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StreetScooter: Von der Postzustellung auf den Bauhof

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Von: Jessica Gsell

Die E-Fahrzeuge sollen dank verschiedener Aufbauvarianten auch für Kommunal interessant sein. Bei einer Roadshow in Kirchheim (München) wird klar, was die neue Kundenklientel vom StreetScooter erwartet und wohin die Reise beim Unternehmen geht

Kaum einer der vier StreetScooter steht an diesem Nachmittag lange still auf dem Gelände der Henne Nutzfahrzeuge GmbH in Kirchheim bei München. Erst seit Kurzem ist der Fahrzeughändler neuer Vertriebspartner von StreetScooter, einem Tochterunternehmen der Deutschen Post DHL Group. Zu diesem Anlass wurden nun Kunden, unter anderem aus dem Garten- und Landschaftsbau, Lohnunternehmer sowie Kommunen, zu einer Roadshow eingeladen. Vielen ist der StreetScooter bereits ein Begriff: Schließlich setzt die Deutsche Post die Elektrofahrzeuge seit 2014 bundesweit in der Brief- und Paketzustellung ein. Ende Mai dieses Jahres eröffnete die StreetScooter GmbH in Düren (Nordrhein-Westfalen) bereits ihre zweite Produktionsstätte. Jetzt will das Unternehmen mit seinen WORK-Modellen auch im Kommunalbereich durchstarten.

„Kommunal ist für uns ein wichtiger Absatzmarkt“, sagt Michael Fauser, zuständig für den Vertrieb bei StreetScooter. Vor allem im Logistikbereich sei das Fahrzeug der perfekte Transporter. Derzeit gibt es den StreetScooter in den Modellen WORK sowie WORK L, die sich hauptsächlich in ihrer Gesamtzuladung von 720 und 905 kg sowie ihrem zulässigen Gesamtgewicht von 2.180 und 2.600 kg unterscheiden. Zudem besitzt der WORK L serienmäßig eine Batterie mit 40 kWh. Eine solche Größe ist beim WORK auf Wunsch zwar ebenfalls erhältlich, standardmäßig ist das kleinere Modell allerdings mit einer 20-kWh-Batterie ausgestattet. Da die Arbeiten im Kommunalen sehr vielfältig sind, wird der StreetScooter hierfür mit verschiedenen Aufbaumöglichkeiten wie Pritsche, Heck- und Dreiseitenkipper, diversen Koffervarianten sowie Planen-Aufbauten oder aber auch als Müllfahrzeug angeboten. Was die Ausstattung angeht, ist der StreetScooter sehr schlicht gehalten – und das mit Absicht. „Der Post war es damals vor allem wichtig, dass das Fahrzeug robust im Einsatz und wirtschaftlich ist“, erinnert sich Fauser. Deshalb bestehen viele Einzelteile des E-Fahrzeugs auch aus Plastik, was die Ersatzteilbeschaffung sehr günstig macht. „Die Post hat mit dem Einsatz des StreetScooters bereits 60 Prozent weniger an Reparaturkosten“, berichtet Fauser und betont: „Wir haben nicht den Anspruch, ein Autobauer zu sein, sondern wir bauen ein Werkzeug.“

Wünsche der kommunalen Kunden: Anhängerkupplung, Allrad und Doppelkabine

In die Entwicklung des StreetScooters wurden damals 250 Postzusteller mit einbezogen. Ihre Wünsche und Anregungen kommen nun auch den Beschäftigten im Kommunalen zu gute. So stehen beim E-Fahrzeug die Radkästen nicht nach außen, die hintere Klappe lässt sich so öffnen, dass man sie bei schlechtem Wetter als Unterstand nutzen kann und auch eine komfortable Ladehöhe wurde bedacht. In den kommenden Wochen und Monaten will das Unternehmen auf die Rückmeldungen und Anforderungen reagieren, die direkt vom Kommunalmarkt kommen. Schon jetzt wurden Wünsche wie eine Anhängerkupplung, Doppelkabine oder auch die Ausstattung mit Allrad geäußert. „Das klingt alles immer so einfach“, sagt Fauser. Doch bereits eine kleine Umrüstung, beispielsweise in Form einer Anhängerkupplung, ändert unter anderem die Nutzlast des Fahrzeugs, macht die Integration einer Schnittstelle nötig und fordert zudem eine neue TÜV-Zulassung. Dass der StreetScooter mit sehr kalten Temperaturen überfordert sei und ständig stehen bleibe – Kritik, die der Redaktion von Bauhof-online vereinzelt aus den Kommunen zugetragen wurde – davon hat Fauser bislang noch nichts mitbekommen. Er gibt zwar zu bedenken, dass im Wintereinsatz auch Sitz-, Front- und die allgemeine Heizung auf Hochtouren laufen. „Dadurch verliert der Streetscooter natürlich an Leistung und schafft dann etwas weniger an Kilometer“, sagt Fauser. Ein wirkliches Problem gebe es hier aber nicht, schließlich sei der StreetScooter jahrelang im harten Postbetrieb ausgiebig getestet worden.

Probleme mit dem Elektrofahrzeug im Winter – das kennt die oberbayrische Stadt Wolfratshausen nur zu gut. Bereits seit 2011 ist ein E-Fahrzeug der ersten Generation eines anderen Herstellers als Müllentsorgungswagen für ihren Baubetriebshof im innerstädtischen Bereich tätig. Auf der Suche nach einem potentiellen zweiten Elektrofahrzeug für die Außeneinsätze, sind Matthias Schmidberger und sein Kollege Michael Fischhaber von den Stadtwerken Wolfratshausen, Abteilung Baubetriebshof, nach Kirchheim gekommen. „Wir sind schon seit Jahren auf der Suche“, berichtet Fischhaber. Die beiden wichtigsten Voraussetzungen für das neue E-Fahrzeug: „Es muss eine große Ladefläche und Reichweite haben.“ Bislang blieb ihre Suche allerdings erfolglos. Nicht einmal auf der diesjährigen IFAT wurden sie fündig. Deshalb wird an diesem Nachmittag der StreetScooter getestet. „Wir sind mit ihm die Straße mit 90 km/h entlanggefahren. Er fährt sich sehr schön und hat von unten heraus ein gutes Drehmoment“, resümiert Fischhaber. Auch die vom Hersteller angegebene Reichweite von 80 km – bei einer 40-kWh-Batterie erhöht sich diese auf bis zu 160 km – sowie die Zulademöglichkeit von rund 905 kg seien ausreichend. Den Mitarbeitern der Stadtwerke gefällt zudem, dass der StreetScooter ohne viel Schnickschnack auskommt, aber dennoch praktische Ausstattungsdetails wie elektrische Fensterheber, Sitz- und Spiegelheizung oder auch eine Rückfahrkamera besitzt. In Wolfratshausen will man mit der erneuten Anschaffung eines CO2-neutralen Fahrzeugs einen weiteren Beitrag zum Naturschutz leisten. Im Sommer sollen die Elektrofahrzeuge über zwei eigene Photovoltaikanlagen und im Winter über das eigene Blockheizkraftwerk (BHKW), mit dem nicht nur Wärme sondern auch Strom erzeugt wird, geladen werden.

Autobahndirektion Südbayern testet StreetScooter in Ingolstadt und München

Auch bei der Autobahndirektion Südbayern steht der Umweltgedanke bei der Anschaffung neuer Fahrzeuge und Maschinen im Vordergrund. Da bei der Autobahnmeisterei Ingolstadt Kollegen unterwegs sind, die sich unter anderem um die Sauberkeit der Raststätten-Toiletten kümmern, besteht die Überlegung, hier in Zukunft ein E-Fahrzeug einzusetzen. Schließlich müssten die Fahrzeuge hierfür auch nicht Unmengen an Kilometer zurücklegen. Derzeit sind bei der Autobahndirektion Südbayern drei Elektrofahrzeuge unterwegs – bei der Obersten Baubehörde sind es insgesamt sogar schon 30. Allerdings handelt es sich hierbei ausschließlich um PKW. Der StreetScooter wäre der erste Transporter. Vor allem eine mögliche Ausführung mit Doppelkabine sehe man als sehr praktisch an: Vier Mitarbeiter könnten hier gemeinsam in einem Fahrzeug unterwegs sein und an ihren jeweiligen Einsatzstellen entlang der Autobahn abgesetzt werden. Ob der StreetScooter den Anforderungen der Autobahndirektion gewachsen ist, wird sich bald zeigen: Zwei Wochen lang soll das Elektrofahrzeug in der Autobahnmeisterei Ingolstadt und zudem auch in München getestet werden, bevor eine Entscheidung fällt. 

Für Rainer Partelly, Vertriebsleiter bei der Henne Nutzfahrzeuge GmbH, passt der StreetScooter perfekt in ihr Produktportfolio: Zum einen habe man bereits Erfahrung im Bereich der Elektrofahrzeuge und bringe hier auch schon die nötige Werkstattkompetenz mit. Schließlich ist Henne seit 2005 Vertriebspartner von FUSO. Unter den Klein-LKW befindet sich mit dem eCanter auch ein elektrisches Modell. Zum anderen werde mit dem Unimog bereits die Kommunalklientel betreut, auf die StreetScooter nun ihr Augenmerk gelegt hat. „Unser Geschäft ist ein Nischengeschäft. Und der StreetScooter ist ebenfalls ein Spezialfahrzeug“, sagt Partelly. Aufgrund der ständigen Feinstaubdiskussion in den Medien, die auch stark den Münchener Raum betrifft, habe die Henne Nutzfahrzeuge GmbH sich dazu entschlossen, ihr Angebot an E-Fahrzeugen zu erweitern. Obwohl erst seit April dieses Jahres als Vertriebspartner tätig, gibt es bereits einige Anfragen für den StreetScooter. Besonderes Interesse bestünde für innerstädtische Bereiche oder auch Parkanlagen als Einsatzorte. Um möglichst viele verschiedene Ausführungen des E-Fahrzeugs anbieten zu können, wird mit dem Aufbauhersteller E-Vade zusammengearbeitet. Und Partelly ist sich sicher: „Es werden bestimmt auch noch individuelle Aufbauten für den StreetScooter entwickelt. Der Markt ist ja noch jung.“

WORK XL, autonomes Fahren, Feinstaubpartikelfilter – die Entwicklung geht weiter

Auch bei der StreetScooter GmbH schreiten die Entwicklungen weiter voran. Derzeit entsteht, in Zusammenarbeit mit Ford, das nächstgrößere Modell – der WORK XL. Das Fahrzeug wird die Größe eines Ford Transit Sprinters haben. „Ford liefert das Chassis und StreetScooter den Elektroaufbau“, erklärt Fauser. 2019 soll der WORK XL dann zunächst wieder im Postbetrieb getestet werden. Auch in Richtung autonomes Fahren wird auf einer Teststrecke in Aachen zusammen mit der dortigen Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) geforscht. „Die Idee ist, dass das Auto dem Postzusteller beim Verteilen folgt“, erklärt Fauser. Ein Szenario, dass auch im Kommunalbereich denkbar wäre. Zudem wird bereits eine StreetScooter-Version mit Brennstoffzelle entwickelt. In der Erprobung befindet sich außerdem ein komplett emissionsfreier StreetScooter. Was Vvele nämlich nicht wissen: Auch Elektrofahrzeuge sondern Feinstaub ab und zwar über den Straßen-, Brems- sowie Reifenabrieb. Deshalb wird derzeit in Zusammenarbeit mit dem Filterspezialisten Mann + Hummel aus Ludwigsburg ein Feinstaubpartikelfilter hergestellt, der unten am Fahrzeugboden, auf Höhe der Hinterachse, angebaut wird und den entstehenden Staub einfach einsaugt. „Ich denke, dass dieser Filter dann irgendwann serienmäßig kommen wird“, meint Fauser. Weniger konkret will er sich dagegen beim Thema Börsengang äußern. Erst Ende März hatte das Handelsblatt berichtet, dass die Deutsche Post einen Börsengang mit StreetScooter in den nächsten zwei bis drei Jahren für denkbar hält. Genauso, wie die Partnerschaft mit einem großen Autobauer oder den Einstieg eines Finanzinvestors.

Text/Bilder: Jessica Gsell – Redaktion Bauhof-online.de


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