Prag - Eine deutlich abgeschwächte Wirtschaftsdynamik und die Folgen der Weltfinanzkrise haben der erfolgsverwöhnten tschechischen Bau- und Ausbaubranche 2008 zunehmend zu schaffen gemacht. Erstmals nach Jahren der Aufwärtsentwicklung ging der Hochbau, von dem viele Unternehmen abhängen, zurück.
Nach neun Wachstumsjahren schauen die Unternehmen besorgt auf 2009. Positive Dynamik bringt der Infrastrukturbau, der dank der EU-Fördermittel in Schwung gekommen ist. Auch die Energieeffizienz der Gebäude rückt auf den Plan.
Die tschechische Bau- und Ausbaubranche ist 2008 im neunten Jahr hintereinander gewachsen. Doch haben die abschwächende Wirtschaftsdynamik, eine vorübergehend hohe Inflation und die Abkühlung der Investitionen auf dem Immobilienmarkt infolge der globalen Finanzkrise deutliche Spuren hinterlassen. Die gesamte Bauleistung betrug in den ersten zehn Monaten 2008 nach Angaben des Tschechischen Statistikamtes in laufenden Preisen 439,8 Mrd. Tschechische Kronen (Kc; rund 18 Mrd. Euro; 1 Euro = rund 24,3 Kc). In konstanten Preisen entsprach dies einer Steigerung um nur noch 1,8% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Jahr 2007 hatte das Wachstum noch bei 6,7% gelegen. Die Zuversicht unter den Bauwirtschaftsunternehmen sank um 13 Punkte gegenüber dem Vorjahr. Wenn sie auch im Dezember die aktuelle Wirtschaftslage gegenüber dem Vormonat etwas günstiger einschätzten, erwarteten sie für die kommenden drei Monate eine Verlangsamung der Bautätigkeit und weitere Entlassungen. Durch Aufträge abgesichert sahen sie sich für 8,5 Monate. Der Verband der Bauunternehmer rechnete mit einer realen Steigerung der Bauleistung um bis zu 2%. Für 2009 schließt er auch eine Stagnation nicht aus.
Die Phase massiver Investitionen in Wohnungs- und Wirtschaftsbauten ist vorüber. Nach Jahren des Booms zeigte sich der Hochbau 2008 rückläufig. Ausgleichend wirkt der Infrastrukturbau, der dank der EU-Fördermittel in Schwung gekommen ist. Als Beispiel können die Bauwirtschaftszahlen vom Oktober 2008 gelten: Während der Hochbau um 11,5% zurückging, nahm der Ingenieurbau um 12,3% zu. Nahezu 5,8 Mrd. Euro an EU-Fördermitteln sind für die Verkehrsinfrastruktur bis 2013 zu erschließen (Straßen-, Autobahn-, Tunnel- und Schienenbau). Sie bilden in den konjunkturell schwieriger werdenden Zeiten ein wichtiges Auftragspolster für das Baugewerbe. Der Staatliche Fonds für Verkehrsinfrastruktur sieht bis 2011 jährlich 80 Mrd. Kc (circa 3,2 Mrd. Euro) vor. So läuft der Autobahnbau auf vollen Touren. Ziel ist es, bis 2020 die gegenwärtige Länge des Netzes von rund 1.000 Kilometern zu verdoppeln. Im Herbst 2008 befanden sich fast 250 km Autobahnen und Schnellstraßen im Bau.
Die inländischen Bauarbeiten der Unternehmen mit 20 und mehr Angestellten wurden in den ersten drei Quartalen 2008 zu fast 90% von Neubau, Renovierung und Modernisierung bestimmt. Allerdings nahm der Wert der Bauarbeiten in diesem Zusammenhang leicht ab, während Reparatur und Wartung anzogen. Letztere werden auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Wohnungsbestand, Brücken und Straßen benötigen dringend der Reparatur und Instandhaltung.
Der Anteil der Bauwirtschaft am tschechischen Bruttoinlandsprodukt liegt bei etwa 6%. Rückgrat der Branche sind rund 2.450 Unternehmen mit 20 und mehr Mitarbeitern (darunter über 130 ausländisch kontrollierte Baugesellschaften). Sie führten von Januar bis September 2008 Bauarbeiten im Wert von 253,4 Mrd. Kc (rund 10,2 Mrd. Euro) durch. Das entsprach 66% der gesamten Bauleistungen in diesem Zeitraum. Die Zahl der Baugenehmigungen hat sich in diesem Zeitraum weiter gesteigert. Zugleich hatten die Bauunternehmen zum Ende des 3. Quartals rund 16.220 Aufträge in einem Gesamtwert von 222,9 Mrd. Kc (9,0 Mrd. Euro) vorliegen. Eine wachsende Rolle spielte der öffentliche Sektor mit 67% der Auftragswerte. Private Auftraggeber schränken dagegen ihre Projektplanung ein oder verschieben ihre Vorhaben. Entwicklungsgesellschaften haben Finanzierungsschwierigkeiten. In Tschechiens konservativ reguliertem Bankensektor, der in ausländischer Hand ist, gab es bisher keine Opfer der Finanzkrise. Doch sind die Banken bei der Vergabe von Krediten inzwischen reserviert und haben die Auflagen erhöht. Mangelnde Mittel auf dem Interbankenmarkt haben mögliche Kreditvolumina stark eingeschränkt.
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