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Energie aus frischer Biomasse: Zu schade für den Kompost

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Auf der Jagd nach regenerativen Energiequellen gerät das Material aus der Flächenpflege zunehmend ins Blickfeld. Einem Münchner Unternehmen ist es gelungen, sämtliche frische Pflege-Abfälle in hochwertiges Brennmaterial umzuwandeln. Der FLÄCHENMANAGER hat sich erklären lassen, wie das funktioniert.

Auf einer Kompostanlage irgendwo im Speckgürtel von München läuft eine Pilotanlage, die in naher Zukunft dafür sorgen könnte, dass sich der Kampf um die Biomasse weiter verschärft. Denn prinzipiell kann allein die Anlage der florafuel AG schon jetzt jährlich mehrere Tausend Tonnen Blätter, Wiesenmähgut und andere Biomasse aus der Flächenpflege in Pellets oder Briketts verwandeln – dank zahlreicher selbst entwickelter und zum Teil patentierter Technikkomponenten. Wenn die Brennstoffe in Zukunft über einen Holzvergaser in Strom und Nahwärme verwandelt werden, könnte ein ganzer Landkreis seine Pflanzenreste in Energie umwandeln.

Betreiber der Anlage und Vorstand der florafuel ist Hans Werner, in zweiter Generation geschäftsführender Gesellschafter einer Straßenreinigung und eines Landschaftsbaubetriebs in der bayerischen Landeshauptstadt. Werner ist Gründungsmitglied der Fachvereinigung bayerischer Komposthersteller (FBK) und Mitinhaber einer Firma für Altholzverwertung. Er erkannte bereits kurz nach der Jahrtausendwende, dass durch das im Jahr 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der Druck auf Altholz als Energieträger zunehmen wird. Gleichzeitig blieben Absatz und Erlös der Komposte aus Grünschnitt in der Region unbefriedigend. Seit dieser Zeit tüftelt der Unternehmer an einer Lösung, die Wertschöpfung aus dem Pflegematerial zu steigern – seit Beginn 2006 wissenschaftlich begleitet von der Universität der Bundeswehr München.

Der Wert als Heizmaterial im Fokus
Bei seinen Entwicklungen ist Werner den umgekehrten Weg gegangen, der sonst beschritten wird. Der Oberbayer ist nicht der Frage nachgegangen, wie sich aus dem Material möglichst günstig Brennstoff herstellen lässt. Vielmehr hat er sich überlegt, wie ein Prozess beschaffen sein muss, um das vorhandene Material in einen hochwertigen Brennstoff zu verwandeln.

Im Vordergrund stand also das Produkt, nicht das Ausgangsmaterial.
Das Ergebnis dieser Überlegungen kann sich sehen lassen. Bereits Anfang 2003 hat Werner das Prinzip zum Patent angemeldet und hat dann sukzessive mit eigenen Leuten und gemeinsam mit verschiedenen Maschinenbau-Unternehmen die einzelnen Komponenten entwickelt, gebaut und verbessert. Seit geraumer Zeit läuft die gesamte Anlage in der Größe eines Einfamilienhauses aus Waschmaschine, Presse, Trockenturm und Brikett- oder Pelletpresse für jeweils mehrere Stunden und ermöglicht Untersuchungen im laufenden Betrieb. Dr. Swantje Mignon Schlederer, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der Universität der Bundeswehr München, macht seit 2006 Versuche zu einzelnen Prozessabläufen. Nun steht der Dauerlastbetrieb bevor. „Wir haben die Anlage jetzt auch ab und an drei Tage Tag und Nacht laufen lassen und das wollen wir jetzt über längere Zeiträume machen“, sagt Werner.

Die Anlage ist in ihrer Entwicklung schon sehr weit fortgeschritten. Und auch die Produkte können sich sehen lassen. Sie stehen in BigBags im Eingangsbereich der Halle; farblich variierend, je nachdem mit welchen Ausgangsstoffen die Anlage gefüttert wurde. Die Pellets und Briketts haben eine Restfeuchte von etwa 10 % und einen Heizwert, der nur 5 bis 8 % unter dem von Holzpellets liegt. Ein Großteil der für den Brenner schädlichen Stoffe, etwa Chlor (–90 %) und Kalium (–80 %) sind ihnen bereits entzogen worden. Auch der Gehalt an mineralischen Bestandteilen, die das Volumen der Asche steigern würden, ist stark reduziert. Denn die Ausgangsstoffe werden vor der Trocknung gewaschen und anschließend abgepresst. Mit dem Presssaft verschwindet dann zugleich eben auch ein beachtlicher Anteil der oben genannten Pflanzeninhaltsstoffe aus der Biomasse. Außerdem enthält die abgeschiedene Flüssigkeit noch einiges an Energie und kann als Energieträger in eine Vergärungs- oder Kläranlage gegeben beziehungsweise als Flüssigdünger ausgebracht werden.

Zugleich reduzieren sich mit dem Entzug der Flüssigkeit auch Gewicht und Masse des Grünguts, das getrocknet werden muss. Aus einer Tonne Gras oder Laub werden circa 500 kg Saft abgepresst und 500 kg zu Brennstoff weiterverarbeitet.

Das spinatfarbene Pressgut wandert in einen 4 m hohen Turm, in dem ein eigens dafür entwickelter Trockner der Biomasse besonders energiesparend schichtweise die Feuchtigkeit entzieht. Bereits nach einer Stunde kommt ein kurzfaseriges, torfähnlich aussehendes Trockengut aus dem Lüfterturm und steht zum Verdichten zu Pellets oder Briketts bereit.

Regionaler Brennstoff als Ziel
10.000 bis 15.000 Jahrestonnen Biomasse soll eine Anlage in der Größe der Pilotanlage in Zukunft im Volllastbetrieb (5 000 h/a) in Pellets oder Briketts verwandeln – das sind umgerechnet rund 10.000 bis 12.000 MWh/a. Damit qualifiziert sich die Technik für einen regionalen Einsatz. Denn Werners Ziel ist es, ohne große Transportwege die in einer Region anfallende Biomasse in einen vor Ort nutzbaren, aber transportablen Brennstoff zu verwandeln. Wie viel der dann kostet, steht noch nicht genau fest. Der Preis für die Brennstoffe dürfte aber 20 bis 30 % unter dem Preis herkömmlicher Holzppellets liegen, schätzt Werner. Bei Briketts sei das Verhältnis noch günstiger.

Der besondere Vorteil: Die aus den Biomasse-Brennstoffen gewonnene Energie ist grundlastfähig; sprich: sie lässt sich zu jeder Zeit in Form von Strom und Wärme bereitstellen. Ganz nebenbei werden auch andere Nachteile der alternativen Energieerzeugung über Biogasanlagen reduziert; etwa die Emission von Lachgas und Ammoniak und das Probleme, dass sich die Abwärme der meist siedlungsfern errichteten Gäranlagen oft nicht nutzen lässt. Mit Pellets und Briketts rücken Wärme- und Stromerzeugung wieder unmittelbar in den Siedlungsbereich und zumindest im Winter kann die Abwärme als Heizwärme vermarktet werden. Zudem kann der erzeugte Energieträger auch ausschließlich zur Wärmebereitstellung Verwendung finden.

Auf dem 12. internationalen Fachkongress für Holzenergie, den der Bundesverband BioEnergie (BBE) vom 27. bis 28. September 2012 in der Messe Augsburg veranstaltet, wird Schlederer das florafuel-Verfahren der Öffentlichkeit vorstellen. Aber daran, dass seine Idee ankommt, hat Werner ohnehin keinen Zweifel: „Diese Technik wird sich durchsetzen und wird Stand der Technik – davon bin ich überzeugt“, sagt der Unternehmer. Und nach zehn Jahren Entwicklungszeit komme es auf vier oder fünf Monate mehr auch nicht mehr an.

Spannend wird auch die Position der Kompostwirtschaft, die ja schon bei der EEG-Novellierung ganze Lobbyarbeit geleistet hatte, um im Wettlauf um die Biomasse nicht das Nachsehen zu haben. Ein Netz von Anlagen à la florafuel könnte den Wettbewerb um das Ausgangsmaterial noch einmal kräftig anheizen. Und bei der derzeitigen Lage der Prioritäten dürfte es generell schwer zu erklären sein, weshalb man aus Gras und Laub Erde machen sollte und nicht Öko-Strom und Wärme; zumindest überall dort, wo für Kompost keine auskömmlichen Preise zu erzielen sind.

Tjards Wendebourg, Redaktion FM, in FM, Ausgabe 3/12, vom 7. September 2012
Lesen Sie dazu auch den Beitrag <link http: www.flaechenmanager.com artikel.dll>„Herbstlaub? Blattgold!" aus FM 1/2012.

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