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Test: aCar von EVUM – robuster E-Transporter mit dominanten Gelände-Genen

Mit dem aCar hat EVUM einen robusten Elektro-Transporter auf die Räder gestellt, der sich vor allem im Gelände so richtig zu Hause fühlt. Straße: easy! Acker: Yippie-Ya-Yeh!

Lesedauer: min | Bildquelle: Tim Knott
Von: Michael Loskarn

Zugegeben, der Ritt über den Münchner Acker macht mit dem aCar einfach nur Laune – dank Bilstein-Federung und trotz des fehlenden Lenkkraftverstärkers. Doch ruhig, Grauer, eins nach dem anderen: Das leuchtende Grün des Schmalspurfahrzeugs sticht bereits bei der Einfahrt in den Martha-Näbauer-Platz ins Auge. Was das junge Spin-off-Unternehmen der TU München dort vor seinem Showroom im Nordwesten der Bayern-Metropole präsentiert, ist ein echter Hingucker: kurze, äußerst markante Linienführung der Schnauze – die selbst bei 1,33 Meter Spurweite (von Reifenmitte zu Reifenmitte) bullig rüberkommt –, großzügig dimensioniertes Führerhaus mit Einstieg hinter der Vorderachse, satter Radstand mit knapp 2,60 Metern Länge sowie eine Pritsche auf AL-KO-Rahmen, die Platz für zwei nebeneinanderliegende Euro-Paletten bietet, versehen mit Zurrösen auf der Ladefläche sowie Aufprallschutzgitter (optional). Ganz zu schweigen vom vollelektrischen Allradantrieb. Logisch, Spaltmaßfanatiker kriegen Plaque. Dafür packt der bajuwarische Öko-Lastenesel eine Tonne im Huckepack und eine weitere gebremste hinten dran.

Bereits vor acht Jahren entsteht in einem Projekt an der Technischen Universität die Idee zum vollelektrisch angetriebenen Nutzfahrzeug. Gute vier Jahre später testen die Studenten den ersten fahrtüchtigen Pick-up-ähnlichen Prototypen in Ghana: mit hölzernem Armaturenbrett, einfachen Kippschaltern und einem Design, das am ehesten in die Kategorie Trabi passt. Attribute des EVUM-Urgefährts: einfach, robust und harten Umweltbedingungen trotzend. Die Doktoranden glauben an den Erfolg ihrer Kreation und gründen im August 2017 die EVUM Motors GmbH. Danach geht es – zumindest was die Automobilbranche betrifft – Schlag auf Schlag. Gut zwei Jahre später wird das erste Serienfahrzeug auf der IAA vorgestellt. Ende 2020 startet im eigenen Werk in Bayerbach bei Ergoldsbach die Produktion. Seit Februar dieses Jahres sind 32 Fahrzeuge auf der Straße, davon 20 im harten Arbeitsalltag in der Republik, zwei in Äthiopien sowie zwei weitere an der Elfenbeinküste.

„Alles Lowtech, nichts mit Patenten“

Bei all diesen afrikanischen Gelände-Genen verspricht die Testfahrt mit dem First Mover, kurzweilig zu werden. Recht komfortabel, weil breite Türen mit Funkzentralverriegelung, gestaltet sich der Einstieg in das knapp über vier Meter lange N1-Gefährt. Selbst neben einem gestandenen Mannsbild wie Max Schmidt, Vertriebs- und Marketing-Chef bei EVUM, fühlt sich der eher kleiner geratene Chronist in der geräumigen Fahrerkabine alles andere als eingepfercht. Bequeme Sitze mit ausreichend Seitenhalt, in der Mitte angeordnetes Armaturenbrett mit großen Schaltern, die auch mit Handschuhen bedient werden können, gestochen scharfes Display sowie hochwertig anmutendes Kunststoffinterieur vermitteln solides Wohlgefühl. Übrigens, das Cockpit wurde „symmetrisch entwickelt“, klärt Geschäftsführer und Entwickler, Sascha Koberstaedt, auf, um problemlos auch Rechtslenker produzieren zu können. Positiv fallen auch drei große Heizungsauslässe auf. Denn, sollte es mal so richtig zapfig und ungemütlich werden, sorgt eine Bio-Ethanol-Heizung von Eberspächer für Wohlfühlklima. Außerdem gibt es – in Zusammenhang mit der elektrisch beheizbaren Frontscheibe – im Winter rasch klare Sicht. Allein, es fehlt an Ablagefächern, Netzen oder Aufhängemöglichkeiten – dies soll sich jedoch in den kommenden Jahren ändern. Fehlanzeige auch in Sachen Klimaanlage: „Bei Anwendern wird das kaum thematisiert“, sagt Marketingleiter Schmidt. „Außerdem ist sie aufgrund des zu hohen Energieverbrauchs unwirtschaftlich.“

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Apropos Wirtschaftlichkeit – bereits in zwei bis drei Jahren will das rund 60 clevere Köpfe zählende Start-up den Break-Even-Point erreichen. Wenngleich Gründer Koberstaedt ironisch-süffisant einschiebt: „Ein E-Fahrzeug als Start-up herzustellen ist das Allerdümmste, was du machen kannst. Du brauchst richtig Kapital, bist von Lieferanten abhängig und kannst dein Produkt bei Fehlern nicht so schnell verändern, wie das beispielsweise ein Software-Entwickler kann.“ Nicht umsonst hatten er und Gründer- und Geschäftsführerkollege, Martin Šoltés, bereits zu Beginn die Maxime ausgegeben: „Alles Lowtech, nichts mit Patenten“.

Manchmal muss es eben Rodeo sein und nicht Dressur

Trotz Lowtech-Strategie bewegt sich das aCar auf den ersten Metern äußerst harmonisch – kein Ruckeln beim Anfahren, die beiden Mahle-Motoren – mit je zehn kW an Vorder- und Hinterachse – hängen wunderbar am Gas und präsentieren sich im Zusammenspiel mit dem Comex-Ein-Gang-Getriebe (vorwärts als auch rückwärts) extrem leichtfüßig. Der permanente, elektrische Allrandantrieb lässt grüßen. Nun gut, bei rund 70 Sachen in der Spitze wird’s im Innenraum zwar ordentlich laut. Aber wir sitzen ja in einem echten Nutzfahrzeug und nicht in einem Oberklasse-Luxus-Stromer. Gott sei’s gepriesen, denn bereits im Wohngebiet in Richtung Acker wird es selbst für den knapp 1,84 Meter breiten Schmalspurer (inklusive Spiegel, ohne 1,67 Meter) aufgrund geparkter Autos mal so richtig eng. Augen auf und durch – und dann rechts nach dem Maisfeld ins Grobe. Yippie-Ja-Jeh, selbst wenn das aCar bisweilen bockt wie ein heißblütiger Bronco, bügelt die Federung doch die meisten Unebenheiten ordentlich weg. Und wenn’s den Fahrer mal satt aus dem Sitz treibt, ist das Führerhaus großzügig genug geschnitten, dass der Schädel nicht gleich ans Kabinendach kracht. Ganz ehrlich: Der Spaßfaktor ist hoch, der Allradvortrieb kaum zu bremsen. Klar, eine Servolenkung wäre durchaus kein Luxus. Aber manchmal muss es eben Rodeo sein und nicht Dressur.


Servolenkung und Kommunaldreieck wird es für den Münchner-E-Bronco wohl Ende nächsten Jahres geben. Auch Anbaugeräte wie Streuer und Pflüge sind derzeit schon im „Testing“. Insgesamt 250 Exemplare will der Hersteller heuer auf die Räder stellen, 600 bis 800 im nächsten Jahr. Bis zu 2.500 Stück können in Bayerbach pro Jahr gefertigt werden. Und zwar, je nach Gusto und Geldbeutel, mit 16,5-kWh- oder 33-kWh-Lithium-Ionen-Batterie, Pritsche, Planen und Spriegel, Koffer oder als Dreiseitenkipper. Die Reichweiten gibt der Hersteller nach NEFZ mit 100 (kleine Batterie) bzw. 200 km an. Für den Großteil aller kommunalen Experten, GaLaBauer, Jäger und Forstarbeiter, Handwerker sowie Logistiker auf der letzten Meile ist dies absolut ausreichend, wenn es um emissionsfreie Mobilität im Arbeitsalltag geht. Unser Arbeitstag – übrigens alles andere als ein Alltag – geht mit zahlreichen interessanten Eindrücken in Sachen Elektromobilität zu Ende. Wie gesagt: Straße: easy! Acker: Yippie-Ya-Yeh!

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