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Workwear für alle: Aussehen wie die Handwerker

Arbeitskleidung ist in. Und das auch im Alltag. Doch welche Gründe hat die Popularität der Workwear? Bauhof-online.de hat nachgeforscht.

Lesedauer: min | Bildquelle: Hersteller
Von: Tim Knott

In einer Liste erfolgreicher Mode-Influencer wird Dr. Klaus Märtens wahrscheinlich niemals auftauchen. Und das, obwohl seine Erfindung sich immer noch einer großen Beliebtheit erfreut. Keine Selbstverständlichkeit, immerhin ist diese mittlerweile fast 80 Jahre alt.

Denn während sich Deutschland von den Folgen des Zweiten Weltkrieges erholte, schusterte Märtens aus geplündertem Leder und Gummi-Restbeständen der Luftwaffe seine Vision besserer Arbeitsschuhe zusammen: Einen Sicherheitsstiefel mit luftgefüllter Sohle. Unter dem Namen „Doc Martens“ fanden die Schuhe Jahrzehnte später ihren Weg nach Großbritannien. Neben Industrie und verarbeitendem Gewerbe waren es aber vor allem die Jugendbewegungen, die die Stiefel für sich entdeckten. Durch Punk-Ikonen, wie den „Sex-Pistols“-Sänger Johnny Rotten wurden die „Docs“ zu mehr als nur einfachen Produkten – sie wandelten sich zu einem Symbol der Arbeiterklasse und derer, die sich mit ihr solidarisierten.

Durch diese Bewegung und den Anti-Establishment-Gedanken, der mit den „Docs“ verbunden war, wurden die Schuhe in der allgemeinen Wahrnehmung immer weniger mit dem assoziiert, wofür sie ursprünglich hergestellt worden waren. In jüngster Zeit hat sich die Traditionsmarke mit Sitz in London jedoch deutlich auf ihre Abnehmer in der Modewelt konzentriert. Zwar existierte auch ein Arbeits- und Sicherheitssortiment, dieses wird jedoch nicht mehr von Doc Martens vertrieben. Stattdessen hat das Unternehmen rutschfeste Schuhe und Stiefel kreiert. Anwendungsgebiet laut Beschreibungstext: „für Arbeit und Freizeit“.


Ähnliche Workwear – ähnliche Entwicklungen

Eine vergleichbare Entwicklung haben auch die beiden US-Traditionsmarken Carhartt und Dickies durchlaufen, die in ihren Anfangstagen für solide und vor allem kostengünstige Arbeitsschutzbekleidung standen. In den 1990er-Jahren erfuhr die Außenbetrachtung beider Marken allerdings einen deutlichen Wandel, als die Hip-Hop-Szene diese für sich entdeckte. Bald war kein Konzert ohne die ikonischen Brands mehr vorstellbar, und auch abseits der Szene nahm die Popularität zu. Mittlerweile sind beide Marken weniger für Sicherheitskleidung, sondern mehr für sogenannte Streetwear bekannt.

Trotz dieses Hypes ist das Arbeiterklassen-Image aber geblieben. Im Falle Carharrt sogar so ausgeprägt, dass sich eine ganze Reihe an US-Politikern – allen voran Barack Obama – mit den (Alltags-)Jacken des Unternehmens zeigten, um eine Verbindung zu ihren Wählern der Arbeiterklasse herzustellen. Und dieser Trend geht stetig weiter, denn Workwear ist nach wie vor beliebt.

Ewige Solidarisierung

Auch 40 Jahre nach der Hochphase des Punks ist die Solidarisierung mit der Arbeiterklasse noch nicht vorbei. Bei einem Spaziergang durch die Innenstädte entsteht fast schon der Eindruck, dass der Fachkräftemangel der Baustellen-Berufe bezwungen ist. Genauer hingeschaut, stellt sich heraus, dass die Mehrzahl der zur Schau gestellten Arbeitshosen fast fabrikneu aussehen und bei den wenigsten davon Zollstöcke in den dafür vorgesehenen Taschen stecken.

Der gegenwärtige Trend hin zur Arbeitskleidung hat zum einen pragmatische, zum anderen individuelle Gründe: Denn während Arbeitskleidung eine robuste Alternative darstellt, deren Designs immer alltagstauglicher werden, bietet die Kleidung auch einen weiteren Mehrwert. Ähnlich wie Mode, die dem Military- oder Outdoor-Bereich entlehnt ist, wird mit der Handwerker-Kleidung Kompetenz und physische Stärke assoziiert. Dazu kommt außerdem eine Do-it-Yourself-Mentalität der jüngeren Generationen, die das Selbstgemachte hochhält und deswegen an Handwerkern und deren Kleidung Gefallen gefunden hat. Daher ist der Griff zur Arbeitshose keine Seltenheit, immerhin tragen Handwerker sie auch selbst in ihrer Freizeit.

Warum das so ist, erklärt Markus Gotthardt, Digital Sales Manager bei Fristads: „Das sind Überschwapp-Effekte am Ende des Arbeitstages. Man ist nach Feierabend zum Grillen verabredet, geht jetzt aber nicht nochmal nach Hause, um seine Hose zu wechseln.“ Außerdem identifizierten sich Handwerker wieder mehr mit ihren Berufen und trügen die Berufsbekleidung als Symbol auch außerhalb der Arbeit, so Gotthardt weiter. Für Søren Boysen, Vertriebsleiter des dänischen Workwear-Herstellers F.E. Engel, ist das allerdings auch ein weiterer Beweis für den Tragekomfort des aktuellen Angebotes: „Vor 30 Jahren war Berufsbekleidung entweder aus Baumwolle oder Polyester und es gab drei Farben.“ Nachvollziehbarerweise war das Interesse der Mitarbeiter, mit dieser Kluft im Alltag gesehen zu werden, begrenzt.

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Steigender Workwear-Trend

Heute hat sich das aus mehreren Gründen geändert. Zum einen erwarten Firmen einen modischen Schnitt in der Corporate Fashion, denn die Angestellten sind immerhin ein Aushängeschild des Unternehmens. Entsprechend sportlich und schick sollte das Ganze aussehen. Zum anderen ist eine höhere Materialvielfalt vorhanden, deshalb stellen die Kunden auch andere Ansprüche an ihre Kleidung. Atmungsaktivität, hohe Abriebfestigkeit und Stretch-Funktionen sind gefragt. Hier findet sich ein weiterer Aspekt, der die Popularität der Kleidung erklärt, denn die neuen Klamotten sind vom Anforderungskatalog her vergleichbar mit Outdoor-Kleidung, die ihrerseits einem ähnlichen Trend unterliegt. Kein Wunder also, dass Fristads neben ihrer Workwear-Linie auch eine eigene Outdoor-Kollektion gestartet hat. Dort hören die Reaktionen des Unternehmens auf Trends allerdings auch schon auf.

Anders geht Engelbert Strauss mit dem Thema um. Die entsprechende Arbeitskleidung erfreut sich einer großen Beliebtheit – und das in hohem Maße berufsunabhängig. Für Henning Strauss, CEO und Markenchef von Engelbert Strauss, ist dies Ausdruck des „Kult-Status“, den die Marke erreicht hat: „Wir haben sehr viele Fans, die die Kleidung eben nicht nur im klassischen beruflichen Umfeld bevorzugen, sondern auch in ihrer Freizeit. Unsere Produkte tragen mittlerweile nicht nur Handwerker, Arbeiter oder Gärtner, sondern auch Studenten und Büroleute, Männer, Frauen oder Kinder.“

Und auf diese Gruppe zielen auch die öffentlichkeitswirksamen Aktionen des Unternehmens ab. Neben einer Zusammenarbeit mit dem FC Bayern München stattete Engelbert Strauss 2019 die Crew der Heavy Metal-Band Metallica mit entsprechender Workwear aus und hat darüber hinaus auch Pläne, „Partnerschaften im Bereich Entertainment“ einzugehen. Den Trend auch abseits der Baustellen-Berufe zu etablieren, scheint dabei erklärtes Ziel zu sein, denn das Wachstum des Marktes wird in diesem Jahr nicht verebben, sondern sich eher verstärken.

Einzig die Frage, welches Produkt die Doc Martens als Workwear-Ikone des 21. Jahrhunderts ablösen wird, liegt noch im Dunkeln. Ob die Stiefel in Zukunft immer noch als subversives Symbol der Arbeiterklasse gelesen werden, ist ebenso fraglich. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Hersteller vor einem Jahr seinen Börsengang vollzogen hat – das Establishment lässt grüßen.

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