscheiden." Deshalb habe man auch auf eine externe Beratungsfirma zurückgegriffen, die in Wenden und Olpe schon Erfahrungen mit NKF gesammelt hatte. "Wir mussten auch eine Softwareauswahl treffen und haben uns verschiedene Produkte angesehen."

Dann freilich fing die Arbeit erst richtig an. Denn Voraussetzung für die neue Haushaltsführung ist zunächst einmal eine Bestandsaufnahme.

Jede Straße vermessen Die Kollegin vom zuständigen Fachbereich sei eineinhalb Jahre unterwegs gewesen, um jede Straße zu vermessen, erinnert sich Petra Göbel. Denn auch Straßen gehören natürlich zum Gemeindevermögen. Und die müssen auch bewertet werden - je nachdem in welchem Zustand sie sind. Mit rund 18 Millionen Euro schlägt sich das gemeindliche Straßennetz jetzt in Euro und Cent nieder. Positiver Nebeneffekt des Sisyphusarbeit: "Wir haben jetzt ein Straßenkataster, in dem jedes Schlagloch auftaucht."

Aber nicht nur die Straßen, die gesamte "Betriebs- und Geschäftsausstattung" der Gemeinde musste inventarisiert und bewertet werden - beispielsweise das Mobiliar der Schulen bis auf den letzten Stuhl, jeder Schutzanzug oder Helm der Feuerwehr und jeder Schreibtisch im Rathaus. "Das Allerschwierigste", sagt Petra Göbel, "war aber die Bewertung aller Landes- und Bundeszuschüsse, die die Gemeinde in den letzten 20 Jahren erhalten hat. Die mussten den entsprechenden Vermögensgegenständen zugeordnet und im Verhältnis der Abschreibung ebenfalls abgeschrieben werden. Das hat uns sehr lange aufgehalten."

Ein sicheres Fundament und weitreichende Kenntnisse in Sachen NKF kann die Gemeinde Erndtebrück jetzt vorweisen. Abgeschlossen ist der Prozess aber noch lange nicht. Und ein Stück Mehrarbeit wird auch bleiben. Kämmerer Thomas Müsse: "Der Aufwand ist wegen der Anlagenbuchhaltung unheimlich hoch." Schließlich gibt es jetzt auch bei der Gemeinde am Jahresende Inventur und einen Jahresabschluss.

Grundsätzlich, da sind sich alle Beteiligten sicher, überwiegen aber die Vorteile gegenüber dem alten System, der kameralistischen Buchführung. "Man hat jetzt eine viel bessere Übersicht und klarer vor Augen, was in der Gemeinde machbar ist", freut sich Bürgermeister Karl-Ludwig Völkel. "Da wird dann nicht mehr so leicht gesagt, lass das mal den Bauhof machen, weil man genau sieht, was der entsprechende Einsatz kostet. Damit ergibt sich eine ganz andere Wertediskussion."

Die muss künftig in der Politik geführt werden - und zwar nicht mehr über Posten wie Zeitschriften oder Telefonkosten in der Verwaltung, an denen sich früher gern Diskussionen über Kleinsummen entzündeten, sondern über generelle Zielsetzungen. Thomas Müsse: "Der erste Schritt ist NKF, der zweite eine Zielvereinbarung, was sich die Gemeinde leisten will."

Dass viele Konten ausgewiesen sind, an denen sich Diskussionen ergeben, ist auch dem Bürgermeister klar: "Wir wissen jetzt beispielsweise, dass die Rentenberatung die Gemeinde 15 700 Euro jährlich kostet. Da muss sich der Rat fragen, ob wir uns das leisten wollen und wir müssen über Alternativen sprechen." Und bei vielen Konten müsse auch diskutiert werden: "Wie mache ich das günstiger?"

Gesetzgeber gefordert Gedanken machen muss sich allerdings auch noch der Gesetzgeber: Denn das bisherige Abschreibungsverfahren mündet selbst bei einnahmestarken Kommunen dauerhaft im finanziellen Desaster, weil dort auch nicht rentierliche Bereiche eingerechnet werden müssen.

Im Fall des ersten Erndtebrücker NKF-Haushalts führt das zu über einer Million Euro ungedeckter Abschreibung und einem Defizit von 800 000 Euro. Ohne dieses Problem ergäbe sich ein Plus von 200 000 Euro.

Wenig logisch ist das System schon deshalb, weil man die entsprechenden Anlagewerte nicht veräußern kann. "Wer kauft schon ein Rathaus oder eine Straße?", fragt der Bürgermeister. Und Einnahmen kann man daraus auch nicht erzielen - "es sei denn wir würden Maut erheben."

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