Persönliche Schutzausrüstung (PSA) für Mitarbeiter bleibt in vielen Unternehmen ein wichtiges Thema. Welche neuen Normen sind relevant? Gibt es nennenswerte Innovationen? Und welche Rolle spielt hier künftig KI? Ein Gespräch mit Jan Kuntze, Textilingenieur und Geschäftsführer der Kuntze & Burgheim Textilpflege GmbH, einem regionalen Partner des bundesweiten DBL-Verbunds.
Herr Kuntze, wie entwickelt sich der Markt für PSA?
„Weiter solide – das merken wir auch an der Nachfrage seitens unserer Kunden im Mietservice. Im Baugewerbe und in der Industrie ist der Bedarf an PSA konstant hoch. Ein Grund dafür sind die strengen Arbeitsvorschriften. Berufsgenossenschaften schauen sehr genau darauf, dass Menschen bei Tätigkeiten mit erhöhtem Risiko in entsprechend schützender Arbeitsbekleidung unterwegs sind. Schweißarbeiten in normaler Workwear aus Baumwoll-Polyester-Gemisch werden heute deutlich seltener durchgeführt als noch vor ein paar Jahren. Die Betriebe sind sensibilisiert und die Ausstattung mit Schutzkleidung für die Mitarbeiter ist ein relevantes Thema. Förderlich ist dabei, dass es heute innovative Artikel mit verbessertem Tragekomfort gibt.“
Thema PSA und Komfort: Bei nicht normierter Workwear sind aktuell große Stretch-Partien sehr beliebt bei den Profis. Wird der Stoff auch bei PSA eingesetzt?
„Ja, flexible Materialien wie Stretch nehmen bei PSA zu. Sie sind in bewegungsintensiven Bereichen wie im Handwerk, der Logistik oder im Baugewerbe gefragt. So kommen bei zertifizierter Warnschutzkleidung und auch beim Schweißerschutz durchaus spezielle Stretchgewebe zum Einsatz, bei letzterem etwa flammhemmende. Beispiel: Die DBL-Schweißerschutzkollektion bietet einen hohen Tragekomfort durch seitliche Stretch-Einsätze am Hosenbund, und auch bei den Jacken gibt es Stretch-Partien im Unterarmbereich. Die gewünschte Sicherheit wird dadurch nicht gemindert, sonst wären die Kollektions-Teile nicht zertifiziert. Aber es gibt auch Grenzen beim Einsatz von Stretch, beispielsweise bei Chemikalien-Schutzkleidung. Eine Nach-Imprägnierung, wie sie bei wiederverwendbarer Chemikalien-Schutzkleidung üblich ist, muss auf die speziellen Eigenschaften des Stretch-Materials abgestimmt sein. Der Prozess ist technisch anspruchsvoll, da die Imprägnierung sowohl Elastizität als auch Schutzwirkung erhalten muss. Solche Wirkwaren können also nur schwer imprägniert werden – und erreichen daher nicht die gewünschte Schutzwirkung.“
Kommen wir zu aktuellen Normen – gibt es hier Neuigkeiten, die für die Betriebe relevant sind?
„Ja. Es gibt eine vergleichsweise neue Norm im Bereich der erhöhten Sichtbarkeit, die viel diskutiert wird. Hierbei handelt es sich um Bekleidung, die gemäß DIN EN 17353 zertifiziert worden ist. Sie soll dafür sorgen, dass auch Mitarbeiter, die keinen Warnschutz nach DIN EN ISO 20471 tragen, besser sichtbar sind. Die jüngst hinzugekommene Norm soll diese ergänzen. Der Unterschied ist jedoch, dass diese lediglich für den Einsatz in Situationen mit „mittlerem Risiko“ gedacht ist. Die Norm ist also besonders für Situationen gedacht, in denen es um die Verbesserung der Erkennbarkeit, aber nicht zwingend um den direkten Schutz vor lebensgefährdenden Risiken geht. Heißt konkret: Was hier anfangs als Design-Elemente wie reflektierende Paspeln oder Biesen eingesetzt wurde – beispielsweise als schwarzes Shirt mit Reflex-Paspeln – unterliegt nun einer Norm.“
Wo sehen Sie die Herausforderungen bei Schutzkleidung mit dieser Norm?
„Es gibt Kritik, dass die DIN EN 17353 Verwirrung stiften könnte, da Arbeitgeber zwischen zwei ähnlichen Normen unterscheiden müssen. Es bleibt also spannend und abzuwarten, ob die neue Norm sich am Markt durchsetzt. Im Mietservice beraten wir unsere Kunden und finden die für sie bestmögliche Lösung, welche die geeignete und praktikabelste Kleidung für die Mitarbeiter ist.“
Kommen wir noch zum Thema „Smart-Textiles“ und KI bei PSA – gibt es hier zukunftsfähige Innovationen?
„Aktuell gibt es zahlreiche Forschungsprojekte zum Thema Smart-Textiles und ganz unterschiedliche Entwicklungen, etwa integrierte Sensoren zur Vitalüberwachung, beheizbare Schutzkleidung oder auch Warnsysteme mit LED-Technologie. Diese werden sicher in naher Zukunft im PSA-Bereich ankommen – noch ist das in der Praxis des textilen Mietservices nicht der Fall. Anders beim Thema Künstliche Intelligenz.“
Was also tut sich bei KI?
„Die Nutzung von KI in der Industriewäsche, auch bei der Pflege von PSA, entwickelt sich rasant. Es gibt mittlerweile KI-gesteuerte Scanner und Bildverarbeitungssysteme, die automatisierte Taschenkontrollen vornehmen. Sie erkennen Fremdkörper wie Stifte, Werkzeuge oder elektronische Geräte in Kleidungstaschen, bevor die Kleidungsstücke in den Waschprozess gelangen. Heißt in der Praxis: Künftig müssen Mitarbeiter nicht mehr manuell in die Taschen von Workwear oder PSA fassen. Was unter Umständen unangenehm sein kann, Stichwort ‚Kanülen‘ oder ‚ausgelaufene Textmarker‘. Oder sogar Verletzungsgefahr birgt, Stichwort ‚Cuttermesser‘. Der Einsatz von KI wird nicht nur bei der Eingangskontrolle, sondern auch bei der Sortierung eine Rolle spielen. Intelligente Sortieranlagen mit RFID-Technologie und Kamerasystemen erkennen automatisch die Art der Kleidung und ordnen sie dem richtigen Waschprozess zu. Das ist gerade bei der Aufbereitung zertifizierter PSA entscheidend, damit das richtige Waschprogramm exakt ausgeführt und die PSA nicht geschädigt wird bzw. der Artikel seine Imprägnierung erhält. Hier analysieren KI-Systeme heute Daten wie Verschmutzungsgrad, Gewebeart und PSA-Klassifikation. Sie passen dann Temperatur, Dosierung und Waschdauer automatisch an, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Diese Entwicklungen sind in der Praxis bereits angekommen.“