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DEUTLICHE ERHÖHUNG BEI DER AUFTRAGSVERGABE Hundertfache Wertgrenzen für Direktaufträge

Unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten seit Anfang des Jahres in Bayern deutlich höhere Wertgrenzen für Direktaufträge, Verhandlungsvergaben sowie beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb. Laut Bayerischem Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) stiegen die Wertgrenzen für den geschätzten Netto-Auftragswert bei Liefer- und Dienstleistungen auf 100.000 Euro und bei Bauleistungen sogar auf 1.000.000 Euro.

Lesedauer: min | Bildquelle: STMWI, E. Neureuther
Von: David Herwede

„Wer einen Direktauftrag erteilt, beschafft Leistungen jeglicher Art unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens“, heißt es auf der Homepage der DTVP Deutsches Vergabeportal GmbH. Ein solches Verfahren war bis Anfang des Jahres noch zulässig für Liefer- und Dienstleistungen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 1.000 Euro netto und für Bauleistungen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 3.000 Euro netto.

Diese Wertgrenzen sind nun auf etwa das Einhundertfache erhöht worden (neue Wertgrenze für Direktaufträge bei Bauleistungen: 250.000 Euro netto). Dass der Auftragswert geschätzt werden muss, geht dabei auf Paragraf 3 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) zurück – denn die Höhe des Auftragswerts entscheidet grundsätzlich darüber, ob ein nationales oder europaweites Vergabeverfahren anzuwenden ist. Der Schwellenwert liegt hier seit 01. Januar 2024 bei 221.000 Euro. Alle aktuellen Werte sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen, die das StMWi zur Verfügung stellt.

 

Direktauftrag

Verhandlungsvergabe/ Freihändige Vergabe

Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb

Liefer-, Dienst- und freiberufliche Leistungen

100.000 € netto

Bis zum jeweiligen EU-Schwellenwert:

i.d.R. 221.000 € netto

Bis zum jeweiligen EU-Schwellenwert:

i.d.R. 221.000 € netto

Bauleistungen

250.000 € netto

1.000.000 € netto

1.000.000 € netto


Erhöhungen auch während Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg

Laut Steffen Müller, stellvertretender Geschäftsführer beim Auftragsberatungszentrum Bayern e.V., sei eine solche Erhöhung grundsätzlich nichts Neues – entsprechende Ausweitungen habe es beispielsweise auch während der Corona-Pandemie oder im Zuge des Ukraine-Kriegs gegeben. Neu sei allerdings der massive Anstieg. „Das ist natürlich eine erhebliche Steigerung, mit der Begründung, dass man an dieser Stelle Direktaufträge vereinfachen wollte, um Beschaffungsvorgänge zu beschleunigen“, so Müller. „Der Anwendungsbereich ist dadurch viel breiter geworden, allerdings sind nach wie vor die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Entsprechende Stellen müssen hier auch wirklich Beschaffungen machen, die diesen Haushaltsgrundsätzen Genüge tun.“

Müller weiter: „Mit den neuen Wertgrenzen können zwar erheblich mehr Beschaffungsvorgänge erledigt werden, aber da man immer noch Preisabfragen am Markt zu machen hat, Vergleichsangebote einholen und auf eine sparsame wirtschaftliche Beschaffung achten muss, ist diese Erhöhung kein direkter Freifahrtschein, um einfach den Erstbesten zu kontaktieren. Manipulation und Korruption sind schon Themen, aber genau deswegen gibt es diese Einschränkungen, dass Grundsätze auch dokumentiert sein müssen. Hierzu gab es in den Rundschreiben des StMWi Erläuterungen, wie das sichergestellt werden kann. Die entsprechenden Vergabestellen werden sich damit befassen.“

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Auftrag muss wirtschaftlich und sparsam sein

Eine Sprecherin des StMWi verweist ebenfalls darauf, dass der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch die Erhöhung nicht verdrängt wird. Daher gelte der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des Haushaltsrechts ebenso bei Direktaufträgen. Dieser könne beispielsweise durch eine Markt-Erkundung gewahrt werden, die formlos als Abfrage bei mehreren Anbietern, im Internet oder durch eine fakultative Ex-Ante-Veröffentlichung („Ex-Ante“: „im Voraus“) angelegt werden kann. Weiterhin solle der Auftraggeber zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln, denn dadurch würde auch bei Direktaufträgen Wettbewerb sichergestellt werden.

Eine Sprecherin des Ministeriums hierzu: „Mit den erhöhten Wertgrenzen wird es künftig für staatliche und kommunale Auftraggeber in Bayern noch leichter werden, gezielt auch innovative Leistungen von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Start-Ups ohne ein förmliches Vergabeverfahren zu beauftragen. Auch der Aufwand bei der Abgabe von Angeboten wird für solche Unternehmen deutlich reduziert – sie können dann leichter für öffentliche Aufträge bieten.“

Bis zum 31.12.2029 sind die erhöhten Wertgrenzen befristet. Ähnliche Erhöhungen gab es zum Jahresanfang auch in Baden-Württemberg – dort befristet bis 2027. Was danach passieren wird, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorausgesagt werden, allerdings wurden entsprechende Erhöhungen in der Vergangenheit wohl jährlich verlängert. Da der Auftragswert geschätzt werden müsse, sei es auch nicht möglich, pauschal zu sagen, welche genauen Lieferleistungen in der Praxis unter den Schwellenwert fallen. Details sind auf der Internetseite des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (StMI) abrufbar.

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