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Kommunen müssen gelbem Müllchaos machtlos zusehen

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Der Städte- und Gemeindebund kritisiert, das sich der Wettbewerb zu Lasten der Kommunen auswirke: „Werden beispielsweise Gelbe Säcke nicht abgeholt, erwarten die Bürger Abhilfe von ihrer Kommune, obwohl diese hierfür nach der Verpackungsverordnung nicht zuständig ist. Der Kommune fehlen außerdem wirksame Instrumente, um die Systembetreiber und die von diesen beauftragten Entsorgungsunternehmen zu einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung anzuhalten. Die Folge: Die Kommune und die Abfallgebührenzahler bleiben auf Kosten sitzen, die nach der Philosophie der Verpackungsverordnung allein von der Wirtschaft zu tragen sind.“

Müllsäcke türmen sich tagelang am Straßenrand: ein unschöner Anblick, Gift für das Stadtbild. Die Darmstädter haben sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnen müssen – nicht als Dauerzustand, aber doch als immer wiederkehrende Erscheinung. Von vielen Bürgern wird die Stadt dafür verantwortlich gemacht, die ihrerseits in der Privatisierung und Liberalisierung der Abfallentsorgung die Wurzel des Übels sieht. Ihre Befürchtung: Demnächst könnte alles noch schlimmer kommen.

Mit einem Brief an Justizministerin Brigitte Zypries, den die an ihren Kabinettskollegen Gabriel weiterreichte, hat jetzt auch Darmstadts Abfall- und Umweltdezernent Klaus Feuchtinger Änderungen an dem Entwurf verlangt. Der Grünen-Politiker schildert in dem Schreiben die schlechten Darmstädter Erfahrungen mit der freien Entsorgungswirtschaft, in die nach den Berliner Plänen noch mehr Wettbewerb einziehen soll.

„Äußerst problematisch“ bewertet Dezernent Feuchtinger in seinem Schreiben an Zypries die Folgen dieser Aufgabenteilung. Hauptvorwurf: Der private Entsorger befolge zwar die Buchstaben seines über mehrere Jahre geschlossenen Vertrags mit dem DSD, reagiere aber nicht auf verändertes Verhalten der Bürger oder auf zusätzlichen Abholbedarf an einzelnen Sammelstellen – „fast egal, wie es in der Stadt in punkto Gelbe Säcke aussieht“. Nach Feuchtingers Angaben wird die Honorierung des Entsorgers gekürzt, wenn er mehr Müll als vertraglich vereinbart beim DSD abliefert.

Jetzt weitet sich das gelbe Müllchaos auch auf die Entsorgung der anderen Abfalltonnen aus.

Die Abfallwirtschaftsgesellschaft AWIGO des Landkreises Osnabrück beklagt in der Osnabrücker Zeitung, dass die gelben Säcke samt Verpackungsmüll immer häufiger in der grauen, grünen oder braunen Tonne landen. Negative Auswirkungen hat das gelbe Müllchaos im Osnabrücker Land aber auch auf die Entsorgung des Rest-, Papier- und Bioabfalls, weil die gelben Säcke samt Verpackungsmüll immer häufiger in der grauen, grünen oder braunen Tonne landen. Das stellte die AWIGO GmbH fest, die als Tochtergesellschaft des Landkreises nicht für die Entsorgung des wieder verwertbaren Abfalls aus gelben Säcken und gelben Tonnen zuständig ist. Seit Anfang Januar hat die Firma Alba Niedersachsen mit Sitz in Braunschweig den Auftrag dafür vom Dualen System Deutschland (DSD).

"Wir haben erste Hinweise erhalten, dass der Papierabfall aus der grünen Tonne spürbar mit Verpackungsabfall verunreinigt ist", erläuterte Christian Niehaves, Geschäftsführer der AWIGO GmbH. Ebenso sei zu beobachten, dass sich der gelbe Sack auch in Biotonnen wieder finde. "Für beide Abfallfraktionen entstehen so Mehrkosten bei der Verwertung, die letztlich die gesamte Abfallwirtschaft im Landkreis belasten", so der Abfallexperte. Auch Restmülltonnen, in denen die gelben Säcke landen, verursachten ungeplante Kosten und belasteten letztlich den Gebührenhaushalt.

Die Verordnung soll geändert werden

Den Verpackungsmüll wollte der frühere Umweltminister Töpfer eindämmen. Doch die Wirtschaft mochte nicht schon wieder ein neues Gesetz. Die Akteure haben sich auf eine Selbstverpflichtung geeinigt. Herausgekommen ist das Duale System Deutschland (DSD), besser bekannt als der „Grüne Punkt“. Vielen Verbrauchern wurde nie bewusst, dass es sich bei dem „Grünen Punkt“ nicht um ein Qualitätszeichen handelte, sondern um ein Lizenzzeichen. So zu sagen, die Quittung auf der Verpackung, dass für deren Entsorgung schon bezahlt wurde.

Derzeit wird eine Ausschreibung der Sammlung gebrauchter Verkaufsverpackungen im Arbeitsentwurf des BMU durch eine gemeinsame Stelle/Clearingstelle vorgeschlagen. Diese Clearingstelle sollen die Systembetreiber (DSD und seine Wettbewerber) betreiben.

Der Abfallpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gerd Bollmann, setzt sich hingegen mit Kollegen aus der Fraktion für eine Ausschreibung der Sammlung durch Kommunen und Gemeinden ein. Ebenfalls sei eine rechtliche Zuständigkeit der Kommunen für die Sammlung in deren Interesse. Auf jeden Fall muss die Vergabe aber durch eine transparente, nach europa- und wettbewerbsrechtlichen Kriterien vorgenommene Ausschreibung erfolgen. Eine freie Vergabe an öffentlichrechtliche Entsorger oder an mit Systembetreibern verbundenen Unternehmen darf es nicht geben. Sie widerspräche auch dem geltenden Wettbewerbsrecht, so Bollmann.

Akteure und ihre gesellschaftlichen Verbindungen

Die Novelle der Verpackungsverordnung sieht für die Systembetreiber eine Pflicht zur Ausschreibung im Wettbewerb vor. Welche Regeln dabei gelten, stehen weder fest noch sind diese transparent. Daher ist auch das Ergebnis einer Ausschreibung nicht so ohne weiteres nachvollziehbar. Bei den Systembetreibern handelt es sich mittlerweile um Unternehmen mit unterschiedlicher Struktur bzw. Gesellschaftern. Beispielsweise steht hinter dem Systembetreiber EKO-PUNKT ein großer, bundesweit tätiger Entsorger (Remondis). Hinter Interseroh steht ebenfalls ein großes Entsorgungsunternehmen (ALBA). Die Duales System Deutschland GmbH gehört einem Finanzinvestor. Andere Systembetreiber sind Unternehmen ohne eigenes operatives Entsorgungsgeschäft oder waren vorher als reiner Selbstentsorger gemäß § 6 Abs. 1 Verpackungsverordnung tätig. Von kommunaler Seite aus wird diese Vorstellung nicht geteilt, da Zweifel an einem fairen Wettbewerb angebracht sind.

Für die Kommunen entwickelt sich ein erheblicher zusätzlicher Aufwand.

Der fehlende Wettbewerb wird durch die Novelle der Verpackungsverordnung nicht hergestellt, da es die Pflicht zur Mitbenutzung des (DSD-) Verpackungssammelsystems gibt, sagt der Verband der kommunalen Entsorger. Dem Bürger ist schließlich nicht zuzumuten, in mehrere parallele Sammelsysteme gleichartige Verpackungen zu werfen, je nachdem welcher Systembetreiber dafür zuständig ist. Für die Kommunen entwickelt sich ein erheblicher zusätzlicher Aufwand.

Von kommunaler Seite aus wird ein anderes Ausschreibungsmodell favorisiert, um den fairen Wettbewerb, transparente Ausschreibungsbedingungen zu garantieren und dem berechtigten Interesse der Bürger an einem reibungslos und zuverlässig funktionierendem Entsorgungssystem und einer sauberen Stadt zu entsprechen.

Im Rahmen dieser Forderungen soll die Zuständigkeit für die haushaltsnahe Erfassung sowie für die Ausschreibung der Sammlung von Verkaufsverpackungen auf die Kommunen übertragen werden. <link http: www.umweltruf.de ticker>
Inhouse-Geschäfte im Rahmen des EU-Rechtes wären selbstverständlich möglich. Die damit verbundenen Leistungen würden dann auf der Grundlage des formellen Vergaberechts vergeben. Die Kommunen hätten Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten. Dieses Modell rückt, meint der Verband, aktuell immer mehr in den Focus der Diskussion.

Das Umweltministerium bemüht sich, die Bedeutung des vorgelegten Entwurfs für die neue Verpackungsverordnung herunterzuspielen. Es handele sich um einen „Arbeitsentwurf, ein in die Landschaft geworfenes halbfertiges Produkt“ sagt ein Sprecher. „Der offizielle Referentenentwurf folgt Ende Februar.“ Es ginge vorrangig um die Trittbrettfahrer, sagt die Ministerialbürokratie.

Die Verpackungsverordnung schaffte für Hersteller und Vertreiber die Möglichkeit, sich zur Erfüllung der Pflichten aus der Verpackungsverordnung entweder einem Systembetreiber anzuschließen oder einen Selbstentsorger zu nutzen. Daher kann man der Argumentation, dass Selbstentsorger Wettbewerb geschaffen haben, folgen, ist der kommunale Verband überzeugt. Bislang tangierten sich die Marktsegmente nicht sehr, außer dass Verpackungen, für die Selbstentsorger zuständig sind, mitunter im Sammelsystem der Systembetreiber landen wie auch umgekehrt. Selbstentsorger werden dadurch zwangsweise zu Trittbrettfahrern.

Mit Trittbrettfahrern sind Unternehmen gemeint, die Verpackungen ihrer Produkte durch das Duale System Deutschland entsorgen lassen, ohne sich finanziell am System des Grünen Punkts zu beteiligen. Sämtliche Hersteller von Verpackungen, die an private Endverbraucher gehen, sollen sich künftig an haushaltsnahen Rücknahmesystemen beteiligen.

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