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Menschen mit Behinderung auf Bauhöfen Inklusion fördern und eine helfende Hand erhalten

Im gesamten Bundesgebiet arbeiten auch Menschen mit Behinderung auf Bauhöfen. Diese Konstellation eignet sich besonders, da es dort eine Vielzahl an adäquaten Helfertätigkeiten gibt und der Weg zu den Behörden kurz ist.

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Von: Tobias Meyer

Die Stadt Lingen im Emsland und das Christophorus-Werk Lingen e.V. arbeiten gemeinsam daran, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Ein Erfolgsbeispiel: Seit dem 01. Juni ist ein Beschäftigter der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) beim Bauhof der Stadt tätig. Stefan Altmeppen, Erster Stadtrat, sagt: „Inklusion hört für uns nicht bei Kindergärten und Schulen auf, sondern betrifft alle Lebensbereiche. Auch als Arbeitgeber möchte die Stadt Lingen dazu ihren Beitrag leisten und zeigen, wie das gelingen kann.“ Zwei Mitarbeiter des Fachdienstes „Arbeit nach Maß“ des Christophorus-Werkes, Johannes Kollmann und Andreas Langner, unterstützten die vier Bewerber dabei. Langner sagt: „Besonders freut uns, dass die Stadt Lingen auf uns zukam und mit uns zusammenarbeiten wollte. Der Bauhof suchte motivierte und qualifizierte Kräfte. Gemeinsam haben wir das Potenzial der Bewerber ausgelotet.“

Jeder Bewerber absolvierte vorab ein mehrwöchiges Praktikum. Damit die Zusammenarbeit mit den neuen Kollegen gut klappte, führten Langner und Kollmann im Vorfeld Gespräche mit den Leitungskräften und Mitarbeitern des Bauhofes. Langner: „Diese offenen und ehrlichen Gespräche vorab sind immer wichtig. Denn für alle Beteiligten ist die Situation neu.“ Straßenrandflächen in Schuss halten, städtische Grünanlagen und Hecken pflegen, Bäume kontrollieren – ab sechs Uhr morgens im Sommer geht es los: Wenn die Straßen noch ruhig sind.


Unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Integrationsbegleitern

Horst Feltrup, Vorarbeiter des Bauhofes, lobt die unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Integrationsbegleitern des Christophorus-Werks: „Sie sind als Ansprechpartner immer für uns da.“ Berührungsängste hatte er keine: „Mit dem Berufsbildungswerk arbeiten wir ja schon einige Jahre zusammen, um den angehenden Fachwerkern im Gartenbau die betriebliche Ausbildungspraxis zu bieten.“ Derzeit funktioniert die Stelle beim Bauhof als ein ausgelagerter Werkstattarbeitsplatz, als sogenannter Außenarbeitsplatz. Das heißt: Der neue Kollege arbeitet beim Bauhof, hat aber weiterhin Ansprüche auf alle Leistungen als Werkstattbeschäftigter – und ein Rückkehrrecht, wenn er das wünscht. Angedacht war eine saisonweise Beschäftigung, doch die Überlegungen gehen weiter. „Vielleicht entwickelt sich aus diesem Modell noch mehr“, sagt der Stellvertretende Geschäftsführer des Christophorus-Werkes, Stefan Kerk. „Denn unser Ansatz ist es, jedem die Arbeit dort möglich zu machen, wie und wo er es sich selbst wünscht. Dazu brauchen wir Partner wie die Stadt Lingen, die den Schritt in Richtung Inklusion wagen, und Menschen, wie die Mitarbeiter des Bauhofes, die diesem offen gegenüberstehen.“

Etwa 500 Menschen mit Behinderung betreut die Nürnberger Institution Noris Inklusion und hat bereits seit Längerem ein ganz ähnliches Modell mit partnerschaftlichen Bauhöfen etabliert. Die dorthin vermittelten Personen sowie die Kommunen ziehen es jedoch vor, nicht persönlich in der Presse zu erscheinen. David Weger, bei Noris Inklusion zuständig für die 23 Außenarbeitsplätze, erklärt uns aber, dass die ausgeführten Arbeiten sehr vielfältig sein können und die Menschen mit Behinderung meist in einem festen Team integriert sind. Dort schaffen sie dann beispielsweise die herabgeworfenen Äste der Baumpfleger mit der Schubkarre zum Pritschenwagen und warnen Passanten auf den entsprechenden Fußwegen. Mäh- und Gärtnerarbeiten sind ebenfalls typisch, außerdem auch das Entleeren von Abfalleimern oder der Einsatz mit den Kollegen an der Kehrmaschine. Weger habe zudem bereits einen weiteren Mitarbeiter in die kommunale Verwaltung vermittelt. Da dieser auch über einen Führerschein verfügt, erledigt er vor allem Botengänge und Postverteilung für die Nürnberger Ämter.

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Ansporn: Unabhängigkeit von Unterstützungsleistungen

„Der größte Ansporn, warum Menschen mit Behinderung einer Arbeit außerhalb unserer Werkstätten nachgehen wollen, ist die Unabhängigkeit von Unterstützungsleistungen. Sie wollen nicht hilfsbedürftig sein, sondern wie alle anderen ihren Teil zum gesellschaftlichen Leben beitragen“, erklärt Weger. Sozial sind sie zwar über die Werkstatt gut abgesichert, das Ziel sei jedoch immer, eine direkte, unbefristete Anstellung direkt bei der Kommune. Dazu müsse dort aber eine reguläre Stelle geschaffen werden, über die der Mitarbeiter in der Regel dann auch besser verdient, als bei der Anstellung in der Werkstatt.

Auf dem Bauhof der Samtgemeinde Fürstenau ist Robert Wenzel dies bereits gelungen. Zusätzlich zum „Budget für Arbeit“ des Landkreises Osnabrück sind durch das Integrationsamt ein Fahrzeug sowie mehrere Arbeitsgeräte finanziert worden: „So komme ich selbstständig und schnell zum nächsten Ziel. Beim Anfahren geht es etwas langsam, insgesamt kommt der Kleintransporter mit 50 km/h aber gut auf Touren“, freut sich Wenzel. Bauhof-Leiter Alfons Giese ist zufrieden: „Er ist immer zuverlässig, motiviert und arbeitet verlässlich. Mit der Zeit wird er immer selbstständiger und kann auch Verantwortung übernehmen.“ Auch seine direkten Kollegen sehen es so: „Ich bin sehr zufrieden, wie Robert seine Arbeit erledigt. Er weiß mit der Zeit immer mehr, wo die Straßen sind und die Beete stehen“, sagt Gärtner Christoph Sander

„Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist in aller Regel eine Bereicherung für die Unternehmenskultur“, sagt Danja Kranz von der Stiftung Liebenau

Unterstützung hat Robert Wenzel auf seinem Weg über die Heilpädagogische Hilfe Bersenbrück erfahren. Diese unterhält rund 30 Einrichtungen und Dienste in der Region und betreut etwa 1.900 Kinder mit Behinderungen, Beeinträchtigungen, psychischen Erkrankungen und/oder Förderbedarf: „Wir haben immer schon den Kontakt zum Bauhof gehabt. In Absprache mit dem Leiter, Herr Giese, haben wir erst ein Praktikum vereinbart. Im Anschluss hat Robert auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz gearbeitet und vor einem Jahr den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mit dem ,Budget für Arbeit‘ geschafft“, sagt der zuständige Jobcoach Werner Kenning. „Der Ausschuss der Samtgemeinde hat bereits im Vorfeld gesagt, dass eine Person über das ;Budget für Arbeit‘ angestellt werden soll. Es ist ein Zeichen, dass die Politik den Arbeitsplatz von Herrn Wenzel unterstützt“, ist diese Entwicklung auch für Thomas Kock aus der Verwaltung Fürstenau folgerichtig: „Die Samtgemeinde erfüllt die Beschäftigungspflicht und möchte gerne weitere Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung beschäftigen.“

Auch die Stiftung Liebenau mit Sitz im Meckenbeurer Ortsteil Liebenau unterstützt Menschen mit Behinderung auf ihrem Weg in die Arbeitswelt. Dabei ist auch der örtliche Bauhof Partner, der neben der tatkräftigen Arbeitsleistung auch in den Genuss weiterer Vorteile kommt, wie die für das Jobcoaching der Liebenauer Arbeitswelten zuständige Mitarbeiterin Danja Kranz erklärt: „Für Menschen mit Behinderung eignen sich besonders einfache und zeitintensive Routineaufgaben. Dadurch werden die anderen Mitarbeiter entlastet. Findet ein Mensch einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz, wird er ebenso wie das Unternehmen von unseren Jobcoaches unterstützt. Die Bezahlung erfolgt nach Leistung, gemeinsam werden dafür individuelle Lösungen ausgearbeitet. Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist in aller Regel eine Bereicherung für die Unternehmenskultur. Mit der Anrechnung der Arbeitsleistung auf die Ausgleichsabgabe kann das Unternehmen außerdem Kosten sparen. Nicht zuletzt tragen die besonderen Arbeitsplätze einen Teil zu einer inklusiven Gesellschaft bei.“

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