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GRÜNPFLEGE-TIPPS Richtig pflanzen statt aufwendig gießen

Wenn im Hochsommer die Sonne brennt und der Regen ausbleibt, müssen vielerorts Pflanzen gegossen werden. Nicht immer ist dies aber zwingend die einzige Lösung. Wer sich von alten Pflanz-Dogmen löst, kann beispielsweise bei jungen Bäumen auch ohne Tank und Brause auskommen.

Lesedauer: min | Bildquelle: Trilety; BastIng; Ecotech; Fiedler; Bison Forest
Von: Tobias Meyer

Seit einigen Jahren hat sich Technik zum Gießen im kommunalen Bereich stark weiterentwickelt. Früher waren teilweise Eigenbauten aus IBC-Containern auf Ladeflächen keine ganz ungewöhnliche Sache. Heute dagegen ist bei vielen Herstellern professionelle Technik verfügbar. Dabei werden oft mehrere Funktionen mit einem Grundsystem bedient, wie etwa beim Multiwash von Eco-Tech: Gießarm, Solesprüher, Frontwaschbalken oder Kanalspülgerät können mit dem gleichen Wassertank betrieben werden. Parat stehen Volumen von 200 bis mehr als 10.000 Liter. Sie können als Standardtanks oder als maßgeschneiderte Aufbauten bezogen werden. Letztere haben den Vorteil, dass sie die höchstzulässigen Achslasten optimal ausnutzen. Auch Fiedler hat entsprechend vielseitige Geräte im Portfolio, hier ist vor allem die elektrische Verstellung des Gießarms interessant, da so relativ einfach wiederkehrende Bewegungsabläufe gespeichert und auf Knopfdruck abgerufen werden können, etwa an Alleebäumen. Weitere relevante Hersteller sind beispielsweise Hummel Kommunaltechnik, Trilety oder Reinex.


Wurzeln der gepflanzten Jungbäume sind oft zu klein

Gleichzeitig zum steigenden Bedarf an Gießtechnik durch immer heißere und trockenere Sommer wird vielerorts auch das Wasser knapper. Aufwendiges Gießen ist dann kaum noch zu rechtfertigen. Was aber, wenn für diverse Pflanzen gar kein Wasser, keine Technik sowie keinerlei Mannstunden notwendig wären? Laut Bison Forest-Spezialist Ulrich Grauvolgel sei dafür vor allem bei neu gepflanzten Straßen- oder Stadtbäumen ein Umdenken erforderlich. Diese setzt man meist als mehrjährige Exemplare in Gestellen angebunden in die Landschaft. „Wir beobachten hier ein verstärktes Absterben solcher Bäume, in manchen Regionen stehen nur noch Skelette entlang von Bundesstraßen. Ihre Wurzeln waren aus der Baumschule schlicht zu klein, um das nötige Wasser in heißen Sommern zu erreichen. Zudem sorgt dann die Physik für Probleme in der kleinen, von der Sonne aufgeheizten Krone: Wenn dort der Dampfdruck steigt, wird Wasser irgendwann schlicht unpumpbar. Das nennt man Kavitation und ist für solche Bäume ein großes Problem“, erklärt Grauvogel, der als Ingenieur auch schon internationale Projekte für Siemens gestemmt hat und diese Kompetenz nun bei Bison Forest einbringt.

Problematisch sei daher, dass solche Bäumchen die erforderliche Ökosystemleistung nicht erbringen können, sprich sie wachsen nicht aus und binden daher kaum CO2. „Die entsprechenden Zulieferer geben darauf auch keine Garantie, sie verkaufen lieber in zehn Jahren erneut einen Baum“, so Grauvogel. Möglich sei das auch, da derzeit für solche Maßnahmen noch keine Klima-Fußabdrücke kalkuliert werden: Durch Kühlhaus, Lkw-Transport, maschinelle Unterstützung beim Pflanzen mit Bagger sowie die anschließende Bewässerung über lange Jahre kommt einiges an emittiertem CO2 zusammen. „Der vermeintlich ökologisch sinnvolle, an Straße oder im urbanen Raum gepflanzte Baum hat durch seine aufwendige Aufzucht sowie die notwendige Pflege über die jungen Jahre möglicherweise sogar einen negativen Einfluss auf das Klima“, gibt Grauvogel zu bedenken.

Lösung: „Tiny Forest“

Im Rahmen seiner Vorlesungen über Pflanztechnik für die Landschaftsarchitekten an der TH Nürnberg sowie am Waldbildungszentrum Rheinland-Pfalz in Hachenburg erklärt Grauvogel dann auch, wie sich die Probleme in den Griff bekommen lassen: Seine Lösung nennt sich „Tiny Park“ oder „Tiny Forest“. Dabei pflanzt man bis zu sechs verschiedene Spezies aus zwölf bis 16 Individuen auf etwa vier m2. Diese sind in einer speziellen biologisch abbaubaren Netzpatrone samt Erde vorgekeimt, mit der zusammen sie in den Boden kommen. Statt des Spatens erledigt das dann ein Erdbohrer, wie ihn etwa das Forst-Start-up BastIng (bekannt durch den Spindelkeil) anbietet. So haben die Pflanzen kaum Umzugsstress, zumal sie sich im jungen Alter noch gut an einen neuen Platz gewöhnen können.

Die entsprechenden Setzlinge können ganzjährig in die Erde – auch im heißen Sommer. Denn dies sorgt bei der Pflanze für eine Art Kulturschock, der sie zusätzlich stressresistenter macht. „Am besten funktioniert so etwas um einen alten Totholz-Stumpf herum, der dann wie ein Schwamm als Wasserspeicher fungiert“, erklärt der Fachmann. Angereichert wird der Boden lediglich mit etwas Waldboden und Laub, um die notwendigen Mikroorganismen zu etablieren. „Nach zwei bis drei Jahren steht das Ganze bereits zwei Meter hoch und man kann die schwächeren Exemplare herauspflegen. Nochmals einige Jahre später hat ein Tiny Park einen gleichzeitig im Gestell gepflanzten Hochstamm dann bereits überholt“, versichert Grauvogel. Durch das sehr junge Aufwachsen in der endgültigen Umgebung seien diese Bäume langfristig überlebensfähig – ohne überbordende Pflegemaßnahmen wie Gießen oder Wassersäcke.

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TCO: Tiny-Park-Baum kostet insgesamt weniger

Zudem verbessere sich auch die Total-Cost-of-Ownership, also was der Baum insgesamt kostet: Entweder bekomme man so mehr Ökosystemleistung fürs gleiche Geld oder die gleiche Ökosystemleistung – die ein Gestell-Baum theoretisch bringen würde – für weitaus weniger Invest.

Eine Studie der ETH Zürich zeigt, dass Bäume sehr stark darauf angewiesen sind, Informationen über Herausforderungen an ihrem Standort an die nächste Generation weiterzureichen. Das passiert direkt über die Gene in den von ihnen produzierten Samen. Menschen und auch Tiere können sich nomadisch bewegen, was wir während unserer Evolution auch immer getan haben: Wenn sich die Gegebenheiten vor Ort ändern, ziehen wir einfach weiter. Bäume können das nicht, weshalb sie ihre Nachkommen viel stärker und schneller auf die aktuellen Herausforderungen vorbereiten müssen: „Wir sollten daher künftig nicht von denen Bäumen ernten, die unter idealen Bedingungen wachsen – sondern von vitalen, aber gestressten Kandidaten“, erklärt der Wissenschaftler. Solche Samen sind von ihren Mutterbäumen am besten auf die künftigen klimatischen Situationen vorbereitet worden. In praktischen Versuchen bestätigte sich das bereits: Grauvogel erntete in Rom unter eigentlich katastrophalen Bedingungen wie Hitzestress die Eicheln von Steineichen. Diese keimten hierzulande dann sehr vital.

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