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EXPLOSIVES AUF WERTSTOFFHÖFEN Wenn Müll-Entsorgung zur Gefahr wird

Kommunale Wertstoffhöfe sind Dreh- und Angelpunkt der deutschen Kreislaufwirtschaft. Hier werden diverse Recycling-Produkte entsorgt, von Sperrmüll über Altholz und Metallschrott bis hin zu Elektrogeräten und Bauschutt. Dass dabei regelmäßig Kuriositäten abgegeben werden, ist allgemein bekannt. Allerdings verdient die Tatsache, dass Unwissenheit auch zu ernsthafter Gefahr führen kann, besondere Aufmerksamkeit. Bauhof-online.de hat ermittelt, welche explosiven Gegenstände bereits auf Wertstoffhöfen abgegeben wurden, und wie Verbraucher sowie Mitarbeiter sich schützen können.

Lesedauer: min | Bildquelle: pixabay (flyerwerk, aitoff, Peggy_Marco, Carisma-Training), KI-generiert
Von: David Herwede

Wohin mit den Sachen, die nicht in die Mülltonnen am Haus gehören? Ganz klar: ab zum Wertstoffhof! So scheint zumindest der Konsens eines breiten Bevölkerungsteils zu sein. Allerdings gibt es sehr wohl auch Gegenstände, die entweder gar nicht auf den Recyclinghof gehören, oder zumindest fachgerecht entsorgt werden müssen, weil sie sonst ernsthafte Gefahren wie Brände und Explosionen auslösen können. Dazu gehören beispielsweise die jedes Jahr an Silvester genutzten Feuerwerkskörper und Böller, denn diese können sich bei falscher Entsorgung entzünden oder explodieren und so Brände auslösen – auch nach Neujahr.

Selbstverständlich dürfen auch Gasflaschen, Spraydosen oder ähnliche Behälter nicht unsachgemäß entsorgt werden, denn diese beinhalten nicht nur leicht entflammbare Stoffe, sondern stehen zusätzlich unter Druck. Eine Gefahr geht dabei aber nicht immer nur von denjenigen aus, die Gasflaschen an einem Wertstoffhof abgeben – auch für Hof-Mitarbeiter können durch Arbeitsunfälle ernsthafte Gefahren entstehen. Laut Zeit-Online explodierte beispielsweise im Mai 2023 eine nicht geleerte Gasflasche auf einem Recyclinghof im Schwarzwald-Baar-Kreis, die zusammen mit anderem Metallschrott per Greifer in eine Presse geladen worden war.

Kurios und gefährlich gehen oftmals Hand in Hand

Problem dabei: Einige Bürger können die Gefahr, die von manchen Gegenständen ausgeht, nicht richtig einschätzen. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Wertstoffhof-Mitarbeiter korrekt reagieren, um eine Tragödie zu verhindern. Laut dpa (Deutsche Presse-Agentur GmbH) konnte womöglich nur durch die Aufmerksamkeit eines Arbeiters Schlimmeres verhindert werden, als 2015 eine Rentnerin eine Stielhandgranate aus dem Zweiten Weltkrieg bei einem Wertstoffhof in Mettlach abgab. Nachdem der Mitarbeiter die Polizei informiert hatte, entsorgte der extra angerückte Kampfmittelräumdienst die Handgranate fachgerecht.


 

Seltsamerweise gab es allein in Hamburg schon mehrere Fälle, in denen auf Wertstoff- oder Recyclinghöfen explosive Pikrinsäure abgegeben wurde. Das Forschungslabor der Prevor GmbH gibt an, dass der kristalline Feststoff z.B. für Streichhölzer, Lederverarbeitungs-Techniken, Metallgravur-Verfahren oder Batterien, aber auch für das Färben von Stoffen oder Glas sowie in Apotheken verwendet wird. 2019 brachte laut Spiegel.de eine 71-jährige Frau einen ganzen Behälter davon zu einem Schadstoffhof. Auch hier reagierten die Mitarbeiter korrekt: Sie erkannten das Gefahrgut und alarmierten die Polizei, die das Gebiet sperrte und räumen ließ, bis LKA-Spezialeinheiten anrückten.

Auch Akkumulatoren bergen Gefahr

Von Lithium-Ionen-Akkus wird die Brand- und Explosionsgefahr wohl weitgehend unterschätzt: Dabei gibt es hier gleich mehrere Ursachen, die zu Bränden führen können, z.B. ein Defekt, thermische Belastungen, oder bereits eine totale Entleerung. Obendrein werden entsprechende Energiespeicher mit steigender Tendenz für zahlreiche Haushalts- und Gartengeräte sowie für Werkzeuge und Smartphones verwendet. Bei richtiger Entsorgung werden alte Akkus recycelt, indem die wertvollen Metalle daraus zurückgewonnen und wiederverwendet werden. Bei falscher Entsorgung kommt es leicht zur Brandgefahr.

„Elektronik- und Elektroschrott gehört grundsätzlich nicht in Abfalltonnen. Sie können kostenlos im Handel zurückgegeben oder auf dem Wertstoffhof abgegeben werden. Vorher sollten unbedingt Akkus, Batterien und Leuchtmittel entfernt und entsorgt werden“, so Sigrid Aldehoff, Sprecherin der Stadtwerke Offenbach. „Können diese Komponenten nicht entfernt werden, sind die kompletten Geräte getrennt als Elektro-Altgeräte zu entsorgen. Dazu zählen beispielsweise Lampen, aber auch viele Artikel für Kinder und vor allem auch E-Zigaretten. Sie sollen unbedingt – so auch die Empfehlung des Bundesumweltministeriums – separat entsorgt werden, um einen Brand oder Quecksilber-Kontaminationen durch Beschädigungen beim weiteren Entsorgungsprozess zu vermeiden.“

Auch größere Speicher („Hochenergie-Akkus“ oder „Industriebatterien“) können i.d.R. beim entsprechenden Händler zurückgegeben werden. Alternativ nehmen auch kommunale Sammelstellen entsprechende Akkus kostenfrei entgegen – darunter auch Wertstoffhöfe. Da dieser Service aber nicht von allen Wertstoffhöfen angeboten wird, empfiehlt es sich, vorab nachzufragen. Zudem bewertete die Deutsche Umwelthilfe (DUH) im vergangenen Jahr den Schadstoff-Service in 86 Kommunen. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass nur zwölf Prozent der Kommunen und 36 Prozent der getesteten Sammelstellen einen „guten Service“ aufwiesen.

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„Verbesserungsbedürftiger“ Service bei zahlreichen Annahmestellen

Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der DUH, weist daraufhin, dass stationäre und dauerhaft erreichbare Sammelstellen zur Entsorgung von Schadstoffen keine Selbstverständlichkeit seien. Nur in 36 der 86 untersuchten Kommunen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland gebe es solche Sammelstellen mit regelmäßigen Öffnungszeiten. Diese seien allerdings bei den meisten Stellen „nicht serviceorientiert“: „Die Öffnungszeiten sollten auch für Arbeitnehmende passend sein, daher fordern wir eine Mindest-Öffnungszeit von 50 Stunden pro Woche sowie eine Öffnung auch an Samstagen. Bürgerinnen und Bürger sollten sich vor dem Besuch der Sammelstelle anhand einer übersichtlichen Website über Öffnungszeiten, Standort, angenommene Schadstoffe sowie anfallende Gebühren gut informieren können.“

Außerdem machten wohl zahlreiche Sammelstellen Fehler bei der fachgerechten Entsorgung, Sammeltische seien oft unbesetzt gewesen und Beschilderungen, die Besucher z.B. auf die Entnahmepflicht von Akkus hinweisen, fehlten oft. „In Zukunft dürfen Elektrogeräte mit Batterien nur noch durch das Wertstoffhof-Personal einsortiert werden (am 09.10.2024 im Kabinett beschlossene Überarbeitung des Elektrogesetzes). Diese Neuerung begrüßen wir, da sich dadurch die Sortierung der Geräte verbessern wird. Auch ist das Wertstoffhofpersonal dann verpflichtet, die entnehmbaren Batterien vor der Einsortierung zu entfernen und separat zu sammeln.“ Einige Kommunen setzten sogar ausschließlich Schadstoffmobile ein, die jedoch selten im Jahr zur Verfügung stünden.

Für Fischer ist das ein deutliches Problem: „In Bezug auf die Schadstoffsammlung ist es sehr wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, ihre Schadstoffe zu festen Öffnungszeiten bei einer stationären Schadstoff-Annahmestelle abzugeben. Schadstoffmobile können ergänzend zu stationären Sammelstellen eingesetzt werden, sind aber keinesfalls in der Lage, diese zu ersetzen.“ Zudem sei bei 64 Prozent der getesteten Sammelstellen keine zerstörungsfreie Annahme von Elektrogeräten gewährleistet. „Das ist problematisch, weil dadurch Schadstoffe freigesetzt werden können, die die spätere Schadstoff-Separierung erschweren und die Wiederverwendung unmöglich machen.“

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