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Holpriger Weg zur sauberen Energiequelle der Zukunft

Häufigstes Element des Universums bei 1. Wasserstoff-Summit zum „Hoffnungsträger“ einer ganzen Branche stilisiert

Lesedauer: min
Von: Michael Loskarn

Dr. Johannes Kirchhoff muss ein Optimist mit Sinn für die Umwelt sein. Denn derzeit ficht der geschäftsführende Gesellschafter der gleichnamigen Unternehmensgruppe einen hehren Kampf. Und zwar nahezu allein auf weiter Flur. Nur wenige schlagkräftige Verbündete recken ihr Banner gemeinsam mit ihm in den rauen Wind, der all jenen entgegenpeitscht, die sich für den CO2-neutralen Antrieb der Zukunft stark machen. Denn was der 1. Wasserstoff-Summit der Akademie für Kommunalfahrzeugtechnik (AKT) Mitte Januar in Wörth am Rhein offenbart, macht einerseits Hoffnung. Andererseits hinterlässt er blanke Ernüchterung. Hoffnung, weil sich zwischenzeitlich abzeichnet, dass Politik und Industrie in Sachen H2 nun endlich gemeinsam in eine Richtung marschieren wollen. Aber auch, weil eine Handvoll Kommunen den hundertprozentig sauberen Kreislauf realisieren. Ernüchterung deshalb, weil an jenem Dienstag im Branchen-Informations-Center der Daimler Truck AG während der acht Vorträge einmal mehr deutlich wird, dass Deutschland wohl nur noch als zweiter Sieger aus dem Rennen um den umweltschonenden H2-Antrieb hervorgeht.

„Asiatische Hersteller schließen die Lücke“        

Überraschend und befremdlich zugleich wirkt es, wenn mit Kirchhoff – via Faun – der Chef eines Kommunalfahrzeughersteller zum Treiber einer Entwicklung wird, die die gesamte deutsche Phalanx der Fahrzeug- und Motorenhersteller bereits vor Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten hätte pushen können und müssen. Müßig erscheint es, darüber zu sinnieren, welches die Bremsklötze waren. Theorien werden en masse kolportiert. Die Wahrheit kennen – wenn überhaupt – nur wenige. Vielmehr lautet die Frage: „Gelingt es zeitnahe eine klimaneutrale Entsorgungslogistik in den Markt zu drücken, die dem Dreiklang der Nachhaltigkeit gerecht wird?“ Jener Mann, der diese Frage stellt, erforscht seit den 1970er-Jahren die Auswirkungen des CO2-Anstiegs auf das Klima. Lediglich als interessierter Zuhörer sitzt Prof. Dr. Karlheinz Scheffold an jenem Dienstag im Podium, hängt äußerst präsent an den Lippen der Vortragenden. Hier ein leises Grummeln, dort ein Kopfschütteln: „Daimler-Benz träumt mittels Wasserstoff-Hubkolbenmotor und AdBlue-Abgasreinigung ab 2029 den Lkw-Markt zu beglücken, um die Wertschöpfung zu sichern. Aus Umweltsicht ist dies zu kurz gesprungen. Asiatische Hersteller werden die Lücke schließen.“


„Jetzt auf Dekarbonisierung umsteigen“

Ein Sachverhalt, vor dem auch Dr. David Wenger, Geschäftsführer der Wenger Engineering GmbH, in seinem Vortrag warnt. Hyundai investiere beispielsweise sechs Mrd. Euro in die Entwicklung des H2-Antriebs. Noch in diesem Jahr liefere der koreanische Hersteller 1.600 Lkw mit Brennstoffzellenantrieb an ein privates Schweizer Konsortium, das sich ohne Unterstützung des Staates gebildet habe, um die saubere Technik im Alpenstaat zu etablieren. In Japan würden derzeit Schiffe gebaut, die durch Aggregate unter Verwendung von flüssigem Wasserstoff angetrieben werden. Und China siedle aktuell in Foshan alle H2-Firmen des großen Reichs der Mitte an – um entsprechende Kompetenzen zu bündeln. Außerdem gingen dort Energieforschung, H2-Technik und die fortschreitende Digitalisierung Hand in Hand. Allen Vertretern von Kommunen legte der ehemalige Daimler-Brennstoffzellen-Experte ans Herz, „jetzt auf Dekarbonisierung umzusteigen“.

Daimler: H2-Serienproduktion von 2029 an

Dezent-zurückhaltend wirkt im Kontext der asiatischen Hands-on-Mentalität die Ankündigung Klaus Fischingers, Leiter Entwicklung & Produktion Mercedes-Benz Special Trucks und CTT sowie Sprecher der Geschäftsleitung der Daimler AG (Wörth), H2-angetriebene Fahrzeuge von 2029 an in Serie zu produzieren. Und weiter: Bis 2039 wolle die Truck-Sparte des Global Players mit dem Stern ausschließlich CO2-neutrale Fahrzeuge am Markt platzieren. Als „große Herausforderung“ – und beim Unimog gar als „Herkulesaufgabe“ – bezeichnet dabei der Mercedes-Manager das sogenannte Packaging, also die Unterbringung aller Komponenten unter Berücksichtigung der fahrzeugspezifischen Anforderungen und Gesetze im jeweils gegebenen Bauraum. „Viel Potenzial“ berge dagegen die heiße Wasserstoffverbrennung in sich – wenn das im Universum am häufigsten vorkommende Element in einem Hubkolbenmotor verbrannt werde. Vorteil des „heißen“ H2-Aggregats: „Es passt auch in den Unimog“, so Fischinger. Außerdem behielte Deutschland weiterhin in Sachen Technologieführerschaft die Nase vorne, sollte in den kommenden Jahren konsequent in die Forschung und Entwicklung der heißen Wasserstoffverbrennung investiert werden.

„Aufgrund unserer Elektrolyse-Anlage können in Zukunft etwa 40 Wasserstoff-Großfahrzeuge betrieben werden.“
(Conrad Tschersich, Geschäftsführer der Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal)

Bei den Kommunen hat derzeit Wuppertal die Nase ganz weit vorn. Über eine clevere Anlage inklusive H2-System gewinnt die Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal (AWG) aus Müllverbrennungsanlagen 400 kg Wasserstoff pro Tag. Außerdem werden wertvolle Metalle aus dem Müll separiert und während des kompletten Kreislaufes Strom und Fernwärme generiert. „Aufgrund unserer Elektrolyse-Anlage können in Zukunft etwa 40 Wasserstoff-Großfahrzeuge betrieben werden“, erläutert AWG-Chef Conrad Tschersich. Um solche kommunalen Erfolgsstorys à la Wuppertal zu multiplizieren, stellt der Bund bis 2026 insgesamt 1,4 Mrd. Euro an Fördermitteln zur Verfügung, wie Programm Managerin NIP, Elena Hof, der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW) darlegt. Eine entsprechende Förderung für die Beschaffung von wasserstoffbetriebenen Kommunalfahrzeugen folge in Kürze. Seit 2016 waren bisher ausschließlich F & E-Projekte sowie jene zur Marktaktivierung gefördert worden. „Wir brauchen Fahrzeuge, sonst verfallen die Fördermittel“, mahnt die Managerin.

Flüssiger Wasserstoff via Diesel-Tankzug

Doch Fahrzeuge benötigen auch Treibstoff. Den bundesweiten Netzausbau in Sachen Wasserstoff treibt derzeit federführend die H2 Mobility Deutschland GmbH & Co. KG voran. Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und TOTAL haben sich in der H2 Mobility zusammengeschlossen. 81 öffentlich zugängliche H2-Tankplätze – in der Regel integriert in bestehende Tankstellen – gebe es derzeit in der Bundesrepublik, berichtet Geschäftsführer Nikolas Iwan. 40 weitere seien bereits projektiert. Mit 100 Standorten könnten die Fahrbedürfnisse von sechs Millionen Menschen befriedigt werden, weiß Iwan. Neben der Projektierung, dem Bau sowie dem Betrieb der Wasserstoffzapfsäulen stellt H2 Mobility auch den Treibstoff zur Verfügung, und zwar zentral produziert. Den flüssigen Wasserstoff erhalten die Abnehmer via Tanklastzug – derzeit noch betrieben durch ein Dieselaggregat. Um dies mittelfristig zu ändern, müsste sich in den Vorstandsetagen der Daimlers, Volvos oder Tratons der europäischen Nutzfahrzeugwelt der unternehmerische Geist à la Kirchhoff durchsetzen. Schließlich hat die Politik zwischenzeitlich einen Großteil ihrer Hausaufgaben erledigt.

Text/Bilder: Michael Loskarn – Redaktion Bauhof-online.de

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