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UNFALLVERHÜTUNG Arbeits- und Schutzgerüste sicher nutzen

In Deutschland ereignen sich jährlich etwa 5.800 Stürze von Gerüsten. Einige Verunfallte erleiden tödliche Verletzungen. Grund genug, sich mit der Absturzgefahr von Gerüsten näher zu beschäftigten.

Lesedauer: min | Bildquelle: Markus Tischendorf
Von: Markus Tischendorf

Grundlagen des Gerüstbaus

Gerüste sind vorübergehend errichtete Baukonstruktionen veränderlicher Länge, Breite und Höhe, die an der Verwendungsstelle zusammengesetzt und nach ihrer Verwendung vor Ort wieder auseinandergenommen werden. Es wird zwischen Arbeits- und Schutzgerüsten unterschieden.

Arbeitsgerüste tragen Personen, Werkzeuge und Material. Personen können auf ihnen Arbeiten in großen Höhen erledigen. Fang- und Dachfanggerüste werden als Schutzgerüste bezeichnet, die Personen gegen Absturz schützen. Ebenso Schutzdächer, die vor herabfallenden Gegenständen schützen.

Arbeits- und Schutzgerüste unterliegen den Anforderungen der TRBS 2121 Teil 1 „Gefährdungen von Personen durch Absturz – Bereitstellung und Benutzung von Gerüsten“. Errichtet werden dürfen Gerüste nur unter Aufsicht einer fachkundigen Person, zum Beispiel einem Gerüstbau-Montageleiter. Es liegt in seiner Verantwortung, eine Montageanweisung und einen Plan für den Gebrauch zu erstellen. Unter Beachtung der Aufbau- und Verwendungsanleitung (AuV) des Herstellers erfolgt die Gerüstmontage durch ausgewiesene Fachkräfte (gelernte Gerüstbauer). Der Beruf des Gerüstbauers ist seit 1991 ein anerkannter Ausbildungsberuf. Im Jahr 1998 wurde dieser als Vollhandwerk in die Handwerksordnung eingetragen. Nach ihrer Errichtung sind Gerüste einer Abnahme zu unterziehen. Hierzu prüft eine befähigte Person das Gerüst auf Betriebs- und Arbeitssicherheit. Ist es vollständig und sicher, erfolgt die Kennzeichnung und Freigabe des Gerüstes durch den Errichter.

Gerüstnutzung durch verschiedene Gewerks-Fachleute

In der Regel werden Gerüste auf Baustellen für verschiedene Gewerke erstellt. Teilweise arbeiten die Fachleute der verschiedenen Gewerke sogar zeitgleich auf dem Gerüst zusammen. Durch Koordinierung der Tätigkeiten ist die gegenseitige Gefährdung auszuschließen. Leider kommt es regelmäßig auch vor, dass Beschäftigte Gerüstumbauten vornehmen, beispielsweise um Material anzureichen oder Bauarbeiten am eingerüsteten Objekt leichter durchführen zu können. Dadurch verliert jedoch die Gerüstkonstruktion ihre Schutzwirkung, das Unfallrisiko steigt. Deshalb hat der Gesetzgeber reagiert: Jeder Nutzer ist verpflichtet, Arbeits- und Schutzgerüste vor dem erstmaligen Gebrauch durch eine Inaugenscheinnahme zu kontrollieren. Dies betrifft jedes einzelne Gewerk. Zu dokumentieren ist die Gerüstkontrolle außerdem – meist in Form einer Checkliste. Eigenständige Veränderungen am Gerüst vorzunehmen, ist übrigens verboten. Sind Umbauten erforderlich, ist der Gerüstersteller hierüber zu informieren und zu beauftragen. Unzulässig ist der Ausbau insbesondere von Gerüstbelägen, Seitenschutzbauteilen, Leitern und Verankerungen. Zusätzlich dürfen Aufzüge, Schuttrutschen, Netze oder Planen durch den Gerüstnutzer nicht eigenmächtig angebaut werden. Mithilfe des „Plans für den Gebrauch“ sind alle Beschäftigten des Gerüstnutzers vor Arbeitsaufnahme entsprechend zu unterweisen.


Standsicherheit von Gerüsten kontrollieren

Der Gerüstnutzer kann die Standsicherheit eines Gerüstes nur bedingt beurteilen. Jedoch ist er in der Lage, nach durchgeführter Unterweisung augenfällige Gerüstmängel zu erkennen und diese seinem Vorgesetzten zu melden. Fehlerhafte Arbeits- und Schutzgerüste dürfen nicht bestiegen werden. Erst nach Beseitigung der Mängel können die geplanten Arbeiten begonnen bzw. fortgesetzt werden.

Vor dem Besteigen eines Gerüstes durch Beschäftigte ist zusätzlich auf die ordnungsgemäße Gründung zu achten:

  • Sind an den Ständern überall Spindelfüße vorhanden?
  • Stehen alle Ständer / Spindelfüße auf sogenannten Lastverteilern (z.B. Holzbohlen)?

Denn der Untergrund am Aufstellort muss in der Lage sein, die senkrecht wirkenden Lasten aufzunehmen. Das Aufstellen der Gerüstständer auf nicht tragfähigen Einrichtungen wie Gitterrosten, Abdeckungen von Schächten usw. ist gefährlich – das Gerüst kann einstürzen.

Bei Fassadengerüsten ist eine ausreichende Anzahl von Ankern erforderlich. Sie bestehen aus Ringösenschrauben, die mit Spreiz- oder Langschaftdübeln in den Verankerungsgrund eingeschraubt werden. Tragfähige Verankerungsgründe sind Betondecken, Wände und Stützen aus Stahlbeton sowie tragendes Mauerwerk. Der freie Randabstand der Ringösenschrauben beträgt mindestens zehn cm.

Mauerwerk besitzt eine geringere Festigkeit als Stahlbeton. Um Abplatzungen des Mauerwerkes zu vermeiden, sollte der Randabstand der Schrauben hier 20 bis 40 cm betragen. Die Ringösenschrauben müssen zudem in den Stein oder in die Lagerfuge des Mauerwerks eingebracht werden (nicht in die Stoßfugen). Eine Gerüstbefestigung an Blitzableitern, Fallrohren und Regenrinnen mit Seilen oder Rödeldraht ist verboten.

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Rutschen auf Verkehrswegen und Arbeitsplätzen vermeiden

Gerüstbeläge sollten aus Systembauteilen des Herstellers bestehen. Zur Anwendung kommen häufig tragfähige Gerüstbeläge aus Stahl und Holz. Gerüstbohlen aus Holz gelten wegen ihrer schnittrauen Oberfläche als rutschhemmend. Gerüstbeläge aus Stahl verfügen dagegen über eine perforierte Oberfläche, sodass ein Ausrutschen bei Regen oder Eisglätte verhindert wird. Strukturen wie Loch- oder Streckgitter erlauben außerdem das Abfließen von Regenwasser.

Gerüstbeläge müssen stets dicht verlegt und gegen gefährliche Lageveränderungen (z.B. Wippen, Abrutschen, Herabfallen) gesichert sein. Bei starkem Wind sind Aushebesicherungen erforderlich. Sofern Gerüstbeläge eine Aussteifungsfunktion übernehmen, sind sie über die gesamte Gerüstbreite einzubauen. Bodenluken gilt es nach dem Durchsteigen wieder zu verschließen. Bisweilen sieht die Realität auf Baustellen leider anders aus. Offene Bodenluken führen allzu oft zu Arbeitsunfällen.

Gerüstbauteile aus Holz wie Gerüstbohlen und -bretter müssen mindestens der Sortierklasse S 10 bzw. MS 10 der DIN 4047 Teil 1 „Sortierung von Holz nach der Tragfähigkeit – Nadelschnittholz“ entsprechen. Die Norm beschreibt die Anforderungen bei der Auswahl von Gerüstbelägen in Bezug auf ihre Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit. Sichtbare Beeinträchtigungen, welche die Sortierklasse der Holzprodukte herabsetzen, sind insbesondere

  • Äste und Astlöcher
  • Blitz- oder Schwindrisse,
  • Krümmungen / Verdrehungen sowie
  • unzulässige Verfärbungen (z.B. Braun- oder Weißfäule).

Die Qualität von Gerüstbelägen aus Holz kann der Anwender an dem Ü-Zeichen des Herstellers erkennen, das dauerhaft am Produkt angebracht sein muss. Jedoch verwenden Holzlieferanten unterschiedliche Kennzeichnungen. Holzprodukte müssen als Kennzeichnung aber mindestens das Ü-Zeichen und das Herstellungsjahr tragen. An den Stirnseiten neigen Gerüstbohlen aus Holz zum Aufreißen. Dies wird durch metallische Kopfbeschläge oder das Einbringen von Wellen-Bandeisen verhindert.

Gefahren durch Absturz begegnen

Unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten muss ein stabiler Seitenschutz allseitig, dauerhaft sowie unverlierbar an den Außen- und Stirnseiten des Gerüstes montiert sein. Er besteht aus drei Teilen:

  • Geländerholm
  • Zwischenholm und
  • Bordbrett.

Geländer- und Zwischenholm besitzen eine Leit- und Brüstungsfunktion. Ein Bordbrett verhindert, dass Personen mit ihren Füßen vom Gerüstbelag nach außen abrutschen und Werkzeuge oder Ähnliches vom Gerüst herabfallen. Jede Gerüstlage, die als Arbeits- und Zugangsbereich genutzt wird, muss während der Gerüstnutzung bis auf wenige Ausnahmen über einen dreiteiligen Seitenschutz verfügen. Ausnahmen lauten:

  • An der Innenseite von Arbeitsgerüsten kann auf das Bordbrett verzichtet werden, wenn an der Fassade gearbeitet werden muss.
  • Auf den dreiteiligen Seitenschutz darf gebäudeseitig verzichtet werden, wenn der Abstand zwischen Gerüstbelag und Bauwerk maximal dreißig Zentimeter beträgt.

Bei Einhaltung dieses Abstandes zum Gebäude hin kann davon ausgegangen werden, dass keine Absturzgefahr für Personen besteht.

Ergonomische Gerüstzugänge

Zugänge zu Arbeitsplätzen auf Gerüsten müssen von Personen sicher betreten und wieder verlassen werden können. Mindestens alle fünfzig Meter muss ein sicherer Zugang am Gerüst vorhanden sein. Dabei sind ergonomische Prinzipen zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind Aufzüge, Transportbühnen oder Treppen zu bevorzugen. Nur wenn diese wegen baulicher Gegebenheiten (z.B. Platzmangel, aufgrund statischer Bedingungen) nicht möglich sind, dürfen Leitern als Aufstiege eingesetzt werden. Am besten eignen sich dann systemgebundene, innenliegende Leitergänge, die jedoch nur

  • bis zu einer Aufstiegshöhe von fünf Metern und
  • bei Arbeiten an Einfamilienhäusern zulässig sind.

Allerdings ist bei Leiteraufstiegen ein umfangreicher Handtransport für Baustoffe, Werkzeuge usw. zu vermeiden. Der Leiterzugang im untersten Gerüstfeld ist darüber hinaus derart zu gestalten, dass die Leiter nicht freihängt. Sie muss, wie in den anderen Lagen auch, auf dem Gerüstbelag aufliegen. Bei Gerüstebenen, die beispielsweise mit Transportbühnen oder Treppen erschlossen sind, dürfen höchstens zwei weitere Ebenen mit innenliegenden Leitern begangen werden, sofern sie nicht vollständig umlaufend sind. Dies trifft bei Staffelgeschossen oder im Bereich von Dachgiebeln zu.

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