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INTERFORST – Grüne Couch auf Reisen: „Die Bäume verdursten regelrecht“

Interview mit Stephan Thierfelder, Bereichsleiter Forsten beim Forstamt Schweinfurt, über die Auswirkungen des Klimawandels.

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Der zweite extrem trockene Sommer nacheinander, dazu Stürme, Borkenkäferbefall und überdurchschnittlich viele Waldbrände – all das setzt den Wäldern zu. Auch die Monokulturen, die jahrzehntelang aus wirtschaftlichen Gründen angelegt wurden, sorgen jetzt für Probleme. In Bayern ist insbesondere Unterfranken stark betroffen. Die INTERFORST ging mit ihrer Grünen Couch wieder auf Reisen und sprach exklusiv mit Stephan Thierfelder, stellvertretender Behördenleiter und Bereichsleiter Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt. Eine zehnteilige Serie wird bis Ende des Jahres auf Instagram zu sehen sein.

Der Bund Deutscher Forstleute hat den Klimanotstand ausgerufen. Mehr als 100 Millionen Altbäume seien abgestorben, heißt es. Der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) sprechen von einer „Krise in den Wäldern“. Wie sieht es hier in Unterfranken aus?

Thierfelder: „In Unterfranken haben die hiesigen Ämter der bayrischen Forstverwaltung im Juli eine Erhebung gemacht, wie viel Schadholz im ersten Halbjahr 2019 angefallen ist. Die Schätzung über alle Baumarten geht etwa in Richtung einer guten halben Million Kubikmeter Holz. Das ist aber nach meinem Eindruck eine Augenblicksschätzung. Dadurch, dass es im Juli und August weiter so trocken und warm gewesen ist, ist die Schadholzmenge wahrscheinlich inzwischen um weitere 30 Prozent angestiegen. Beunruhigend ist, dass inzwischen auch Baumarten betroffen sind, die in der Vergangenheit sehr stabil waren.“

Der Sommer 2018 war auch schon ungewöhnlich heiß. Waren zwei aufeinanderfolgende Sommer mit tropischen Temperaturen einfach zu viel für den heimischen Wald?

„Es hat ja in der Vergangenheit auch immer wieder Hitze- und Trockenjahre gegeben, zum Beispiel 1976 und 2003. Aber diese Jahre waren immer in Normaljahre eingebettet gewesen. Vorher und nachher war es dann normal warm und feucht. Bereits 2015 war es hier in der Region sehr heiß und trocken. Der Winter 2016 auf 2017 war ebenfalls sehr trocken. Und dann kam das Jahr 2018 mit viel Hitze und Trockenheit. Auch das Jahr 2019 bringt noch keine richtige Entlastung, sondern es ist weiterhin etwas trockener als in Normaljahren. Das heißt der Wald hat keine Erholzeiten mehr, sondern die Stresssituation hält länger an.“

Wie kommt es, dass die Wälder in Oberbayern von der Dürre verschont blieben, während die Auswirkungen hier in Franken deutlich zu sehen sind?

„In Südbayern regnet es wesentlich mehr. Auch dieses Jahr wieder. Die Regengebiete machen um Nordbayern einen Bogen. Es ist so, dass Unterfranken schon in der Vergangenheit der Hitze- und Trockenpol Bayerns gewesen ist, aber im Moment entwickelt sich das wirklich sehr auseinander. Südbayern ist recht feucht und Nordbayern über mehrere Jahre wirklich recht trocken.“

Wie sieht es mit den einzelnen Baumarten aus? Offenbar sind erstmals auch Laubbäume wie die Buche massiv betroffen….

„Die größten Schadholzmengen fallen bei den Nadelbäumen an. Aber ein neues Symptom ist, dass die Fichten hier zum Teil vertrocknen, ohne dass der Borkenkäfer groß beteiligt ist. Die Bäume verdursten regelrecht. Auch die Kiefer ist massiv betroffen durch Pilzbefall, Trockenheit und Hitze. Und das neue Phänomen ist eben, dass auch die einheimischen Laubbäume, wie die Buche, die seit Jahrtausenden in Unterfranken wächst, jetzt an exponierten Stellen Trockenheitssymptome zeigen. Das bedeutet, dass die obere Krone keine Blätter mehr hat oder der ganze Baum abstirbt.“

Was passiert mit den abgestorbenen Bäumen? Ist das Holz noch verwertbar?

„Mit den absterbenden und kränkelnden Bäumen wird sehr unterschiedlich verfahren. Geht von diesen Bäumen eine Ansteckungsgefahr für den übrigen Wald aus, wie zum Beispiel bei den von Borkenkäfern befallenen Fichten, dann müssen diese Fichten möglichst schnell eingeschlagen und aus dem Wald verbracht werden. Bei den Kiefern ist es so, dass die Waldbesitzer nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden werden, ob sich das Ganze überhaupt lohnt. Eine ganz neue Frage ist: Wie geht man mit den absterbenden Buchen um? Inwieweit ist hier die Holzqualität gemindert beziehungsweise kann man die Bäume noch als Stammholz verkaufen. Ich gehe davon aus, dass ein gewisser Teil dieser Buchen auch im Waldökosystem verbleibt, als Totholz für Insekten und Pilze, um die Waldlebensgemeinschaft zu bereichern.“

Die Preise sind stark gefallen, viele Sägewerke sind wegen ihres hohen Bestands offenbar gar nicht mehr in der Lage, Holz abzunehmen?

„Vor allem bei der Fichte ist es so, dass diese Schadholzmengen nicht nur in Bayern und in Deutschland generell, sondern in ganz Mitteleuropa auf den Markt drängen und damit die Sägewerke überversorgt sind, was sich mittlerweile auch an fallenden Preisen zeigt.“

Gibt es in diesem Zusammenhang Hilfs- oder Beratungsangebote für Privatwaldbesitzer, denen ja rund die Hälfte des deutschen Waldes gehört?

„Die Waldbesitzer sind jetzt in einer wirklichen Notsituation. Sie erfahren zum einen Unterstützung durch ihre Selbsthilfeeinrichtungen. In unserem Raum sind das die Forstbetriebsgemeinschaften. Auf der anderen Seite hilft die bayrische Forstverwaltung. Es gibt fachliche Beratung und auch eine finanzielle Förderung, sowohl eine Prämie, wenn man von dem Borkenkäfer befallene Fichten aus dem Wald verbringt, beziehungsweise eine Förderung für die Wiederaufforstung.“

Jahrhunderte lang wurden Monokulturen angelegt. Gepflanzt wurden vor allem Fichten als schnell wachsender Wirtschaftsbaum. Inwiefern hat das die aktuelle Katastrophe begünstigt?

„Woher die Fichtenanteile aus der Vergangenheit kommen, muss man regional sehr differenziert beurteilen. Hier im Landkreis Schweinfurt haben wir eine Laubwaldregion. Wir haben etwa 85 Prozent Laubbäume und nur 15 Prozent Nadelbäume. Bei uns ist relativ wenig Fichte vorhanden. Aktuell ist ganz entscheidend: Wie ist in den letzten Jahrzehnten im Wald gewirtschaftet worden? Es gibt eine Bundeswaldinventur, die alle zehn Jahre untersucht, wie die Waldzusammensetzung in Deutschland aussieht und da zeigt sich für Bayern, dass von 1971 bis 2012 zum Beispiel der Laubbaumanteil von 22 auf 36 Prozent gestiegen ist. Das heißt, der Wald ist laubbaumreicher geworden, die Nadelbaumanteile haben entsprechend abgenommen. Gleichzeitig ist es so, dass gerade seit den Stürmen in den 90er Jahren auf großer Fläche ein ganz gezielter Waldumbau Richtung Mischwald mit Laubbäumen läuft. Die Ziele sind von der Staatsregierung angesichts des Klimawandels jetzt nochmal angehoben worden. Mit der Waldumbauoffensive 2030 hat man sich zum Ziel gesetzt, statt wie bisher 6.000 Hektar Nadelwälder künftig 10.000 Hektar Nadelwälder umzubauen.“

Neben der zunehmenden Dürre machen dem Wald Stürme, Brände und Borkenkäfer zu schaffen. Wenn es jetzt an die Aufforstung geht: Muss man nicht eher an die klimatische Widerstandsfähigkeit als an den wirtschaftlichen Nutzen denken? 

„In der momentanen Situation entstehen Schadflächen, die es gilt, wieder aufzuforsten und bei der Baumartenwahl richtet man sich ganz wesentlich nach zwei Kriterien. Das eine ist, welchen Boden hat man vor Ort und auf der anderen Seite mit welchen klimatischen Entwicklungen muss man rechnen. Es gibt auch ein Beratungsinstrument der Forstverwaltung, wo man schon in die Zukunft blickt, welche Baumarten im Jahr 2100 in der Region voraussichtlich ein höheres oder ein geringeres Klimarisiko haben. Für unsere Region bedeutet das: Die Nadelbaumanteile werden noch weiter sinken. Und auch dort, wo jetzt zum Beispiel die Rotbuche Probleme hat, wird man trockenheitsliebendere Laubbaumarten mit dazu pflanzen. Wer sich momentan gut bewährt ist die Eiche, aber es gibt auch andere Baumarten, die mit Trockenheit sehr gut zurechtkommen, wie zum Beispiel die Elsbeere.“

Die Politik will in einem Masterplan eine halbe bis eine Milliarde Euro an Hilfsgeldern für den deutschen Wald zur Verfügung stellen. Wie wäre das Geld am besten angelegt?

„Die staatliche Unterstützung für die Waldbesitzer wird sicherlich mehrere Facetten haben. Das eine ist die direkte Unterstützung der Waldbesitzer in dieser Notsituation. Eine ganz zentrale Aufgabe wird die Wiederaufforstung mit klimastabilen Baumarten sein. Es wird auch Dinge geben, an die man nicht sofort denkt, wie zum Beispiel: Wie viel Fachpersonal ist künftig auf der Fläche tätig? Wie viel Forschung braucht es, nachdem jetzt neue Effekte im Wald eintreten, die es zu durchleuchten gilt? Neben diesen Dingen, die unmittelbar nur den Waldbesitzer betreffen, gibt es auch Rahmenbedingungen, die es zu verbessern gilt. Das betrifft nicht nur die Politik, sondern auch das eigene Verhalten. Als Bürger sollte man sich überlegen, was man durch seinen persönlichen Lebensstil für den Wald tun kann. Ein klimafreundlicher Lebensstil tut auch dem Wald gut.“


Gibt es irgendwelche technischen oder chemischen Hilfsmittel, um die Bäume gegen die Trockenheit widerstandsfähiger zu machen. 

„Es gibt keine technischen oder chemischen Hilfsmittel, um Bäume gegen Trockenheit widerstandsfähiger zu machen. Die Lösung liegt darin, die richtige Baumart auszuwählen, die künftig auf dem Boden und in dem künftigen Klima an dem Waldstandort überleben kann. Mehr Möglichkeiten hat der Waldbesitzer eigentlich nicht. Man kann Bäume nicht imprägnieren. Man hat auch nicht die Möglichkeit Bäume zu gießen. Bei Neuanpflanzungen ist es so, dass bei uns im Raum inzwischen einzelne Waldbesitzer ihre jungen Bäume gießen. Altbäume haben aber einen so großen Wasserverbrauch, so dass man diesen nie über Bewässerung stabilisieren könnte.“

Der Wald ist durch den Klimawandel in Gefahr, andererseits gilt er als Klimaretter, weil er das Treibhausgas CO2 bindet. Müssen wir uns jetzt Sorgen machen oder wird die Rolle des Waldes als Klimaretter ohnehin überschätzt?

„Der Wald ist auf der einen Seite Betroffener vom Klimawandel und auf der anderen Seite kann er auch eine Klimaretter-Funktion übernehmen. Dazu muss der Wald aber gesund sein, damit er das CO2 aus der Luft filtert und in Holz speichert. Damit möglichst viel CO2 vom Wald aufgenommen werden kann, braucht es einen gesunden Wald und ein Jahr, in dem es ausreichend regnet. Denn in Trockenjahren sinkt der Holzzuwachs und das bedeutet, dass in diesem Jahr weniger CO2 gebunden wird.“

An heiße trockene Sommer müsse man sich wegen des Klimawandels gewöhnen, sagen die Meteorologen. Gibt es Vorkehrungen, die man im Hinblick auf den nächsten Sommer treffen könnte?

„Wenn es darum geht, die Schäden im Wald möglichst gering zu halten, ist die beste Vorkehrung, dass man die Schäden, die durch Insekten entstehen, in erster Linie durch Borkenkäfer, durch aktives Handeln vor allem in den Fichtenwäldern begrenzt. Das ist das, was man kurzfristig machen kann. Gegen die Trockenheit haben wir keine Einwirkungsmöglichkeiten. Für den nächsten Sommer gibt es nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten. Dinge im Wald brauchen immer eine längere Zeit. Wenn man den Wald gegen diese zunehmenden Herausforderungen stabil machen möchte, dann läuft das in erster Linie über einen jahrzehntelangen Waldumbau. Das ist weiterhin eine ganz wichtige Daueraufgabe.“

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