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RAUMIDEEN GMBH ONOX: vollelektrischer Zwischenachs-Geräteträger mit cleverem Wechselbatterie-System

Erfolgsgeschichten bedürfen eines gerüttelten Maßes an mutigen Visionen: Was das junge Ingenieurs-Team unter dem Dach der Raumideen GmbH aus Isny im Allgäu in gerade einmal vier Jahren vom weißen Blatt Papier aus auf die Räder gestellt hat, ist weitblickend, enorm couragiert und quasi ein Kampf David gegen Goliath. Mit derzeit noch offenem Ausgang. Allein, Ende Februar meisterte der vollelektrische ONOX-Traktor mit der endgültigen Straßenzulassung seine Feuertaufe.

Lesedauer: min | Bildquelle: Michael Loskarn; ONOX (1)
Von: Michael Loskarn

„Business Angel“ Michael Hetzer besitzt ein natürliches Gespür für erfolgversprechende Investitionen. Ihm wurde das Unternehmer-Gen sozusagen in die Wiege gelegt. Das ursprüngliche Familienunternehmen baut der Isnyer in den vergangen gut drei Jahrzehnten zu einem Multi-Millionen-Player aus. Doch nach dem Rückzug aus dem operativen Geschäft beim Spezialisten für Bediensysteme und Sensorik vor rund vier Jahren sowie der Umwandlung des Firmen-Konglomerats in ein Stiftungsunternehmen genießt der Familienvater nicht einfach die Früchte der harten Arbeit auf einer pittoresken Südsee-Insel. Nein: Dem heute 57-Jährigen steht weiterhin der Sinn nach Unternehmung. 2020 setzt er endgültig die Idee um, ein richtungsweisendes Fahrzeugkonzept – komplett von Null an – zu entwickeln und zu bauen. Eine Idee, die Hetzer bereits seit Jahren umtreibt.

Bei einer TUfast-Veranstaltung der TU München (TUM) lernt der Allgäuer 2015 den Studenten Sebastian Schlegel kennen. Tenor des Gesprächs: „Falls ich einmal ein Fahrzeug bauen will, komm‘ ich auf Sie zu“, verspricht der Unternehmer. Fünf Jahre später und um eine Masterarbeit, die den Bau eines neuartigen Geräteträgers inklusive Batterieantrieb thematisiert reicher, starten beide ins Projekt. Und weil „autonomes Fahren“ bereits zu jener Zeit in den Hinterköpfen der Macher steckt, holt Schlegel den jungen Ingenieur, Daniel Hornung, ins Team. Schließlich hat der Österreicher bereits mehrere E-Fahrzeuge entwickelt und bewegt sich außerdem in Sachen Robotersteuerung zu jener Zeit auf dem aktuellen Stand des Möglichen. Im November 2021 fällt endgültig der Startschuss zur Entwicklung des ONOX, und zwar unter dem Dach der Raumideen GmbH, die sich in erster Linie der Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft durch die Unterstützung von innovativen Start-ups verschrieben hat.

Drei Anbaubereiche für wechselbare 30-kWh-Batterieblöcke

Nur zwei Jahre später sorgt der erste Prototyp des Zwischenachs-Geräteträgers mit Wechselbatterie-System auf der Agritechnica in Hannover für erstaunte Gesichter unter den Fachleuten. Aus der gedanklichen Nähe zum jahrzehntelang in Marktoberdorf produzierten Erfolgsmodell F12 GT macht das junge Team derweil keinerlei Hehl. Nur, dass der ONOX fahrzeugtechnisch dem State of the Art entspricht, über drei Anbaubereiche für die 30-kWh-Batterieblöcke verfügt, die sich – auf adäquaten Trolleys transportierbar – zusätzlich als kostengünstige Stromspeicher für die beispielsweise aus der hofeigenen Fotovoltaikanlage gewonnen Energie eignen. Außerdem gibt es durch diese laut Entwickler in unter fünf Minuten austauschbaren Energiezellen keine Betriebsunterbrechungen aufgrund eines notwendigen Ladevorgangs. Bewusst verzichteten die Ingenieure auch auf Hochvolt-Technik, um jedem Bauhof-Mitarbeiter oder Landwirt die Chance zu ermöglichen, selbst Hand anzulegen. Entsprechende Video-Tutorials sollen on top erstellt werden.


 

Stichwort on top: Auf der Flachbett-Motorhaube befinden sich Montage-Schienen à la Airline-System, damit Ladung adäquat fixiert werden kann. Selbstredend lässt sich der ONOX mit wenigen Handgriffen und überschaubarer Mühe mit einem Frontlader ausstatten und hievt dann bis zu 1.350 kg auf knapp drei Meter. Rundum bietet der E-Traktor enorme Übersichtlichkeit, wenngleich die Sicht nach oben – auf geliftete Ladung – förmlich nach Optimierung schreit. Und um beispielsweise Baum- oder Heckenschnitte zu erledigen, ist es sportlich-agilen Anwendern sogar möglich, auf der Ladefläche zu laufen oder zu stehen.

Dies goutieren auch die süddeutschen Landwirte vergangenen Herbst bei der eigens organisierten Fahrzeugpräsentation auf dem Demeterhof Höllwangen eG bei Überlingen äußerst positiv. Betriebsleiter Achim Heitmann nach der Feldforschung im wahrsten Sinn: „Ich finde die Innovation total super. Für uns bietet das Fahrzeug echte Perspektiven.“ Will heißen: Begeistert zeigt sich der Öko-Landwirt – neben der begehbaren Motorhaube – in erster Linie vom Wechsel-Akku-System, das die Möglichkeit bietet, den eigenen Solarstrom zu speichern. Auch Höllwangen-Vorstand Philipp von Hagenow stößt ins selbe Horn und rückt nach der Probefahrt die Eigenstromnutzung in den Fokus. Wenngleich der Profi zusätzlich von einem „sehr feinfühligen, nicht ruppigen Flow“ spricht, die Ergonomie lobt und die Allradlenkung als „superwendig“ bezeichnet. Selbst als Ersatz für den Hoflader kann er sich den ONOX vorstellen – bei „etwas besserer Einsicht“ nach oben.

Hinterachslenkung sorgt für hohe Wendigkeit

Josef Schneid, Demeter-Landwirt aus Haldenwang im Oberallgäu, „gefällt“ das Thema E-Mobilität per se. Gar so sehr, dass er mehr als 130 km einfache Fahrt auf sich nimmt, um den ONOX live zu erleben. Bereits vor gut zwei Jahren habe er vom ehrgeizigen Projekt erfahren. „Ein von Grund auf elektrisches Fahrzeug ist toll, du hast weitaus weniger Verschleißteile, und so ein E-Motor hält ewig“, zeigt sich der Allgäuer von der Technik überzeugt. Mit Argusaugen begutachtet Schneid den Prototypen, bewegt sich langsam, Zentimeter um Zentimeter vorrückend, als sei der TÜV-Prüfer höchstpersönlich am Werk: hier ein kritisches „die Kontakte liegen zu eng beieinander“, dort ein anerkennendes „hinten wurden auf beiden Seiten Zapfwellen-Bedienungsschalter angebracht“. Blitzschnell bückt sich der agile Bauer im Unruhestand, wirft einen Blick unter den E-Traktor. „Aha, Hinterachslenkung, die macht das Fahrzeug enorm wendig, wenn es eng hergeht.“ Sogar als Kompaktschlepper im Grünlandbetrieb kann sich der Inhaber des Wannenhofes den elektrifizierten Geräteträger vorstellen. „Kreiseln, Schwaden und Mähen – sogar samt Mähwerk an der Front und im Heck – sind möglich“, statuiert Schneid, der den Betrieb bereits an seinen Sohn Andreas übergeben hat.

Exakt bei solcherlei Feedback von erfahrenen Maschinen-Experten spitzen die jungen Fahrzeug-Entwickler die Ohren, hören ganz genau hin und nehmen die ein oder andere Anregung in die weitere CAD-Optimierung mit auf. Genau aus diesem Grund organisiert das ONOX-Team diese Vor-Ort-Shows – um zu lernen und zu optimieren. Übrigens hat auch schon eine Handvoll Kommunen äußerst reges Interesse am neuen E-Trecker gezeigt. Ergo: Diese mutigen Visionen versprechen durchaus Erfolg. Und selbst vor dem Hintergrund, dass sich Wissenschaftler bis heute uneins darüber sind, ob David jemals gegen Goliath kämpfte, so zeigt die biblische Legende dennoch: Durch Cleverness und Verve gelingt es dem Underdog bisweilen, die Etablierten gewaltig aus dem Gleichgewicht zu bringen.

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Vorläufige technische Daten des ONOX-Prototypen:

Motor
Zugleistung: 50 kW
Peak: 70 kW

PTO (0 bis 1.000 U/min)
Front: 35 kW
Heck: 35 kW

Felgenmoment
Front: >2400 Nm
Heck: >5500 Nm

Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h

Batterien

Kapazität
Integralbatterie: 20 kWh
pro Wechselbatterie: 30 kWh
Betriebsspannung: 48 V
Max. Leistungsabgabe (pro Batterie): 25 kW
Anzahl der Anhängepositionen: 5 x

Hydraulik
Pumpleistung: 65 l/min
Betriebsdruck: 200 bar

Anzahl DW-Steuergeräte
Front: 1
Heck: 3

Max. entnehmbare Ölmenge: 18 l

Hubwerk

Hubkraft                                                       
Front: 1.300 kg
Zwischenachs: 800 kg
Heck: 3.100 kg

Reifen & Gewicht
Radstand
: 2.250 mm

Spurbreite: 1,5 & 1,8 m

Standardbereifung                                     
vorne: 360/70 R20
hinten: 420/85 R28

Leergewicht: 4.200 kg

Traglast: 3.675 kg

Gesamtlänge: 4.450 mm

Länge ohne Hubwerke: 3.730 mm

Gesamtbreite: 2.300 mm

Gesamthöhe: 2.595 mm

Derzeit wird für die Feldpflege ein weiterer Prototyp erstellt, und zwar mit nutzbarer Zwischenachsfläche.

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