Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung verschiedener Oberverwaltungsgerichte, wonach Kommunen privaten Entsorgungsunternehmen die gewerbliche Sammlung von Altpapier nicht untersagen dürfen, warnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund vor einer schleichenden Aushöhlung sowie einer Privatisierung der kommunalen Entsorgungshoheit.
„Der gezielte Zugriff von Privatunternehmen auf einzelne werthaltige Bestandteile sowohl im Hausmüll als auch insbesondere beim Altpapier bedeutet eine Kommunalisierung der Entsorgungskosten zulasten der Bürger, während die Gewinne privatisiert werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg.
Angesichts in den letzten Jahren stark gestiegener Händlerpreise für Altpapier von heute bis ca. 100 € pro Tonne sucht die private Entsorgungswirtschaft zunehmend den Zugriff auf das Altpapier. Für Kommunen und Privathaushalte wird diese Entwicklung in Form von neuen Sammelbehältern, die von privaten Entsorgungsunternehmen in Wohngebieten eigenmächtig aufgestellt werden, sichtbar. Beeinträchtigungen des Ortsbildes und des Straßenraumes sowie eine Zunahme des Straßenverkehrs sind die Folgen. Dies ist jedoch nicht nur verkehrs- und umweltpolitisch unsinnig, so Landsberg. Es ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar, wenn mehrere parallele Erfassungssysteme auf Wertstoffe aus Privathaushalten zugreifen. Folge ist, dass in einzelnen Kommunen bis zu 4 verschiedene Altpapiertonnen von Privaten und Kommunen aufgestellt worden sind.
Der DStGB wendet sich ausdrücklich gegen den „Häuserkampf“. Insoweit weist Landsberg darauf hin, dass der Erlös aus der Papierverwertung ein fester Bestandteil der kommunalen Gebührenkalkulation ist, mit dem letztlich auch die Entsorgung von Beseitigungsabfällen in der grauen Tonne mitfinanziert wird. Die Gewinne der Privatunternehmen werden also letztlich von den Abfallgebührenzahlern finanziert. Gebührensteigerungen bis zu 10 % pro Haushalt können die Folge sein. Weiterhin ist nicht einzusehen, warum der einseitige Zugriff eines privaten Entsorgungsunternehmens einer ordnungsgemäßen und an wirtschaftlichen Grundsätzen orientierten öffentlichen Ausschreibung durch die Kommune vorzuziehen ist.
Gefährdet ist aber auch die weltweit einmalig hohe Erfassungsquote des Altpapiers in Deutschland. Während in kommunaler Verantwortung bisher rund 90 % des wieder verwertbaren Papiers erfasst werden konnten, beschränken sich gewerbliche Sammlungen auf die betriebswirtschaftlich rentablen und dicht bevölkerten Entsorgungsgebiete. Daneben können die betroffenen Kommunen keine attraktiven Erfassungssysteme für die verbleibenden unrentablen Sammelgebiete mehr anbieten. Gleichzeitig geht die Planungssicherheit für die Kommunen verloren.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund rät den Kommunen, als Reaktion auf die Konkurrenz durch eine gewerbliche Sammlung die blaue Tonne selbst einzuführen. Gleichzeitig macht es für die Städte und Gemeinden Sinn, ihre Bürger über den Zusammenhang zwischen der kommunalen Altpapiersammlung und der Abfallgebührenhöhe zu informieren. „Die Erfahrung zeigt, dass mit einer offensiven Informationspolitik viele Bürger dazu bewegt werden können, auch weiterhin ihr Altpapier über die kommunalen Entsorgungsunternehmen zu entsorgen, um so einen wichtigen Beitrag zur Gebührenstabilität zu leisten“, so Landsberg.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert aber auch den Gesetzgeber dazu auf, der schleichenden Aushöhlung der kommunalen Entsorgungshoheit Einhalt zu gebieten. Durch eine Ergänzung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ist sicherzustellen, dass gewerbliche Sammlungen nur mit Zustimmung des betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgers zulässig sind.
(* Beschlüsse des Niedersächsischen OVG vom 1.7.2008, Az: 7 ME 90/08 u. a. und des Sächsischen OVG vom 27.6.2008, Az:4 B 193/08 und Urteil des OVG Schleswig vom 22.4.2008, Az: 4 LB 7/06.)