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Gründer-Trio Enway: Die autonome Kehrmaschine „Blitz“ ist erst der Anfang

Anfang des Jahres riefen die Informatiker Bo Chen, Julian Nordt und Thanuja Ambegoda ihr Startup ins Leben. Der erste Prototyp, eine modifizierte Kehrmaschine, ist bereits auf dem EUREF Campus Berlin im Einsatz. Doch bei dieser Maschine allein soll es nicht bleiben

 

 

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Was kommt dabei heraus, wenn sich drei junge studierte Informatiker zu einem Startup zusammenschließen? Im Falle von Enway ist es „Blitz“ – eine modifizierte Kehrmaschine, die unter anderem ganz autonom ihre Arbeit erledigt. Bo Chen (30), Julian Nordt (31) und Thanuja Ambegoda (32) heißen die Mitglieder des Berliner Gründer-Trios. Vor Kurzem konnte das Startup eine erfolgreiche Seed-Finanzierung (die frühe Investition in ein Startup) abschließen. Kennengelernt haben sich die drei während der Unizeit und ihren ersten Schritten in der Arbeitswelt im Bereich Consulting. Nach einer gemeinsamen Probearbeitswoche in Berlin im September 2016 entschieden sie sich zur Gründung ihres Startups. Nur ein Jahr später ist ihr erster Prototyp fertig. Derzeit dreht das Spezialfahrzeug auf dem EUREF Campus in Berlin seine Runden und reinigt dort das Gelände. Momentan wird die Kehrmaschine noch weiter optimiert. Und eines ist schon jetzt klar: Bei einem modifizierten Sonderfahrzeug allein soll es nicht bleiben. Wir sprachen mit zwei der Gründer, Bo Chen und Julian Nordt, über die Idee, die hinter der modifizierten Kehrmaschine steckt, über die Zukunftspläne des jungen Unternehmens, aber auch darüber, warum ihre Maschinen auf keinen Fall die menschliche Arbeit ersetzen soll.

Herr Nordt, Herr Chen, wieso haben Sie Ihren Schwerpunkt ausgerechnet auf das Entwickeln von automatisierten und autonomen Spezialfahrzeugen gelegt?

Julian Nordt: Wir haben uns davor angeschaut, wo man die Technologie, die jetzt vor allem im Bereich Autos – autonom fahrende Autos – erarbeitet wird, noch potentiell einsetzen kann. Daraufhin haben wir eine Marktanalyse durchgeführt. Dabei sind wir dann auf den Bereich Spezialfahrzeuge gestoßen. Wir haben gesehen, dass es dort unglaubliche Kompetenzen im Bereich Maschinenbau gibt, aber durchaus noch Möglichkeiten im Bereich der Software-Technik.

Allerdings ist der Bereich Spezialfahrzeuge doch recht breitgefächerter. Wieso fiel die Wahl auf Kehrmaschinen?

Bo Chen: Im Grunde sind wir nicht dringend auf Kehrmaschinen beschränkt. So diskutieren wir auch ein potentielles Projekt im Bereich Abfallsammelfahrzeuge. Wir hatten nur schon zu Anfang sehr gute Gespräche mit der Berliner Stadtreinigung. Die BSR unterstützt uns beispielsweise mit ihrer Expertise in kommunaler Reinigung und Fuhrparkmanagement. Außerdem stellt sie uns im InfraLab Berlin Räume und Möglichkeiten für technische Test zur Verfügung. Daher kam dann auch ein bisschen die Richtung hin zu den Kehrmaschinen.

Hat Ihr erster Prototyp, die modifizierte Kehrmaschine, eigentlich einen Namen?

Chen (lacht): Er hat zwar einen Namen, der ist aber nicht offiziell. Intern nennen wir ihn „Blitz“ – das steht für „blitzblank“.

Und was genau zeichnet Ihren „Blitz“ aus?

Chen: Was ihn auszeichnet ist, dass er autonom fahren kann. Dafür hat er verschiedene Modi. Da gibt es zum einen den vollautonomen Modus, wo man ihm eine zuvor aufgezeichnete Karte mit vorbestimmten Wegpunkten gibt. Diese Wegpunkte fährt die Kehrmaschine dann ab und weicht dabei auch Hindernissen aus. Zum anderen gibt es noch einen halbautonomen Modus, die „Follow-me“-Funktion. Hierfür hängt man sich ein Mobiltelefon um und trägt eine reflektive Weste, also eine Warnweste. Das Gerät trackt die Person über die Reflektoren an der Weste und folgt ihr dann.

Nordt: Die „Follow-me“-Funktion ist eigentlich auch der Modus, den wir eher in der Praxis sehen, als ein vollautonomes Gerät. Einfach mit dem Hintergrund, dass dieser halbautonome Modus beispielsweise die händische Straßenreinigung durchaus leichter machen kann. Denn der ganze Schritt der Vertütung von Müll, den die händischen Straßenreiniger ja auch erledigen müssen, könnte dann entfallen, wenn eine kleinere Kehrmaschine hinter dem menschlichen Mitarbeiter herfährt.

Ziel Ihrer Entwicklungen ist also nicht die Ersetzung der menschlichen Arbeitskraft?

Nordt: Genau. Gerade in Deutschland ist eher der Unterstützungsgedanke ein Thema und ebenso der Aspekt, den Job in gewisser Weise sicherer zu machen. Ich persönlich glaube auch nicht, dass in ein paar Jahren überall vollautonome Kehrmaschinen in Deutschland fahren. Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Viel mehr wird eine gute Kooperation zwischen den Menschen und den Maschinen im Vordergrund stehen. Deswegen konzentrieren wir uns auch mehr auf Funktionen, die den Betrieb einfacher und sicherer machen. Zum Beispiel besitzen viele Kehrmaschinen derzeit noch gar keine richtigen Unterstützungssysteme, also Fahrassistenzsysteme, wie man es aus dem PKW-Bereich kennt. Das ist ein Bereich, den wir uns sehr gut vorstellen können, für unsere Software.

Wie lange haben den überhaupt die Arbeiten an Ihrem ersten Prototypen gedauert?

Chen: Wir haben uns im Januar dieses Jahres gegründet. Im Grunde genommen lag dann so gut wie unsere gesamte Konzentration auf der Software. Das heißt, wir haben eine existierende Kehrmaschine eines namhaften Herstellers, die ursprünglich manuell kontrolliert wurde indem der Fahrer auf der Maschine saß und sie gelenkt hat, leicht modifiziert sowie umgerüstet, so dass man sie jetzt elektronisch ansteuern kann. Dafür wurde die Kehrmaschine mit einem Elektromotor ausgestattet. Wir haben das Gerät Ende Februar erhalten, waren dann Ende Mai mit den Hardware-Modifikationen fertig und haben natürlich in der Zwischenzeit schon parallel die Software weiterentwickelt. Somit sind wir jetzt eigentlich schon so weit um sagen zu können, dass wir die erste stabile Alphaversion der Software fertig und auch auf dem Gerät funktionell am Laufen haben.
 
Sind Sie montan wirklich die einzigen, die an automatisierten und autonomen Kehrmaschinen entwickeln? Ich denke da beispielsweise an die autonome Scheuersaugmaschine von Nilfisk?

Nordt: Ich denke Nilfisk hat ja bisher vor allen Dingen ein Produkt im Bereich Indoor-Reinigung vorgestellt. Und so wie ich das sehe, gibt es da schon relativ viele Marktteilnehmer, die kurz vor der Serienreife stehen. Und klar, auch im Außenreinigungsbereich und im Markt für größere Spezialfahrzeuge gibt es bereits Entwicklungen in die Richtung automatisierter sowie autonomer Maschinen. Die befinden sich allerdings oft erst im Forschungsstadium. Da sind wir, denke ich, schon einer der ersten Marktteilnehmer, die tatsächlich ihre Produkte auch bereits auf der Straße testen.

Wo genau reinigt Ihr „Blitz“ denn bereits die Straßen?

Nordt: Zurzeit ist der Einsatz noch auf den EUREF Campus beschränkt. Einfach, um die Technik noch ein bisschen sicherer und stabiler zu machen. Außerdem stehen wir jetzt gerade in Diskussion mit der Berliner Stadtreinigung, um zu schauen, wie genau man unsere modifizierte Kehrmaschine letztlich in Berlin im nächsten Jahr auf die Straße bringen kann. Aber immer mit dem Fokus eben auf eine unterstützende Funktion für die Straßenreiniger und Kehrmaschinenfahrer.

Wie fiel denn bislang die Resonanz aus, die Sie auf Ihre modifizierte Kehrmaschine erhalten haben?

Chen: Also wir haben jetzt noch keine negative Resonanz bekommen. Wir hatten beispielsweise auch schon erste Meetings mit Kehrmaschinenfahrern der Berliner Stadtreinigung. Und die fanden unser Projekt eigentlich alle sehr spannend. Sie meinten außerdem, dass sie sich durchaus vorstellen könnten, dass so eine „Follow-me“-Funktion sehr sinnvoll sein könnten. Dann können sie zum Beispiel aussteigen, irgendwelche Flächen händisch reinigen während die Maschine ihnen dabei immer folgt, dann wieder einsteigen und weiterfahren.

Vor ein paar Woche haben Sie nun erfolgreich eine Seed-Finanzierung abgeschlossen. Herzlichen Glückwunsch dafür. Welche Argumente haben Ihre Investoren überzeugt?

Nordt: Auf der einen Seite sicherlich die Tatsache, dass wir ein ganz technisches Team sind, das auch eine sehr hohe Erfahrung im Bereich Robotik- und Computervision hat. Auf der anderen Seite gelten Spezialfahrzeug auch als ein interessantes Feld, weil dort solche halbautonomen Funktionen womöglich schneller auf den Markt gebracht werden können, als beispielsweise bei PKWs, weil diese Spezialmaschinen ja relativ langsam operieren und im Einsatz dann auch gerade einmal mit 6 bis 8 km/h fahren. Und der dritte Grund war – auch wenn das jetzt vielleicht ein bisschen seltsam klingt –, dass wir relativ authentisch aufgetreten sind. Wir haben da nicht viel vorgespielt und das fanden die Investoren, nach ihrem Feedback zu urteilen, wohl ganz gut. Wir haben beispielsweise ein paar Demos zu diesem Zeitpunkt gemacht, die ganz schlecht gelaufen sind. Aber gerade das fanden die Investoren irgendwie gut. Sie meinten nur: „Ok, das hat jetzt leider nicht funktioniert, aber das zeigt ja immerhin, dass ihr wirkliche Techniker seid und wirklich an der Technologie arbeitet.“  

Für was wird das nun erhaltene Investment eingesetzt?

Chen: Zum größten Teil wird es dafür eingesetzt, um das Technik-Team aufzubauen. Bisher haben ja hauptsächlich wir drei Gründer und ein paar Freelancer sowie Helfer daran gearbeitet. Aber jetzt geht es wirklich darum, ein richtiges Team um das Startup aufzubauen. Die Idee ist es, dass wir bis Ende des Jahres acht bis zehn Vollzeitpersonen sind. Und zum Zweiten soll das Geld auch dafür eingesetzt werden, weitere größere Fahrzeuge mit unserer Technologie auszustatten. Unser „Blitz“ ist ja jetzt die kleinstmögliche Kehrmaschine, die man verwenden kann. Unser Ziel ist es aber, die Entwicklung auf das nächste Level zu bringen, indem man die Technologie auf größeren Kehrmaschinen oder auch größere Abfallsammelfahrzeuge anwendet.

Wie sieht denn dann der momentane Entwicklungsstand bei Ihnen aus?

Chen: Also die Software entwickeln wir jetzt schon so, dass sie auch auf größere Fahrzeuge angebracht werden kann. Wir befinden uns zurzeit bereits in ersten Auswahlgesprächen, für die Modelle im Bereich Kompaktkehrmaschinen, die wir dann gerne umrüsten würden. Unser Ziel ist es, im Jahr 2018 mindestens eine kommunale Kehrmaschine und idealerweise auch mindestens ein Abfallsammelfahrzeug mit unserer Technologie auszustatten.   

Gibt es bereits Anfragen von Herstellern, die mit Ihnen zusammenarbeiten wollen?

Nordt: Wir sprechen bereits mit einigen Herstellern. Ich bin also optimistisch, dass wir hier in den nächsten Monaten erste Kooperationen verkünden können.

Interview: JG – Redaktion Bauhof-online.de
Bilder: Enway

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