„Das ist ein Schlag gegen den Mittelstand“. Knuth Thiel, bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostbrandenburg für Rechts- und Steuerpolitik zuständig, hat eine sehr eindeutige Meinung zu dem Gesetzentwurf, mit dem für die Kommunen die Möglichkeiten wirtschaftlicher Betätigung erweitert werden sollen. Bisher galt der Vorrang der Privatwirtschaft – nun müssen Kommunen erst dann Aufgaben an Private übertragen, wenn diese wirtschaftlicher sind.
„Und das lässt sich auch noch aushebeln“, ärgert sich Thiel. Denn die Gemeindevertretung kann auch einfach beschließen, dass „die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde im öffentlichen Interesse“ ist, wie die Staatskanzlei mitteilt. Für die IHK entsteht so „eine unerträgliche Konkurrenzsituation“.
FGL fürchtet Kommunen als Kunden zu verlieren
Auch Oliver Hoch, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin und Brandenburg, findet deutliche Worte: Der Gesetzentwurf sei „eine bundesweit einmalige Rückkehr zur Staatswirtschaft“. Bisher seien die Kommunen gerade im ländlichen Raum für viele der 500 Unternehmen der Branche mit 6500 Mitarbeitern wichtige Auftraggeber gewesen. Das werde sich ändern.
Kommune als Konkurrenz
„Stattdessen dürften fünf bis zehn große Bauhöfe stark aufrüsten und staatlich gegen Insolvenz abgesichert unseren Firmen überall im Land Konkurrenz machen“, sagt Hoch.
Denn auch das ist neu: Kommunale Betriebe dürfen nach Inkrafttreten außerhalb des Gemeindegebietes tätig werden. Zudem müssen solche Firmen nicht mehr von der Kommunalaufsicht genehmigt werden, eine einfache Anzeige reicht. Oliver Hoch kündigt an, man werde das Gesetz genau abklopfen, ob es verfassungsgemäß ist. „Denn die Marktwirtschaft hat Verfassungsrang.“
Ähnlich kritisch sieht das Wolf Burkhard Wenkel, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg: Vielen kleinen und mittelständischen Betrieben drohe durch die kommunale Konkurrenz die Insolvenz. Offenbar sollten „die kommunalen Haushalte auf Kosten der Wirtschaft und ohne Rücksicht auf Verluste saniert werden“.
Der Zwang zu privatisieren wächst
Die Aufregung kann Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, gar nicht verstehen. Sie erwartet keine Welle von kommunalen Firmengründungen. Und findet die Tatsache, dass die Kammern laut Gesetz ihre Meinung zu geplanten Firmen von Städten und Gemeinden abgeben dürfen, „unglaublich“.
Zudem setze das ebenfalls vom Kabinett verabschiedete Vergabegesetz nebst Mindestlohn die Kommunen zusätzlich unter Druck – kommunale Kitas etwa müssten sich an all diese Regelungen halten, Kitas in freier Trägerschaft aber nicht. „So wächst der Zwang, zu privatisieren.“ Und wenn etwa eine Kommune in ihrer Schwimmhalle eine Cafeteria betreiben wolle, was die Kammern kritisieren, dann mache sie das doch nur, „weil eine Schwimmhalle immer ins Minus geht. Den Verlust will man so ausgleichen. Warum soll man diese Einnahmen dann einem Privaten überlassen?“ (Hajo Zenker/moz.de)
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