Beim Einlass entsteht beinahe der Eindruck, versehentlich in eine Veranstaltung für Bartmoden oder Tätowierungen geraten zu sein. Doch die Kletterer, die an Seilen von der Hallendecke hängen, sowie die Stände für Akku-betriebenes Arbeitsgerät lösen diesen Irrglauben schnell wieder auf – hier geht es um die Baumpflege. Trotzdem sticht das Fachpublikum – wie bei keiner anderen Messe – mit einem eigenen Stil heraus. Denn wo sich bei Kommunalmaschinen-Veranstaltungen vermehrt Herren mittleren Alters in Anzügen tummeln, ist der Besucher-Durchschnitt hier vor allem jünger, bärtiger und tätowierter – also genau wie ein unbeteiligter Beobachter sich jemanden vorstellt, der beruflich auf Bäume klettert, um sie anschließend mit einer Kettensäge zu bearbeiten.
Zahlreiche Baumpfleger sind zur Messe in Augsburg gekommen, um sich über branchenspezifische Neuheiten zu informieren. Und davon gibt es eine ganze Menge: Namhafte Hersteller von Seilkletter-Technik demonstrieren ihre Produkte in luftiger Höhe, Kettensägen-Fabrikanten führen Geräte im Außenbereich live vor, und dann gibt es da noch das Kletterforum. Interessant scheinen die dort präsentierten Fachvorträge durchaus zu sein, immerhin besuchen über die drei Messetage hinweg insgesamt 1.580 Fachleute das Event.
Ein weiteres Fokus-Thema der Messe, das vor allem den kommunalen Bereich umtreibt, ist das urbane Baum-Management. Die Probleme dabei sind altbekannt: Betriebe haben meistens zu wenig Zeit und Ressourcen, um ihren Bestand so zu pflegen wie vorgesehen. Software-Lösungen müssen also her, um die schiere Menge des Stadtgrüns besser zu erfassen. Zwar gibt es bereits etablierte Hersteller am Markt, die Software zur optimierten Verwaltung diverser kommunaler Elemente – auch von Bäumen – bereitstellen. Doch vor dem Management steht erst das Erheben von Daten, und dafür haben einige Firmen besondere Herangehensweisen konzipiert.
Telematik – die interne Lösung
Welcher Baum braucht wie viel Wasser, und welche Umwelt-Einflüsse wirken gerade auf ihn ein? Um solche Fragen zu beantworten, hat das Team des Münchner StartUps Treesense GmbH eine Telematik-Lösung entwickelt, die es ermöglicht, über elektrischen Widerstand den Wassergehalt eines Baumes zu messen. Dies geschieht durch den Sensor Treesense Pulse, der minimal-invasiv an der Rinde des Baumes befestigt ist. Erhobene Wasser-Daten gelangen über ein nahe gelegenes Gateway in die Cloud. Die Übertragung läuft über das Netzprotokoll LoRaWAN (Long Range Wide Area Network), weswegen die Daten weiterer Bäume in der Umgebung erfasst werden können. Aufschluss geben die gesendeten Informationen über den Feuchtigkeitsgehalt des Baumes, woraus sich Trockenstress und Frostschäden erkennen lassen. Zwar sei es derzeit noch nicht möglich, die gesammelten Daten automatisch auszuwerten, das Unternehmen arbeite jedoch an einem entsprechenden Programm, wie Treesense-Co-Gründer Julius Kübler versichert.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die Plantobelly UG. Von der Idee her nah an den Münchnern, ist das Unternehmen dagegen geografisch etwas weiter entfernt. Immerhin hat Geschäftsführer Tankred Bastian Klemke den langen Weg aus dem schleswig-holsteinischen Lübeck auf sich genommen, um auf der Messe seinen Sensor zur Feuchtigkeitsüberwachung zu präsentieren. Auch bei diesem Gerät findet eine Widerstandsmessung statt, bei der Weiterleitung der Daten setzt das Unternehmen ebenfalls auf LoRaWAN. Allerdings wird der Sensor nicht an der Rinde des Baumes angebracht, sondern unter der Erde zwischen dem Wurzelwerk. Laut Klemke dauere die Installation eines Senders nicht länger als zehn Minuten, wohingegen das Gerät bis zu zehn Jahre Daten sende. Diese werden über ein entsprechendes Webservice-Tool des Unternehmens gespeichert und ausgewertet, was die Überwachung des Feuchtigkeitsgehaltes der Bäume und das Erkennen feuchtigkeitsbedingter Krisenzustände über Jahre ermöglicht.