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Werner Wössner: „Mein Wunsch ist, dass die Firma als Familienunternehmen auch in der dritten Generation erfolgreich ist“

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Von: Michael Loskarn

Bei der MULAG Fahrzeugwerk Heinz Wössner GmbH & Co. KG steht seit jeher die Lösung von Aufgaben der Kunden im Fokus. Auch nach 66 Jahren ist dies die oberste Maxime der rund 330 findigen Schwarzwälder Köpfe. Im Interview schildern Werner Wössner und Uwe Meißner, weshalb dies so ist.

Ein äußerst kreativer Tüftler muss er gewesen sein, dieser Heinz Wössner, der Anfang der 1950er-Jahre beschließt, landwirtschaftliche Fahrzeuge herzustellen. Sein Ziel: Die extrem harte Arbeit der Bauern in und um Bad Peterstal – im Herzen des Schwarzwalds gelegen – zu erleichtern. Mit Dreirad-, danach Vierrad-Fahrzeugen – sogenannte „Motor Universal Lasten-Arbeitsgeräte“, kurz MULAG – startet der Kraftfahrzeugmechanikermeister am 1. August 1953 das Unternehmen. Aufgrund der Sättigung des landwirtschaftlichen Schleppermarktes diversifiziert der Fahrzeughersteller ab den 1970er-Jahren in Richtung Flughafenvorfeldfahrzeuge und Straßenunterhaltungsgeräte. In diesen Geschäftsbereichen zählt das Unternehmen zwischenzeitlich in Europa zu den Marktführern. Im Gespräch mit dem Sohn des Gründers, dem heutigen Eigentümer und Geschäftsführer, Werner Wössner, sowie mit Geschäftsführer, Uwe Meißner, hat Bauhof-online.de auf der demopark erfahren, wie viel technischer Tüftlergeist à la Heinz Wössner heute noch in den Fahrzeugen und Geräten steckt, welchen Stellenwert der „orange Kommunal-Bereich“ bei MULAG genießt, bzw. wie die Zukunft des Unternehmens gestaltet werden soll.

1953 begann alles in Bad Peterstal im Schwarzwald mit dem Dreirad DL-6. Auch nach mehr als 65 Jahren ist das Unternehmen noch familiengeführt. Welche Rolle spielen Werte bei MULAG?

Werner Wössner: Mein Vater hat am 1. August 1953 das Unternehmen gegründet. Ich selbst bin, nach dem Abschluss meines Maschinenbaustudiums in Karlsruhe, seit 1979 in der Firma. Vielleicht hätte ich noch ein paar Jahre woanders hingehen sollen, aber so war es damals: „Sohn, ich brauch‘ dich dringend in der Firma“ hieß es. Heute habe ich drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, die alle in der Firma sind. Bereits seit 6 Jahren ist mein ältester Sohn, Holger, dabei. Auch er hat Maschinenbau studiert – und BWL. Sein Bruder Ralf ist ebenfalls studierter Maschinenbauer und legt derzeit noch den Master in BWL nach. Anke, meine Tochter, arbeitet im Sekretariat. Auch meine Frau Sieglinde arbeitet in der Firma, wo ich sie einst als Auszubildende kennengelernt habe. Wir haben es geschafft, unsere Kinder zu motivieren, das Unternehmen weiterzuführen. Schon als sie noch klein waren, habe ich sie sonntagmorgens bei meinem Rundgang durch die Firma immer mitgenommen und alle ihre neugierigen Fragen beantwortet. Vielleicht haben sie deshalb schon damals als kleine Kinder den Geist des Unternehmens aufgenommen.

Uwe Meißner: Familientradition ist bei MULAG nicht aufgesetzt, sondern wird absolut authentisch gelebt – insbesondere vorgelebt durch die Familie Wössner. Auch die Bindung der Mitarbeiter untereinander gleicht einer Unternehmensfamilie – die MULAG-Familie. Mitarbeiter und Unternehmen halten zusammen, denn es gibt immer wieder herausfordernde Situationen.

Wie viel „Motor Universal Lasten-Arbeitsgerät“ steckt heute noch in den Produkten?

Meißner: Ich würde sagen, da steckt noch extrem viel davon drin. Wenn man auf die Ursprünglichkeit der Technik geht, dann natürlich nicht. Aber wenn ich das Thema von der praxisbezogenen Ausführung der Maschinen her – vom Anwendungsbezug – betrachte, dann schon. Wir schauen immer auf die Anwendung: Was will der Kunde mit der Maschine machen? Womit verdient der Unternehmer sein Geld? Wie erledigt die Gemeinde ihr Geschäft? Hierfür gilt es dann, eine praktikable Lösung zu finden, die robust und haltbar ist und immer eine hohe Verfügbarkeit hat. Das ist schon eine Gemeinsamkeit mit dem ersten Motor-Dreirad von 1953.


Neben dem Bereich Flughafenvorfeldfahrzeuge sind Sie auch im Bereich Straßenunterhaltungsgeräte tätig. Welchen Anteil macht dieser „Kommunalbereich“ am Gesamtumsatz aus?

Meißner: Bisher haben wir rund 50 Prozent des Umsatzes – inklusive des Ersatzteilgeschäftes – mit dem Kommunalbereich erwirtschaftet. Das Kommunalgeschäft trägt deutlich mehr zum Servicegeschäft bei. Die Geschäftsbereiche ergänzen sich technisch und glätten so ungleichmäßige Auslastungen im Werk.

Wössner: Es ist ein Markenversprechen, viele Teile innerhalb von 24 Stunden zu liefern. Die Ersatzteilhaltung genießt schon seit vielen Jahren einen hohen Stellenwert bei uns. Unsere Maschinen sind so ausgereift und wertstabil, da ist es für den Kunden wichtig, dass er auch nach 15 Jahren noch die entsprechenden Teile erhält

Meißner: Sowohl die Bauwirtschaft als auch die Agrarwirtschaft haben in den vergangenen zwei Jahren stark geboomt. Dies hat im Zuliefererbereich ernsthafte Engpässe hervorgerufen. An uns lag es nicht. Wir hatten zwar auch Schwierigkeiten, unsere Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, aber die Lieferzeiten wurden maßgeblich durch die Wiederbeschaffungszeiten von Komponenten bestimmt. Beispiel Hydraulik: Ein halbes Jahr Lieferzeit auf eine Pumpe, das ist natürlich untragbar, deshalb haben wir sehr viele Teile namhafter Hersteller bei uns am Lager.

Welchen Stellenwert genießt der Kommunal-Bereich bei MULAG, wenn es um Forschung & Entwicklung (F&E) geht?

Wössner: Es wird enorm in diesen Bereich investiert – rund zehn Prozent des Umsatzes. Zusätzlich arbeiten wir beispielsweise mit Fachhochschulen und verschiedenen Instituten zusammen.

Meißner: Es sind zum Teil auch Forschungsprojekte, an denen wir teilnehmen. Da geht’s um Themen wie autonomes Fahren im Flughafenbereich. Generell befassen wir uns mit Themen, die im Mittelstand nicht vermutet werden. Im Kommunal-Bereich weisen unsere Maschinen einen hohen Grad an Automatisierung auf. Es können ja bis zu drei Auslegersysteme auf einem Fahrzeug montiert werden. Das funktioniert natürlich nur mit Unterstützung – neudeutsch: Assistenzsysteme. MULAG war in diesem Zusammenhang Erfinder der m|tronic.

Wössner: Hier handelt es sich um entsprechendes Steuerungs-Know-how: Fahrzeuginformationen, Geländeinformationen sowie Informationen aus der Maschine erzeugen die Steuerbefehle. Das ist unser Know-how, hier investieren wir entsprechend, um dies auch weiterzuentwickeln und um vorne dabei zu sein. Aber immer mit dem Blick, nicht das Feld als Versuchsträger zu benutzen, sondern ausgereifte Technik auf den Markt zu bringen. Die Logik, die hinter diesen komplexen Steuerungen steckt, das ist eine unserer Kernkompetenzen.

Was sind Ihre technischen Highlights im Bereich Straßenunterhaltungsgeräte?

Wössner: Das ständige Streben nach Effizienz: Also, wie können die Arbeiten noch effizienter erledigt werden? Wie können die Mitarbeiter, die auf den Maschinen sitzen, so unterstützt werden, dass unsere Geräte deren Anforderungsprofilen voll gerecht werden? Leicht von der Hand gehen, muss es den Anwendern von der Bedienung her einfach sein und letztlich mehr oder weniger auch Spaß machen.

Meißner: Kurz gesagt: Highlight ist bei MULAG, eine optimale Lösung unter Einbeziehung der Gegebenheiten bzgl. Sicherheit und Anwendung bieten zu können – und zwar unter Beachtung der rechtlichen Normen. Dies findet sich in der Software sowie in der Ausführung der Maschine wieder, also in der kompletten Steuerung sowie im Stahlbau, um letztlich die Abläufe in der Bedienung sicher zu machen. Ziel ist es zudem, diese Abläufe aus Sicht des Anwenders immer auch wirtschaftlicher zu gestalten. Im Moment befinden sich unsere technischen Highlights klar auf der Steuerungsseite.

An welchen Neuerungen arbeiten Sie derzeit, die kurz vor der Marktreife stehen?

Wössner: Wir haben schon ein paar Ideen im Kopf, speziell wenn es um die Sicherheit geht. Daran arbeiten wir auch aktuell. Aufgrund der Sicherheitsanforderungen der Bahn sind zum Beispiel unsere Bahngeräte komplett anders, als jene für den Kommunaleinsatz, und zwar was die Steuerung sowie die Sensorik betrifft. Beim Bahngerät handelt es sich um eine Basismaschine auf Unimog mit Zweiwegeeinrichtung. Will heißen: Das Fahrzeug kann sich auf der Schiene als auch auf der Straße fortbewegen. Hintergrund: Unsere neuen Mähwerke haben eine neue Steuerung, die den erhöhten Sicherheitsvorgaben für den Betrieb auf Eisenbahnstrecken gerecht wird. Auch das Thema Reinigen und Tunnelwaschung wird stark vorangetrieben, und zwar weltweit. Wir liefern bis Asien, Singapur, Dubai oder in die USA. Außerdem haben wir eine wechselbare Wascheinheit entwickelt, die autark arbeitet und auf jeden Lkw gesetzt werden kann. Wir sind somit in der Lage, unsere Maschinen getrennt vom Fahrzeugumbau zu fertigen. Denn in Deutschland nutzen wir andere Trägerfahrzeuge als die Japaner oder Amerikaner. Dadurch können wir unsere Technik auf einer relativ breiten Fahrzeugpalette verbauen. In Sachen Antriebe ist die Wasserstoff-Brennstoffzelle aktuell am Flughafen Hamburg im Testeinsatz. Auch Batterieelektrische Antriebe sind derzeit im Einsatz. Dennoch ist momentan kein klarer Trend erkennbar.

Meißner: Und, banal aber nicht trivial: Gras muss gemäht werden, oftmals liegen jedoch Benzinkanister, Lkw-Felgen oder Metallteile im Gras, das kann gefährlich werden. Diese Dinge gilt es zukünftig zu erkennen. Man braucht hierfür eine sinnvolle sensorische Lösung. An solch einem Forschungsprojekt haben wir teilgenommen. Es geht darum, mit welchen physikalisch-technischen Eigenschaften kann ich quasi durchs Gras durchgucken? In der Zukunft können wir diese Dinge im Gras und – vorausschauend – als auch den Geländeverlauf erkennen. Das ist wirklich absolute Hightech. Wenn man da weiterdenkt, können Zustände erfasst werden wie beispielsweise Kartierungen zu Straßenschildern, Leitpfosten, Grenzsteine oder Kanaldeckel. Wenn ich das alles weiß, kann ich natürlich auch vorausschauend die Maschine steuern. Hier wird die Entwicklung der Zukunft ansetzen, um den Anwender zu unterstützen. Dies alles funktioniert selbstredend nur mit Mitarbeitern, die das Unternehmen verstehen, die die Aufgabenstellungen im Unternehmen verstehen und die die Aufgabenstellungen der Kunden verstehen: Das ist dieses MULAG-Blut. Im Gegenzug bieten wir den Mitarbeitern auch ein interessantes Umfeld: mit großer Verantwortung und großem Handlungsspielraum.

Wo werden mittelfristig Ihre Investitionsschwerpunkte liegen – in Bezug auf den „orangen Bereich“?

Meißner: Fehlende räumliche Kapazitäten stehen derzeit unserem Wachstum entgegen. Außerdem schränkt diese Problematik auch die Vielfältigkeit unserer Produkte ein, da sich unsere Fahrzeuge kaum in Linie fertigen lassen. Daher werden wir räumlich expandieren.

Wössner: Die Übergangszeit, bis in einem neuen Werk produziert werden kann, bleibt spannend. Mit wachsendem Umsatz brauchen wir auch mehr Produktionsfläche. Daher haben wir in eine 71.000 Quadratmeter große Gewerbefläche investiert.

Welche Visionen haben Sie vor Augen, wenn es um die Zukunft von MULAG geht?

Wössner: Mein Wunsch ist, dass die Firma auch unter Führung der dritten Generation als Familienunternehmen erfolgreich weitergeführt wird.

Meißner: Wir sind Technologie- und Qualitätsführer in beiden Bereichen. Das wollen wir bleiben und zusätzlich unsere Stärke im Markt ausbauen. Ob das eine Vision ist, sei dahingestellt, aber es ist ganz klar die strategische Ausrichtung.

Fakten zum MULAG Fahrzeugwerk

    Anzahl der Mitarbeiter: 330
    Geschäftsführer: Werner und Holger Wössner sowie Uwe Meißner
    Sitz: Oppenau (Unternehmenssitz, Werk II); Gründungsstandort: Bad Peterstal-Griesbach (Werk I); eine weitere Produktionsstätte entsteht in Appenweier
    Gründung: 1953

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