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BAUHOF-PORTRÄT MARKTREDWITZ Winterdienst: Gesundheitsschutz und Öffentlichkeitsarbeit als Fokusthemen

Im Fichtelgebirge fängt der Winter früh an: Der Bauhof von Marktredwitz rückt dabei die Themen Gesundheitsschutz und Öffentlichkeitsarbeit in den Fokus. Dies in Einklang mit einem gut organisierten Winterdienst zu bringen, ist eine Herausforderung.

Lesedauer: min | Bildquelle: Tobias Meyer
Von: Tobias Meyer

Die Region im Landkreis Wunsiedel wird im Volksmund auch gerne „Bayrisch-Sibirien“ genannt, regelmäßig misst der Wetterdienst hier Deutschlands Minustemperatur-Rekorde. Während des Jahres lässt Bauhofleiter Roland Sommer daher rund 400 Tonnen Salz und 90 Tonnen Splitt einlagern. Bereits Anfang Oktober beginnt sein Team mit dem Aufrüsten der ersten Fahrzeuge, zwei Wochen später ist mindestens die Hälfte der Räum- und Streufahrzeuge einsatzbereit. Für neun Räumbezirke sind Großgeräte zuständig, fünf weitere übernehmen die Kommunaltraktoren. Beide Gruppen stehen im Wechsel werktags von 03.00 bis 21.00 Uhr und am Sonntag von 05.30 bis 19.30 Uhr bereit. Zeitversetzt werden die Handkolonnen alarmiert. Es ist möglich, sie von 04.30 bis 19.30 Uhr und am Sonntag ab 05.30 Uhr in Rufbereitschaft zu versetzen.

Räum- und Streucomputer können auch Stress bedeuten

„Die Winter heute sind nicht mehr so extrem wie noch vor einigen Jahrzehnten, jedoch nimmt die psychische und physische Belastung zu, z.B. dadurch, dass der Verkehr am Morgen immer früher beginnt und das Verkehrsaufkommen weiter steigt“, weiß der Bauhof-Chef der Stadt Marktredwitz. Somit beginnen die Einsätze morgens eher und dauern am Abend länger. „Außerdem sind Räum- und Streugeräte inzwischen zu fahrenden Computern geworden, was nicht immer nur Erleichterungen, sondern in der Praxis auch zusätzlichen Stress für die Fahrer bedeutet.“ Aber auch die Belastung bei den Handräumern steige seiner Erfahrung nach immer mehr: Sie sind nicht nur den extremen Witterungsverhältnissen, sondern oft auch hohen Minusgraden ausgesetzt. Moderne Sicherheitskleidung schaffe hier nur teilweise Abhilfe. Außerdem werde es immer schwerer, Personal zu finden, das im Winter bereitwillig Schnee räumt, während alle anderen noch schlafen. Bedingungen wie z.B. Rufbereitschaft an Feiertagen oder Wochenenden schrecken Bewerber zudem ab.

All diese Anforderungen unter einen Hut zu bekommen, ist für Sommer nicht einfach. Aber die Gesundheit der Beschäftigten sollte seiner Ansicht nach immer an erster Stelle stehen, denn ohne ein motiviertes Team gehe schließlich gar nichts. Natürlich müsse dabei auch das Arbeitszeitgesetz Berücksichtigung finden, wie z.B. durch die Einhaltung der täglichen Ruhe- und Arbeitszeit: „Das ist nicht einfach, wenn morgens früher begonnen und abends länger gefahren wird.“

Bewährt hat sich in Marktredwitz der Einsatz sogenannter Notdienstbeauftragter. Hier gibt es einen Unterschied zwischen Gemeinden und den Straßen- und Autobahnmeistereien. Denn bei den Kommunen muss der Notdienstbeauftragte vor Ort entscheiden, wie viele Fahrzeuge und Handkolonnen eingesetzt werden. In dieser Situation entsteht aus mehreren Gründen hoher psychischer und physischer Druck: „Wenn es beginnt zu schneien – oder bei Temperaturen knapp über null Grad zu regnen – muss innerhalb kürzester Zeit entschieden werden, wie viele Kollegen und Fahrzeuge nun zum Einsatz kommen“, erklärt Sommer. Erschwert werde diese Entscheidung durch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit, da auch die Kosten für Treibstoff, Salzverbrauch und Personal im Blick behalten werden müssen.

„Ein echter Knochenjob, der in der Öffentlichkeit oft wenig gewürdigt wird“,
sagt Bauhofleiter Sommer über den Winterdienst.


 

Sobald die Straßen geräumt sind, wird geprüft, ob gegebenenfalls bereits mit der Schneeabfuhr oder den Fräsarbeiten begonnen werden muss. Dadurch werden beispielsweise stark frequentierte Straßen schnell wieder verbreitert oder drohenden Unfallgefahren entgegengewirkt. Deshalb gilt Sommers persönliche Hochachtung allen Kollegen im Winterdienst: „Ein echter Knochenjob, der in der Öffentlichkeit oft wenig gewürdigt wird.“ Aber genau hier erschließt sich ein breites Feld an Möglichkeiten, wie man als Vorgesetzte oder Vorgesetzter einige Stressoren für die Mitarbeiter reduzieren kann. Je besser die Bevölkerung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit über die Herausforderungen im Winterdienst informiert ist, desto besser die Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen. Und wie lassen sich die Bürger besser für das Thema begeistern, als mit einer mitreißenden, aber gleichzeitig informativen Großveranstaltung für die ganze Familie?

Deshalb hatte Roland Sommer bereits im Jahr 2017 die Idee, in Marktredwitz eine Schneepflugmeisterschaft auszurichten und natürlich auch selbst mit einem Team daran teilzunehmen. So konnte er der Bevölkerung die Arbeit des Winterdienstes auf innovative Art und Weise näherbringen. Der Wettbewerb – die 1. Nordbayerische Schneepflugmeisterschaft – ging schließlich am 06. Mai 2018 über die Bühne. Dieser zeigte den Besuchern eindrucksvoll, welchen Belastungen die Fahrerinnen und Fahrer ausgesetzt sind. „Der Parcours war reellen Situationen im Winterdienst nachempfunden, und manchem Zuschauer stockte der Atem, mit welcher Präzision und Geschwindigkeit die Hindernisse gemeistert wurden“, erinnert sich Sommer.

Disziplinen 1. Nordbayerischen Schneepflugmeisterschaft waren unter anderem:

  • Slalom vorwärts und rückwärts simulierte Autos, die auf gegenüberliegenden Straßenseiten versetzt parken sowie einen zugeparkten Wendehammer.
  • Punktgenaues Verschieben von Gegenständen zeigt, wie exakt der Fahrer Räumen kann und wie gut er Randsteine oder Hindernisse bei eingeschränkter Sicht erkennt.
  • Durchfahren einer markierten Engstelle mit nur wenig Platz an den Seiten steht für das Räumen in engsten Straßen und Unterführungen.

Obwohl das Marktredwitzer Team weder Parcours noch Fahrzeug vorher kannte, holte es den 1. Platz. Es durfte somit auf die Teilnahme an der Deutschen oder sogar der Weltmeisterschaft hoffen. Durch die Teilnahme der Berufsgenossenschaft KUVB kamen auf der Veranstaltung die Themen Gesundheitsschutz und Prävention ebenfalls nicht zu kurz. Das Event wurde in ein Familienfest integriert, welches von rund 3.500 Gästen und einem großen Presseaufgebot schier überrannt wurde. Um der Bevölkerung wieder zu zeigen, wie anspruchsvoll der Winterdienst ist, hat sich die Stadt Marktredwitz 2023 entschlossen, die 1. Bayerische Meisterschaft im Schneepflugfahren auszurichten. Dieses Spektakel verfolgten bereits 5.000 Besucher. Hierbei konnte sich das hauseigene Team für die 3. Deutsche Meisterschaft in Koblenz qualifiziert und wurde dort im September 2023 sogar Deutscher Meister. Erstmals gelang dies einer kommunalen Bauhof-Mannschaft, denn bis dato standen immer Vertreter der Autobahn-Meistereien ganz oben auf dem Siegertreppchen. 2024 tritt das „Team MAK“ dann bei der Europameisterschaft an, 2025 richten die Marktredwitzer die 4. Deutsche Meisterschaft aus. Neben der Öffentlichkeitsarbeit sollen durch die Wettbewerbe auch neue Kollegen gewonnen – Quereinsteiger sind gerne gesehen – und den eigenen Mitarbeitern mehr geboten werden, als nur der reine Arbeitsalltag.

Auch der Oberbürgermeister der Stadt Marktredwitz, Oliver Weigel, steht voll und ganz hinter „seinen Winterdienstlern“, wertschätzt deren Arbeit und hat schon persönlich den Prozess von der Alarmierung bis zur Einsatzplanung begleitet. Die Themen Gesundheitsschutz und Öffentlichkeitsarbeit spielen für ihn gleichermaßen eine wichtige Rolle – in allen Bereichen der städtischen Verwaltung. Regelmäßig – und verstärkt Richtung Herbstende – geht diese mit Winterdienst-Themen an die Öffentlichkeit, um auch die Verkehrsteilnehmer für die Arbeit der Räumdienste zu sensibilisieren. Bei Presseterminen, in Pressemitteilungen, Artikeln im Stadtmagazin oder Beiträgen in den sozialen Medien werden immer wieder die Punkte genannt, die den Kolleginnen und Kollegen in den Räumfahrzeugen oder den Handräumern den Einsatz ein bisschen leichter machen können.

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Erleichtert den Fahrern den Einsatz:

  • Fahrzeuge sollten in engen Straßen am besten immer nur auf einer Straßenseite geparkt werden, damit die andere Seite für den Schneeabraum genutzt werden kann. Außerdem sollten Wendehammer nicht zugeparkt werden, um Rückwärtsfahren zu vermeiden.
  • Falls möglich, ist es auch sinnvoll, auf der topografisch höheren Seite zu parken, sodass die Straßeneinläufe gut freigeräumt werden können. Nur so kann später das Tauwasser gut abfließen.
  • Verständnis für die Fahrer: Insbesondere bei starken Schneefällen oder Blitzeis ist es nicht möglich, alle Straßen zeitgleich befahrbar zu machen. Schließlich würden die Straßen nach einem strengen Prioritätenplan geräumt.

Vertreter der Stadt Marktredwitz sind der festen Überzeugung: Wenn man miteinander spricht, lassen sich viele Reibungspunkte vermeiden, und in der Bevölkerung wird für mehr Verständnis für die Belange des Winterdienstes geworben. Auch dies sind effektive Maßnahmen, um die psychischen und physischen Belastungen der Kolleginnen und Kollegen auf ein möglichst niedriges Maß zu reduzieren.
 

Fakten zum Bauhof Marktredwitz

Leitung: Roland Sommer

Aufgabenbereiche: Der Baubetriebshof ist in fünf Arbeitsgruppen untergliedert: Büro; Hochbau: Schreinerei, Maurer, Maler, Elektriker, Betreuung Spielplätze; Tiefbau/Verkehr: Straßenunterhalt, Verkehr, allgemeine  Bauhofaufgaben, Straßenreinigung; Grün: Gärtnerei; Mobil: Fuhrpark

Mitarbeiter: Insgesamt 53 Mitarbeiter, 47 im Winterdienst eingeteilt, davon vier Notdienstbeauftragte, 18 Personen in fünf Handräumbezirken und drei Personen zur Besetzung des Fuhrparks

Verantwortungsbereich: ca. 27 km Gemeindeverbindungsstraßen; ca. 93 km Ortsstraßen; ca. 110 km Gehwege; ca. 20 km Radwege

Fuhrpark: 3 MAN-Lkw; 1 Multicar; 2 Unimog; 1 JCB-Fastrac; 1 JCB-Teleskoplader; 3 eigene Kommunaltraktoren; 3 Kommunaltraktoren in Fremdvergabe für kleine Straßen und Gehwege; 2 Radlader; 15 Busse und Kleintransporter; Besonderheit: MAN 3-Achs-Lkw TGS 28.470 mit Kommunalhydraulik inkl. Load-Sensing-System sowie Abrollkipper. Hier kann der komplette Aufbau samt Kran abgenommen werden, wodurch im Winter mehr Nutzlast für den dann aufgebauten Streuer zur Verfügung steht.

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