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Dr. Thomas Herdt: Baumhomöopathen und Großbonsaizüchter

Theorie und Praxis in der Baumpflege drehen sich nicht mehr so recht miteinander, sondern entfernen sich mehr und mehr voneinander.

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Darüber bleibt das häufig gesunde (?) und zielorientierte (!) Mittelmaß wieder einmal auf der Strecke. Während in der Rheinschiene schon das Zitat die Runde macht, dass gewisse „ökologische“ Baumpfleger das Schnittgut einer zur Entlastung vorgesehenen 40 m hohen Platane in einer Schubkarre abfahren können, haben „konservative“ Kreise in Bayern die radikale Kappung und Erziehung von Großbonsais als Maßnahme zur Stabilisierung von Bäumen auserkoren.

Das ist eine bedenkliche Entwicklung nach Jahren der Überzeugungsarbeit und des Kampfes für den baumbiologisch fundierten und fachgerechten Erhalt von Bäumen sowie zum Aufbau von stabilen, funktionsgerechten Baumbeständen im urbanen Raum. Trotz wissenschaftlicher Untersuchungen und technischer Vorgaben, die erprobt wurden, geht die Schere in der Praxis nun wieder deutlich auseinander. Die Folge: eine erneute Verunsicherung der Auftraggeber im Hinblick auf die wirklich fachlich sinnvolle und notwendige Ausführung.

Erster Schritt bei einer Pflege- oder Sicherungsmaßnahme muss immer eine problembezogene Analyse im Hinblick auf die Ziel- und Funktionsvorgaben des Auftraggebers sein. Auf die muss eine möglichst objektive Wertung der Situation folgen, aus der sich eine Beratung und Vorschläge zum Umgang mit dem Baum ableiten lassen. Wichtig scheint dabei eine ehrliche betriebswirtschaftliche Kalkulation. Zudem darf die Marktsituation nicht zum Verdrängungswettbewerb bis in die Altersarmut führen, weil in der „wettbewerbsfähigen“ Kalkulation kein Spielraum mehr für eine hinreichende Renten­sicherung ist. Oder im Umkehrschluss sich Art und Intensität der Pflege einzig an der Gewinnoptimierung oder am Lebenserhalt des Baumpflegers orientiert. Großbonsaizüchter oder Homöopath aus Überzeugung oder als Betriebsstrategie?

Bei objektiver Wertung hat, abhängig von diversen Faktoren, beides seine Berechtigung. Der homöopathische Schnitt zur Hilfe und Lenkung, der kräftige Schnitt zur Stabilisierung und zum langfristig verkehrssicheren Erhalt und unter Umständen auch ein Kronensicherungsschnitt zur Pflege auf Abgang.
„Auf ins Land der einig Baumpfleger“ ist sicher nicht möglich und auch nicht gewollt. Aber lasst uns doch wenigstens wieder objektiv und fachlich über unterschiedliche Ansätze diskutieren. Und dies auch bitte transparent, nachvollziehbar und verständlich für den Kunden nach außen.

 

(c) Flächenmanager online, 29.11.11

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